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E-Book, Deutsch, Band 6235, 207 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Marçal Machonomics

Die Ökonomie und die Frauen

E-Book, Deutsch, Band 6235, 207 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-68862-1
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



"Kein Aspekt der weiblichen Biologie prädestiniert die Frau für unbezahlte Hausarbeit. Oder dafür, ihren Körper für einen lausig bezahlten Job im öffentlichen Sektor zu schinden. Will man den globalen Zusammenhang zwischen ökonomischer Macht und dem Besitz eines Penis legitimieren, muss man woanders suchen."
Frauen werden schlechter bezahlt als Männer? Natürlich weil ihre Arbeit weniger wert ist, erklären die Ökonomen, sonst würde sie ja besser bezahlt. Frauen ziehen Kinder groß, schmeißen den Haushalt und halten dem Mann den Rücken frei, damit er sich auf seine Karriere konzentrieren kann? Spielt für das Bruttosozialprodukt leider keine Rolle, sagen die Ökonomen. Denn der rationale und egoistische Mensch der Ökonomie, der "economic man", ist vor allem eins: ein Mann. Und er funktioniert wie ein Mann. In ihrer fulminanten Polemik rechnet die schwedische Ökonomin und Feministin Katrine Marçal mit dem Weltbild einer von Männern dominierten MachoÖkonomie ab, deren Prämissen Frauen diskriminieren, weil sie nicht wie Männer sind. Dieses Weltbild beherrscht längst unser ganzes Dasein. Aber es ist falsch. Zeit, so Marçal, es über Bord zu werfen.
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Inhalt;7
5;Haftungsausschluss;9
6;Erstes Kapitel: In dem wir in die Welt der Ökonomie eintauchen und uns fragen, wer Adam Smiths Mutter war;11
7;Zweites Kapitel: In dem wir dem ökonomischen Mann vorgestellt werden und seine unerhörten Verführungskünste kennenlernen;21
8;Drittes Kapitel: In dem sich zeigt, dass der ökonomische Mann keine Frau ist;32
9;Viertes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass unser Pakt mit dem ökonomischen Mann sich anders gestaltet, als wir uns das vorgestellt haben;44
10;Fünftes Kapitel: In dem wir die Frau hinzugeben und kräftig umrühren;58
11;Sechstes Kapitel: In dem Las Vegas und die Wall Street verschmelzen;69
12;Siebtes Kapitel: In dem die Weltökonomie in die Binsen geht;80
13;Achtes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass noch nicht einmal Männer wie der ökonomische Mann sind;93
14;Neuntes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass ökonomische Anreize komplizierter sind, als wir dachten;103
15;Zehntes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass wir nicht gleich egoistisch sind, nur weil wir mehr Geld wollen;113
16;Elftes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass eins minus eins immer noch null ist;123
17;Zwölftes Kapitel: In dem wir alle zu Unternehmern werden;134
18;Dreizehntes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass die Gebärmutter keine Raumkapsel ist;143
19;Vierzehntes Kapitel: In dem wir die ungeahnte Tiefgründigkeit und die Ängste des ökonomischen Mannes kennenlernen;152
20;Fünfzehntes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass die große Erzählung unserer Zeit nur ein Geschlecht hat;165
21;Sechzehntes Kapitel: In dem wir sehen werden, dass jede Gesellschaft proportional zu ihrem eigenen Gesülze leidet. Und wir sagen: Leb wohl!;173
22;Anmerkungen;185
23;Literatur;197
24;Personenregister;205
25;Zum Buch;207
26;Über den Autor;207


