E-Book, Deutsch, 288 Seiten
Mariën / Warentest Küchenlabor
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7471-0510-8
Verlag: Stiftung Warentest
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Besser kochen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen
E-Book, Deutsch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-7471-0510-8
Verlag: Stiftung Warentest
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Eke Mariën ist Koch, Kochbuchautor und Unternehmensberater für das gastronomische Gewerbe. Er hält regelmäßig Vorträge und Workshops über die Wissenschaft des Kochens.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort
Die Küche als Labor
Der chemische Herd
TEIL I – REAKTIONEN
- Maillard-Reaktionen und Karamellisierung
- Oxidation von Fetten
- Enzyme
- Fermentation
TEIL II – GESCHMACK UND AROMA
- Verflüchtigung von Aromen
- Öl und Wasser
- Aroma und Stärke
- Was die Zunge schmeckt
TEIL III – TEXTUR
- Schmelzen und Erstarren
- Verknoten und Spalten
- Verdampfen und Kondensieren
- Tränken und Entziehen
- Emulgieren und Gerinnen
- Aufschäumen und Entgasen
- Suspendieren und Klären
TEIL IV – 15 PROZESSE IN 6 REZEPTEN
Dank
Literatur
Register
Haben Sie sich je gefragt, warum man Fleisch vor dem Schmoren anbrät? Warum eine Bouillon so lange ziehen muss oder weshalb Gemüse intensiver schmeckt, wenn man es grillt? Weil das Aroma gibt! Und Farbe noch dazu. In den Töpfen finden allerlei chemische Reaktionen statt, bei denen neue Aromastoffe entstehen. Diese Reaktionen sind nicht unheimlich oder gefährlich, sondern sehr willkommen. Setzt man sie richtig ein, bereichern sie jedes Gericht. Die wichtigsten chemischen Reaktionen im Küchenlabor sind die Maillard-Reaktionen und die Karamellisierung. Sie sind gute Freunde. Manchmal sind sie sogar so eng miteinander, dass es gar nicht so leicht ist, die beiden voneinander zu unterscheiden.
WAS IST KARAMELLISIERUNG?
Karamellisierung ist eine chemische Reaktion, zu der es beim Erhitzen von Zucker kommt. Jede Zuckerart hat eine bestimmte Temperatur, bei der die Zuckermoleküle zerfallen und miteinander neue Stoffe bilden. Geschmack und Aromen, die sich daraus ergeben, sind von der Temperatur abhängig. Zu Beginn der Reaktion entwickeln sich hauptsächlich angenehme Aromen wie die von Butter und Milch (der Aromastoff Diacetyl), Frucht (Aromastoffgruppen Ester und Lactone) und Karamell (der Aromastoff Maltol). Je höher die Temperatur steigt und je mehr Zuckermolkeküle zerfallen, desto saurer und bitterer wird der Geschmack und sogar ein verbranntes Aroma bildet sich heraus. Der Zucker verliert an Süße und seine Farbe wird brauner. Oder schwarz. Dann ist er verbrannt.
ZUCKERARTEN UND KARAMELLISIERUNGSTEMPERATUREN
| KOMMT VOR IN | TEMPERATUR |
| Fructose (Fruchtzucker): | Früchten, Honig, Agavensirup | 110 °C |
| Glucose (Traubenzucker): | Glucosesirup, Maissirup | 160 °C |
| Saccharose (Kristallzucker): | Zuckerrohr, Zuckerrüben und Zuckerpalme | 160 °C |
| Maltose (Malzzucker): | Wird durch Fermentation von Getreidezuckern (zum Beispiel Gerstenzucker) hergestellt. | 180 °C |
KARAMELL KOCHEN
Karamell entsteht, wenn man Kristallzucker (Saccharose) in ein wenig Wasser auflöst und anschließend einkocht, bis der Sirup braun wird. Bei etwa 160 °C zerfällt Kristallzucker in Glucose und Fructose. Von dem Moment an überstürzt sich die Reaktion, weil Fructose bei 110 °C karamellisiert und Glucose bei 160 °C. Der Sirup bekommt Farbe, und weil bei der Reaktion Wärme freigesetzt wird, steigt die Temperatur schnell. Ein guter Grund, eine Schüssel mit kaltem Wasser bereitzustellen, um den Topf abzukühlen, sobald das Karamell die richtige Farbe erreicht hat. In der Tabelle mit den verschiedenen Stadien der Karamellisierung sieht man, dass Zuckersirup bei 170 °C eine leichte Farbe bekommt. Bei 190 °C ist das Karamell schon dunkelbraun und bitter, bei 210 °C ist es schwarz und reif für den Mülleimer. Ein gutes Karamell mit einer braunen Farbe und vollem Geschmack kocht bis zu einer Temperatur zwischen 180 und 188 °C und eignet sich perfekt für eine köstliche klassische Crème Caramel (siehe Rezept auf Seite 31).
