Martin / Mensdorf | Praxisanleitung in der generalistischen Pflegeausbildung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 236 Seiten

Martin / Mensdorf Praxisanleitung in der generalistischen Pflegeausbildung

Hintergründe, Konzepte, Probleme, Lösungen

E-Book, Deutsch, 236 Seiten

ISBN: 978-3-17-035031-1
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Pflegeausbildung hat durch neue gesetzliche Vorgaben einen Wandel vollzogen, der sich auf die Tätigkeit der Praxisanleitenden auswirkt und neue Strukturen vorgibt. Das Standardwerk vermittelt detailliertes Hintergrundwissen zu den Aufgabengebieten und Themen der Praxisanleitenden: gesetzliche Grundlagen für die Pflegeausbildung, Lernen, Methoden der Anleitung, psychologisches Wissen, Pflegewissenschaft, Qualitätsmanagement, kulturelle Vielfalt und viele weitere Inhalte. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Beziehung zwischen Anleitenden und Auszubildenden gelegt. Die Inhalte sind auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand und an den offiziellen Vorgaben für die Weiterbildung von Praxisanleitenden orientiert. Zahlreiche Praxisbeispiele, Formulare und Checklisten erleichtern die Umsetzung. Die 6. Auflage wurde vollständig überarbeitet und an die Erfordernisse der generalistischen Pflegeausbildung angepasst.
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3          Lernen
    Ich betreute als Praxisanleiter einen 18-jährigen Auszubildenden am Ende der Probezeit. Jan war ein netter junger Mann, zu allen freundlich und fast immer gut gelaunt. Aber er hatte ein Problem: Er schien ein miserables Gedächtnis zu haben oder eine sehr schlechte Auffassungsgabe. Die Inhalte und Techniken meiner Anleitungen, egal ob einfach oder komplex, waren bereits nach kurzer Zeit nicht mehr abrufbar. Er machte keine sichtbaren Lernfortschritte. Der zuständige Lehrer der Pflegeschule diagnostizierte auf meine Anfrage hin flapsig: Er sei eben nicht »die hellste Kerze auf der Torte«. Im Laufe des Einsatzes wurde deutlich, dass meine Bewertung und vor allem meine Zukunftsprognose über die Probezeit von Jan entscheiden würden. Ich wollte es mir nicht zu einfach machen, aber was genau war sein Problem? Was konnte ich tun? Lernen ist ein zentraler Begriff in der Praxisanleitung. Als Praxisanleiterin sind Sie mit den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen Ihrer Auszubildenden konfrontiert, mit individuellen Lernbiografien, Lernstrategien, Motivationslagen und Intelligenzniveaus. Und gleichzeitig sind Sie oft selbst Lernende. In der Praxisanleiterweiterbildung, aber auch im täglichen Bemühen, die Ansprüche, die an Sie gestellt werden, zu erfüllen, geht es um Wissenserwerb, also ums Lernen. Schließlich sollen Sie Fachfrauen auf Ihrem Gebiet sein. Über das Thema Lernen Bescheid zu wissen, ist also gleichzeitig eine Fachkompetenz für Sie in Ihrer Berufsrolle als Praxisanleiterin und eine Selbstkompetenz für Sie als Lernende. Dieses Kapitel behandelt die Fragen: •  Was ist Lernen aus neurobiologischer und psychologischer Sicht? •  Welche Grundvoraussetzungen bringen Menschen zum Wissenserwerb mit? •  Welche Lernstrategien gibt es, und zwar sowohl bei Lernen von Informationen als auch beim Verstehen von komplexen Zusammenhängen? •  Was trägt die Pflegepädagogik inhaltlich zum Verstehen bei? •  Was kann man als Anleiterin in der Pflegepraxis tun, um Lernen zu erleichtern? •  Welche Rolle spielen Intelligenz und Motivation? •  Welche Auswirkungen haben soziale Milieus in der Anleitung? 3.1       Lernen aus neurobiologischer Sicht
Menschen lernen immer. Das hängt damit zusammen, dass das menschliche Leben eine kontinuierliche Anpassungsleistung ist. Wir müssen uns an die äußere Umgebung anpassen und z. B. so kleiden, dass wir nicht frieren. Wir müssen auch mit den Anforderungen unserer sozialen Umgebung zurechtkommen, mit den Anforderungen unseres Berufs, mit den kulturellen und gesellschaftlichen Anforderungen und dem, was unsere Familie und unsere Freunde von uns erwarten. Und schließlich fordert auch unsere Psyche immer wieder Anpassungsleistungen von uns, z. B. wenn unser ES, unser innerer Triebmotor, gerne Spaß hätte, unser Über-Ich, unsere verinnerlichten Vorstellungen von Moral und Ordnung, das allerdings nicht akzeptieren möchte. Die Anforderungen ändern sich kontinuierlich und deswegen müssen wir Menschen uns immer wieder verändern, um mit den Herausforderungen angemessen umgehen zu können: Wir müssen lernen. Die Lernforschung hat eine lange Tradition. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse haben die Vorstellungen, was beim Lernen geschieht und welche Lernstrategien besonders wirksam sind, verändert. So wird heute in der Hirnforschung und in der pädagogischen Psychologie die Vorstellung von Lerntypen (visuell, auditiv, haptisch) nicht mehr vertreten (Pashler et al., 2008). Auch die Idee von der Aufgabenverteilung der Hirnhälften (rechte Hirnhälfte Kreativität, linke Hirnhälfte logisches Denken) gilt als widerlegt (vgl. Becker, 2011). Dafür werden neue Ansichten entwickelt, die auch Auswirkungen auf die Praxisanleitung haben. 3.1.1     Was geschieht beim Lernen von Informationen im Gehirn?
