Mariak | Die verborgene Kriminalität: Straftaten im Dunkelfeld II | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2, 556 Seiten

Reihe: Schriften zur Gewaltprävention

Mariak Die verborgene Kriminalität: Straftaten im Dunkelfeld II

Kriminologische Fallbeispiele verdeckter Gewalt in dysfunktionalen Familien / Gewalt gegen Tiere als Indikator häuslicher Konflikte
2. Auflage 2022
ISBN: 978-3-347-60590-9
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminologische Fallbeispiele verdeckter Gewalt in dysfunktionalen Familien / Gewalt gegen Tiere als Indikator häuslicher Konflikte

E-Book, Deutsch, Band 2, 556 Seiten

Reihe: Schriften zur Gewaltprävention

ISBN: 978-3-347-60590-9
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Es besteht die Binsenwahrheit, dass die zivilisatorische Tünche des modernen Menschen mit ihrem Credo der Friedfertigkeit, der Gleichberechtigung aller und der Fairness im Zusammenleben auch in vermeintlich ethisch hochentwickelten Demokratien oft genug nur hauchdünn ist. Wirklich krass zeigt sich diese Tatsache in den amtlich aufgedeckten Straftaten gegen eigene Familienmitglieder (Hellfeld). Aber: Wie viele Kindesmisshandlungen geschehen tatsächlich jährlich bei uns im Land? Wie oft findet häusliche Gewalt in den Familien / Beziehungen statt? Und besteht die Chance, häusliche Gewalt gegen Menschen zu verhindern oder zumindest einzudämmen, indem man Gewaltakte gegen Tiere in diesen Haushalten als Warnsignal ('red flag') begreift und präventiv handelt? Haben die Behörden der Exekutive, hat die deutsche Kriminologie, überhaupt die Möglichkeit, das immense Dunkelfeld häuslicher Gewalt effektiv zu erfassen? Dies sind Kernfragen, die in der 2. Auflage dieser Arbeit erneut diskutiert werden, um dem interessierten Kreis der Leser*innen einen wenigstens rudimentären Einblick in zwei brisante gesellschaftliche Probleme bieten zu können: Die physische bzw. psychische Gewaltausübung und, damit eng verbunden, Gewaltdelikte an Tieren. Letzteres geschieht speziell im Rahmen häuslicher Konflikte. Die sozialen Mechanismen dieser Machtausübung sind ebenfalls Gegenstand der Diskussion und werden anhand von Fallbeispielen aufgezeigt. Es handelt sich dabei um Kurzbiografien bekannter deutscher Gewalttäter*innen, die bereits in der voraufgegangenen Studie zur 'Gewaltspirale' diskutiert oder hier neu hinzugefügt wurden (Beispiele: Friedrich Haarmann, Peter Kürten, Christa Lehmann, Jürgen Bartsch, Frank Gust).

Volker Mariak wurde in Hamburg geboren und ist dort aufgewachsen. Nach grafischer Lehre und zweijährigem Militärdienst, Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg. Abschluss: Diplom-Sozialwirt. In den Jahren 1976 bis 1981 Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg mit dem Abschluss Diplom-Soziologe. Promotion zum Dr. rer. pol. im Jahre 1986. Danach Studium der Kriminologie mit dem Abschluss Diplom-Kriminologe. Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg und später Lehr- und Forschungstätigkeit an einem Sonderforschungsbereich der Universität Bremen. Nachfolgend Leiter der Forschungsdokumentation und Senior-Projektleiter in einem privatwirtschaftlichen Regional- und Stadtforschungsinstitut. Primäre fachliche Interessengebiete: Ethik, Tierschutz, Kriminologie.