ERSTES KAPITEL
In dem wir in die Welt der Ökonomie eintauchen und uns fragen, wer Adam Smiths Mutter war
Wie kommt Ihr Abendbrot auf den Tisch? So lautet die Grundfrage der Ökonomie. Sie mag einfach klingen, ist aber überaus knifflig. Die meisten von uns produzieren nur einen Bruchteil dessen, was wir tagtäglich konsumieren. Den Rest kaufen wir ein. Unser Brot kommt aus den Supermarktregalen, und wenn wir eine Lampe anknipsen, versorgt uns die Steckdose prompt mit Strom. Doch nur zwei Brotlaibe oder ein Kilowatt Strom erfordern die koordinierte Aktivität Tausender Menschen auf der Welt. Da wäre der Bauer, der Weizen anbaut, um ihn an die Brotfabrik zu verkaufen. Die Firma, die die Plastiktüten produziert, in denen das Brot abgepackt wird. Und natürlich die Brotfabrik, die das Brot an Ihren Supermarkt ausliefert. Jeder einzelne Schritt ist eine unabdingliche Voraussetzung dafür, dass an einem gewöhnlichen Dienstagmorgen Brot in Ihrem Supermarktregal liegt – nicht zu vergessen die Menschen, die Werkzeuge herstellen, Lebensmittel transportieren, Autos reparieren, Supermärkte reinigen und die Regale einräumen. Der gesamte Prozess muss zu einer gewissen Zeit, in einer gewissen Reihenfolge und mit einer gewissen Regelmäßigkeit erfolgen, damit die Regale stets reichlich gefüllt sind. Selbstredend gilt dies nicht nur für jedes Brot, sondern auch für Bücher, Luftballons und überhaupt alles, was wir kaufen oder verkaufen wollen. Moderne Ökonomien sind eine ziemlich verzwickte Angelegenheit. Und aus genau diesem Grund stellen Ökonomen sich die Frage: Was hält alles zusammen? Die Ökonomie wurde häufig als eine Wissenschaft beschrieben, in der es um die Frage geht, wie sich Liebe konservieren lässt. Die Grundidee lautet: Liebe ist ein knapp bemessenes Gut. Seinen Nächsten zu lieben kostet Energie, vom Übernächsten einmal ganz zu schweigen. Folglich gilt es, achtsam mit der Liebe umzugehen und sie nicht zu vergeuden. Verwenden wir sie als Treibstoff für unsere Gesellschaft, bleibt fürs Privatleben nichts mehr übrig. Liebe zu finden ist schwer – sie zu bewahren umso schwerer. Darum, dachten sich die Ökonomen, musste die Gesellschaft auf ein anderes Fundament gestellt werden. Warum nicht auf unseren Egoismus? An dem schien es nun wahrlich nicht zu mangeln. Adam Smith, der Begründer der klassischen Nationalökonomie, brachte 1776 jene Worte zu Papier, die unsere moderne Sichtweise auf die ökonomische Welt prägen sollten: «Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.» Smith geht davon aus, dass ein Metzger schlachtet, um seine Kunden zufriedenzustellen und Geld zu verdienen. Nicht, weil er nett sein möchte. Der Bäcker und der Brauer verrichten ihre Arbeit nicht aus Nächstenliebe, sondern um ihre Kassen zum Klingeln zu bringen. Wenn Brot und Bier gut munden, werden sie auch in Zukunft gekauft werden. Und genau das sei, so Smith, der einzige Grund, warum der Bäcker und der Brauer ihre Waren produzieren. Was sie antreibt, sei ihr Eigeninteresse. Auf unser Eigeninteresse ist stets Verlass, da es in Hülle und Fülle vorhanden ist. Im Gegensatz zur Liebe, denn die ist Mangelware. Sie reicht nicht für die Gesellschaft und sollte am besten in einer Konservendose für den Privatgebrauch aufbewahrt werden. Sonst verdirbt alles. Frage: «Was ist hundert Meter lang, langsam wie eine Schnecke und ernährt sich ausschließlich von Kohl?» Antwort: «Die Schlange vor einer Bäckerei in der Sowjetunion.» Wie in der Sowjetunion wollen wir es nicht haben. Adam Smith erklärte, warum freie Märkte der beste Weg zu einer effektiven Wirtschaft seien. Smiths Ideen von Freiheit und Autonomie waren revolutionär und radikal. Weg mit den Zollgebühren und Preisregulierungen! Ließe man dem Markt einfach nur freien Lauf, behauptete Smith, würde die Wirtschaft, angetrieben vom menschlichen Eigeninteresse, laufen wie ein Uhrwerk. Weil jeder um sein eigenes Wohl besorgt ist, erhält die Allgemeinheit die Waren, die sie benötigt. Das Brot liegt im Brotregal, der Strom surrt durch die Leitungen – und Sie bekommen Ihr Abendbrot. Das Eigeninteresse des Einzelnen hält die Gesamtheit zusammen, ohne dass jemand daran denken müsste. Wie durch Zauberhand. Und genau diese Theorie wurde zu einer der größten Erzählungen unserer Zeit. Die frühe Ökonomie war überzeugt, das Getriebe