Noch bevor Kristallzucker bei einer Temperatur von 160 °C karamellisiert, durchläuft ein Zuckersirup verschiedene andere Stadien, die für eine Konditorei nützlich sind. Je mehr Wasser aus dem Sirup verdampft, desto fester wird der Sirup nach dem Abkühlen. Die Tabelle beschreibt verschiedene Stadien im Karamellisierungsprozess.
STADIEN DER KARAMELLISIERUNG VON SACCHAROSE (KRISTALLZUCKER)
Quelle: foodinfo.net
BRÄUNUNGSREAKTIONEN BEIM KOCHEN
Zu Bräunung und Geschmacksentwicklung kommt es nicht nur, wenn wir Zucker verwenden. Auch beim Braten und Backen zuckerreicher Gemüse und Früchte entstehen neue Aromen und Geschmacksstoffe. Ein gutes Beispiel sind angeschwitzte oder geröstete Zwiebeln. Nach einiger Zeit färben sie sich braun und Geschmack und Aroma verändern sich. Dasselbe gilt für Möhren, Süßkartoffeln und gebackene Äpfel oder Birnen. Kondensierte Milch wird beim Erhitzen ebenfalls braun und heißt dann Dulce de Leche (siehe Rezept auf Seite 25). Weil das Ergebnis dem Karamellisieren von Zucker ähnelt, sprechen wir beim Kochen oft von karamellisierten Zwiebeln und Möhren. Genau genommen handelt es sich jedoch nicht um Reaktionen, die unter die Karamellisierung fallen, sondern Beispiele für Maillard-Reaktionen. Richtiger wäre es also, von „maillardisierten“ Zwiebeln oder dem „Maillardieren“ von Möhren zu sprechen.
WAS SIND MAILLARD-REAKTIONEN?
Beim Erhitzen werden außer dem reinen Zucker auch fast alle anderen Zutaten nicht nur der Karamellisierung, sondern auch anderen Bräunungsreaktionen unterzogen. Jede Zutat enthält neben Zuckern auch Aminosäuren (Eiweißbausteine) und Fette. Die Bräunungsreaktionen zwischen Aminosäuren und Zuckern heißen Maillard-Reaktionen. Mit ihnen haben wir es beim Kochen täglich zu tun. Warum wissen wir dann so wenig über sie? Maillard-Reaktionen sind unglaublich komplex, sogar Chemiker zerbrechen sich darüber den Kopf. Zum Glück sind die für uns relevanten Grundprinzipien gut verständlich.
Maillard-Reaktionen sorgen dafür, dass unsere Gerichte attraktiver werden. Beim Kochen, Braten oder Backen entstehen allerlei unwiderstehliche Aromen, die bewirken, dass wir gern kosten möchten. In Fleisch und Kartoffeln zum Beispiel stecken Zucker und Aminosäuren, die beim Braten unter dem Einfluss von Wärme und Zeit miteinander zu Hunderten neuer Farb- und Aromastoffe reagieren.
Ohne Zucker und Aminosäuren keine Maillard-Reaktionen. So einfach ist das. Doch es braucht mehr, und zwar in erster Linie Wärme. Je mehr Wärme, desto schneller verläuft die Reaktion. Aber nicht nur Temperatur und Zeit spielen eine Rolle, auch die Zusammensetzung eines Gerichts bestimmt den Verlauf von Maillard-Reaktionen. Im Folgenden behandeln wir die Regler, mit denen sich die Reaktionen beeinflussen lassen.
ZEIT
Maillard-Reaktionen können viel Zeit beanspruchen. Etwa bei traditionellem Balsamico, der auch ein Ergebnis von Maillard-Reaktionen ist. Bevor der Wein zu Balsamico-Essig wird, verstreichen einige Jahre. Ein weiteres Beispiel ist die Vanilleschote: Frisch vom Baum ist sie steinhart und bitter, doch nach einer Temperaturbehandlung und einer monatelangen Ruhephase bekommt sie das typische Vanille-Aroma. Dasselbe gilt für die dunkle Farbe im Bier, die innerhalb weniger Wochen durch Maillard-Reaktionen zwischen dem Eiweiß aus dem Getreide und dem Malzzucker ganz von selbst entsteht.
In der folgenden Tabelle ist zusammengestellt, welche Zeit und Temperatur für verschiedene Produkte aus Maillard-Reaktionen nötig ist. Vereinfacht gesagt läuft es darauf hinaus, dass kurze Zubereitungen für effektive Maillard-Reaktionen eine hohe Temperatur verlangen, etwa das (An-)braten eines Rindersteaks oder Grillen eines Hamburgers. Lange Zubereitungen dagegen brauchen eine niedrige Temperatur, wie es beim Ziehen einer Bouillon der Fall ist.
| PRODUKT | ZEIT | TEMPERATUR |
| Balsamico-Essig | Jahre | 10 °C |
| Vanille | Monate | 25 °C |
| Dunkles Bier | Wochen | 40 °C |
| Fond | Tage | 90 °C |
| Bouillon | Stunden | 95 °C |
| Risotto | 20-30 Minuten | 110-120 °C |
| Rindersteak | Minuten | 120-140... |