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2. Deutsche Fallbeispiele: Häusliche Gewalt und der Indikator „Tierquälerei / Tiertötung“ 2. 0 Einführung in die Fallbeispiele In einer früheren Arbeit zum Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Menschen und der Gewalt gegen Tiere (Mariak, 2021) wurden Kurzbiografien bekannter Mehrfachmörder vorgestellt und ausgewertet. In diesem Kontext fiel bereits ein Sachverhalt auf, der kriminologisch Forschenden durchaus vertraut ist: Es zeigte sich zum einen für die Kindheits- und Jugendphase der Gewalttäter, dass diese selbst oft genug Opfer gravierender physischer und psychischer häuslicher Gewalt wurden: In der Regel fand sich hier ein überstreng und hochaggressiv reagierender und / oder unkontrolliert prügelnder Vater, der – oftmals nicht zuletzt durch sein Alkoholproblem – das Familienleben belastet, wenn nicht sogar zerrüttet hatte. Zum anderen zeigte sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine Generationen übergreifende Tradierung von Gewaltmustern: Vereinfacht gesagt, wer als Minderjähriger selbst zum Gewaltopfer wurde, war sozial prädesteniert für die Ausübung eigener, vielfach häuslicher Gewalt: Das Opfer geriet zum Täter. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang ebenfalls die Gewalt gegen Tiere. Einprägsame, kurze Beispiele sollen diese Beobachtungen auch hier erläutern helfen. Es handelt sich dabei um Fälle der deutschen Kriminalgeschichte – nachstehend geordnet nach dem Geburtsjahr der Täter*innen. In diesen Kurzbiografien werden teilweise Textsequenzen der früheren Arbeit verwandt. Dies ist nicht immer vermeidbar, da bestimmte Biografie-Inhalte sowohl für die ältere Studie zur Gewaltspirale als auch für die vorliegende Arbeit zur häuslichen Gewalt relevant sind und Tat-Berichte sich geringfügig überschneiden können. Für neu interessierte Leser*innen ist dieses Vorgehen vorteilhaft, da nicht zusätzlich die Studie des Jahres 2021 benötigt wird, um Fallbeispiele angemessen bewerten zu können. Tabelle 1: Fallbeispiele häuslicher Gewalt bei bekannten deutschen Gewalttäter*innen 2. 1 Carl Friedrich Großmann Der 1863 in Neuruppin geborene Großmann war einer der berüchtigsten Sexualstraftäter und Mehrfachmörder (zumindest drei Morde) bis in die Weimarer Zeit hinein. Im Jahre 1922 beging er in seiner Gefängniszelle vor dem Abschluss der Hauptverhandlung gegen ihn Suizid durch Erhängen (zu den Details seiner Biografie siehe Mariak 2021, S. 62 ff.). Eine wichtige Quelle, der hier ebenfalls weitgehend gefolgt wird, ist die Großmann-Biografie von Matthias Blazek (Blazek, 2009). Zusätzliche wertvolle Information ergab sich aus der Dissertation von Anne-Kathrin Kompisch (Kompisch, 2008). 2. 1. 1 Stichwort: Häusliche Gewalt 2. 1. 1. 1 Kindheit & Jugend – Flucht aus dem Elternhaus Carl Friedrich Großmann hatte sechs Geschwister - zwei Brüder, vier Schwestern - und wuchs als Sohn eines Lumpensammlers heran. Seine Familienverhältnisse galten als prekär: Der Vater wurde in damaligen Berichten als gewalttätiger Säufer bezeichnet: „ … für seine Familie unerträglich, wenn er getrunken hatte.“ (Blazek, 2009, S. 13). Im Gutachten des Medizinalrates Dr. Störmer, datiert vom 20. Mai des Jahres 1922, heißt es dazu: „Der Vater des G., der Händler & Hausbesitzer in Neu-Ruppin am neuen Markt 5 war, wird mir als ein ganz besonders brutaler und jähzorniger Säufer geschildert, der Hunderte von Krampfanfällen aller Grade gehabt hat bis zu den schwersten von stundenlanger Dauer. Er ist auch oft von anderen Leuten nach Hause gebracht worden. Seine Ehefrau hatte ausserordentlich schwer zu leiden.“ (Gutachten des Medizinalrats Dr. Störmer, zitiert bei: Blazek, 2009, S. 84). Der Gerichtsarzt Medizinalrat Prof. Dr. Curt Strauch bestätigte in seinem Gutachten ebenfalls die Information über das negative Persönlichkeitsbild des Vaters und konstatiert: Er sei „ein roher, brutaler Mann" gewesen. (Gutachten des Medizinalrats Prof. Dr. Curt Strauch, zitiert bei: Blazek, 2009, S. 64). Nach Carl Großmann verkaufte der Vater Willhelm später mit großem finanziellen Verlust sein Haus. Er wurde bei dieser Veräußerung betrogen und sei darüber „verrückt" geworden. Am Ende fristete Wilhelm Großmann sein Leben in einer psychiatrische Anstalt (Gutachten des Medizinalrats Prof. Dr. Strauch, zitiert bei: Blazek, 2009, S. 64). Bemerkenswert ist, dass die