der Welt werde von unserem Eigeninteresse zum Laufen gebracht. «Das erste Prinzip der Wirtschaftslehre besagt, dass jeder Akteur allein durch sein Eigeninteresse angetrieben wird», stellten Ökonomen gegen Ende des 19. Jahrhunderts fest. Die moderne Ökonomie, wurde auf dem «Granit des Eigeninteresses» errichtet, und wir durften sie bestaunen. In der Ökonomie ging es nicht um Geld, sondern von Beginn an um ein Menschenbild, eine Geschichte. Die Geschichte davon, dass wir unser Handeln darauf ausrichten, aus einer Situation, pardon, jeder Situation als Gewinner hervorzugehen. Und von allen Annahmen, die daraus folgten. Und das ist noch immer der Ansatzpunkt der ökonomischen Standardtheorien. Wenn wir im Alltag davon sprechen, «wie ein Ökonom zu denken», haben wir folgendes Bild vor Augen: Menschen handeln, wie sie handeln, um Profit daraus zu schlagen. Kein sonderlich schmeichelhaftes Bild, aber das wahrhaftigste. Und will man irgendwann am Ziel ankommen, beginnt man am besten mit der Wahrheit. Die Moral führt uns vor Augen, wie wir die Welt gern hätten, Ökonomen dagegen sprechen aus, wie sie wirklich aussieht. Zumindest behaupten sie das. Viel mehr müssen wir nicht wissen. So bestreiten wir unser Leben, und so wird die Gesellschaft zusammengehalten. Wie von einer unsichtbaren Hand. Das ist das große Paradox. Und wie wir alle wissen, spricht Gott gern in Paradoxa zu uns. Die «unsichtbare Hand» ist die wahrscheinlich bekannteste Metapher der Ökonomie. Formuliert hat sie Adam Smith, doch es waren die Ökonomen nach ihm, die sie in einem weiteren Sinne gebrauchten. Die unsichtbare Hand berührt alles, steuert alles, sie ist in allem und bestimmt alles – und dennoch ist sie weder sicht- noch spürbar. Sie greift nicht von oben oder unten in etwas ein, stochert herum und verrückt die Dinge. Sie entsteht aus und zwischen den Handlungen und Entscheidungen der Individuen. Sie ist es, die das System ankurbelt – aus seinem Innern heraus. Dieser Gedanke war für die Ökonomen jüngerer Zeit sehr viel zentraler, als er für Adam Smith selbst war. Wenngleich der Vater der Nationalökonomie den Ausdruck in Wohlstand der Nationen nur ein einziges Mal gebraucht, dient er der modernen Ökonomie und ihrem eigentümlichen Universum heute als Fundament. Ein Jahrhundert ehe Adam Smith von der unsichtbaren Hand berichtete, hatte Isaac Newton seine Philosophiae Naturalis Pricipia Mathematica (Mathematische Prinzipien der Naturlehre) veröffentlicht. Darin erklärte der Astronom, Mathematiker, Naturwissenschaftler und Alchemist, welche Kraft den Mond auf seiner Bahn hält. Er berechnete die Bewegungen der Planeten, die Anziehungskraft der Erde, erörterte, warum Äpfel zu Boden fallen – und konnte all das auf dieselbe Schwerkraft zurückführen, die auch die Himmelskörper in ihren Armen wiegt. Newton schenkte uns die moderne Wissenschaft und einen völlig neuen Blick auf die Welt. Zu jener Zeit galt die Mathematik als eine Sprache Gottes. Durch sie, so hieß es, habe Gott uns das «Buch der Natur» zugänglich gemacht, und durch sie würden wir seine Schöpfung erfassen können. Isaac Newtons Entdeckungen versetzten die Welt in einen Rausch. Auch und vielleicht am meisten Adam Smith und die aufkeimende Politische Ökonomie. Die Gesetze des Sonnensystems, die bislang Gott allein offenkundig gewesen waren, waren mit einem Mal wissenschaftlich lesbar. Das Weltbild wandelte sich. Der Gott, der sich einmischte und Standpunkte vertrat, der strafte, Meere teilte, Berge versetzte und alltäglich Abermillionen Blumen zum Erblühen brachte – höchstpersönlich versteht sich –, war plötzlich ein abwesender Gott, das Universum ein Uhrwerk, das er zwar erschaffen und aufgezogen hatte, das aber nun ganz von allein weitertickte. Die Welt wurde ein Apparat, ein Theaterstück, eine gigantische Inszenierung, dessen einzelne Rädchen surrten wie in einer Maschine. Zunehmend waren Intellektuelle dem Glauben erlegen, sie könnten fortan einfach...


Katrine Marçal ist Chefkolumnistin der schwedischen Zeitung "Aftonbladet", wo sie über schwedische und internationale Politik, Ökonomie und Feminismus schreibt. Ihr Buch Machonomics war auf der shortlist für den August-Preis und wurde mit dem Lagercrantzen-Preis ausgezeichnet. Marçal lebt in London.


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