Ehefrau und Mutter Carl Großmanns als das genaue Gegenteil des gewaltbereiten, abnormen Vaters dargestellt wurde: So berichtete der Gutachter Dr. Störmer, Sofie Großmann, verwitwete Schulz, sei nach seiner Information eine gutmütige Frau gewesen, die sich „mit Sorgfalt und Liebe" um ihre Kinder kümmerte. Zur Zeit der Hauptverhandlung gegen Carl Großmann war sie allerdings bereits zehn Jahre nicht mehr am Leben. (Gutachten des Medizinalrats Dr. Störmer, zitiert bei: Blazek, 2009, S. 84 f.) Diese beiden im Charakter und im Umgang mit ihrem Nachwuchs so grundverschiedenen Elternteile bestimmten Kindheit und frühe Jugend des Carl Großmann und seiner Geschwister. Die Annahme erscheint plausibel, dass nur der Vater für das prekäre Familienleben verantwortlich war. Dieser Sachverhalt wurde durch weitere Aussagen des Carl Großmann untermauert: Wilhelm Großmann prügelte nicht nur oftmals die Ehefrau, sondern misshandelte mit Faustschlägen auch seine Kinder. Carl Großmann hatte zwei Brüder und vier Schwestern. Aus erster Ehe der Mutter stammten zwei Töchter und ein Sohn. Dieser Stiefbruder, August Schulz, wurde das erste Mal wegen Vergewaltigung zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren verurteilt. Kurz nach seiner Entlassung verübte er Notzucht an einem Kind und musste erneut in Haft. Das Strafmaß: Weitere 15 Jahre im Zuchthaus zu Sonnenburg. Noch vor Verbüßung dieser Haftzeit starb er dort im Jahr 1919 oder 1920. Der zweite Bruder, Wilhelm, beendete sein Leben in der Landesirrenanstalt Eberswalde als unheilbar Geisteskranker. Im Gutachten des Medizinalrates Dr. med. Störmer heißt es dazu: „Paralytiker auf persönlicher syphilitischer Basis“. (Schweder, 1961, S. 260; zitiert bei: Kompisch, 2008, S. 90; ebenfalls: Blazek, 2009, S. 13, S. 64 sowie S. 85). Drei Schwestern des Carl Großmann führten, soweit den Gutachtern entsprechende Kenntnisse zur Verfügung standen, ein unauffälliges, straffreies Leben und waren selbst geistig gesund. Für die vierte Schwester bestand hinsichtlich ihrer geistigen Gesundheit keine Information. Einige Kinder dieser Großmann-Geschwister waren jedoch eindeutig psychisch belastet: Wohl den Gerichtsgutachten folgend, erwähnt der Sexualwissenschaftler und Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. Arthur Kronfeld, Leiter der Abteilung für seelische Sexualleiden im Berliner Institut für Sexualwissenschaft, in einem Fachbeitrag zwei Kinder der Stiefschwester aus erster Ehe, die „deutliche epileptische Episoden“ gezeigt hätten. Eine weitere Schwester hätte eine geisteskranke Tochter und eine dritte eine „epileptische Idiotin". Zudem wies er darauf hin, dass der an Paralyse in der Anstalt verstorbene Bruder ebenfalls ein geistesschwaches Kind hinterlies. Das Fazit des Dr. Kronfeld: „Es handelt sich also um eine außerordentlich schwere Belastung von seiten beider Eltern.“ (Dr. Kronfeld, zitiert bei: Blazek, 2009, S. 98). Er folgte damit sicher der generellen Gutachtermeinung. So schloss auch Medizinalrat Dr. Störmer aus der Grossmann’schen Familiengeschichte, „[…] dass G. in wirklich hohem Grade erblich belastet ist, namentlich vom Vater her, […]“ (Gutachten des Medizinalrats Dr. Störmer, zitiert bei: Blazek, 2009, S. 86). Nach einem endgültigen Zerwürfnis mit seinem Vater entlief Großmann im Alter von sechzehn Jahren zusammen mit einem früheren Schulkameraden nach Berlin und lebte dort zunächst vom Handel mit Streichhölzern und anderen Kleinwaren. Über das Vater-Sohn-Verhältnis berichtet der Gutachter Dr. Störmer: „G. hat ursprünglich das Elternhaus verlassen, weil er sich mit seinem Vater nicht stellen konnte, und das ist auch kein Wunder; denn der Vater war eben ein ganz jähzorniger Säufer und zugleich Epileptiker, sodass es nicht wundernehmen kann, dass seine Kinder sich im Hause nicht wohlfühlten. Es waren also nicht krankhafte Triebe und Beweggründe, die den G. zum Verlassen des Elternhauses drängten, man kann auch nicht etwa von Wandertrieb sprechen und von Zwangshandlungen, sondern wenn man den Dingen auf den Grund geht, handelt es sich um ganz natürliche Empfindungen eines eigentlich schlecht erzogenen und auch erblich belasteten Menschen, der den Einflüssen des Vaters naturgemäß zu entgehen trachtete, und den der Freiheitstrieb und der Drang, sein Leben sich nach eigenem Geschmack zu gestalten,...



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