Eine Grundeinheit, von der wir beim Lernen ausgehen, ist die Information. Informationen werden im Großhirn als Reizmuster abgespeichert. Ob eine Information behalten wird, also wieder abrufbar ist, wird u. a. im Hippocampus entschieden. Der Hippocampus ist ein Teil des Zwischenhirns und Teil des sogenannten Limbischen Systems. Es gibt ihn in der rechten und in der linken Hirnhälfte. Der Hippocampus ist der »Gedächtnistrainer« des Großhirns (Beck, 2020). Er bietet dem Großhirn Informationen immer wieder an, so dass sich dort Reizmuster bilden können. Er trainiert besonders intensiv im Schlaf, was darauf hinweist, dass sich Schlafen und Lernen nicht widersprechen müssen. Wichtig für die Speicherung im Großhirn ist die Wiederholungsfrequenz eines Impulses. Wie trifft der Hippocampus aber die Unterscheidung, welche Informationen dem Großhirn angeboten und so gelernt werden und welche nicht? Ausgewählt werden diejenigen Reize, die unbekannt und überraschend sind und sich von den gewohnten Reizmustern unterscheiden. Eine Praxisanleiterin beschreibt einem Auszubildenden eine Pflegetechnik, z. B. die atemstimulierende Rückeneinreibung. Sie nennt die Vorgehensweise und zeigt die Bewegungen der Hände an einer Kollegin. Im Hippocampus der Auszubildenden wird bewertet, ob es Gründe gibt, das Lernprogramm zu aktivieren. Ist das, was die Praxisanleiterin gesagt und gezeigt hat, neu und unterscheidet es sich von dem, was im Großhirn bereits an Verhaltensmustern angelegt ist oder nicht (»das kenn ich schon, das kann ich anders besser machen«)? Wenn es etwas ist, das vom Hippocampus als Neuigkeit angesehen wird, ist der erste Schritt zum Lernen getan. Bleibt es allerdings bei diesem ersten Schritt, werden die gelernten Informationen oft bald wieder vergessen. Um das zu vermeiden und das Gehirn bei der Informationsverarbeitung zu unterstützen, gibt es eine Reihe von Lerntechniken. Sie sind z. B. dann sinnvoll, wenn das gerade Gelernte, aber nicht sicher Abrufbare, in einer Prüfung gezeigt werden soll. Die folgenden Lernstrategien sind in ihrer Wirksamkeit wissenschaftlich recht gut belegt. 3.1.2     Lerntechniken zur Informationsverarbeitung
Wiederholung
Das Großhirn speichert Informationen besser ab, wenn sie wiederholt angeboten werden. So arbeitet auch der Hippocampus und es ist deswegen sinnvoll, diese Strategie nachzuahmen. Wiederholungen sind bei Theorieinhalten genauso sinnvoll wie bei praktischen Techniken. Die Inhalte eines Textes sind für die meisten Menschen erst nach mehrmaligem Lesen verfügbar. Und genauso ist eine Pflegetechnik meistens erst nach mehrmaligem Üben sicher anwendbar. Dass dazu nicht die Pflegeempfänger, sondern lieber eine Puppe in der Lernwerkstatt herhalten sollte, versteht sich von selbst. Zwischen den theoretischen oder praktischen Wiederholungen sind Pausen sinnvoll. Sie festigen den Lernerfolg. Überhaupt ist das Lernen von Theorieinhalten und praktischen Techniken dann effektiver, wenn es über einen längeren Zeitraum erfolgt im Vergleich zum »Einpauken« in kurzer Zeit. Und für das Theorielernen gilt zusätzlich: Kurz vor dem Einschlafen ist Wiederholen besonders effektiv, weil dann der Hippocampus das Gelernte im Schlaf festigt. Und last but not least: Die Wiederholungen sollten möglichst abwechslungsreich sein. Bei monotonen, immer gleichen Übungsabläufen schlägt man die Hilfe des Hippocampus aus, denn er ist eher an Neuigkeiten interessiert. Selbstüberprüfung
Auch wenn Prüfungen bei Auszubildenden nicht sehr beliebt sind, haben sie einen positiven Einfluss auf das Lernen von Informationen und Techniken (Beck, 2020). Sie sollen allerdings selbstgesteuert und in einem geschützten Rahmen erfolgen. In einem Selbsttest stellt sich der Auszubildende Fragen zum Thema. Das ist bei einer theoretischen Themenstellung gut vorstellbar. Aber auch beim Üben von praktischen Fertigkeiten kann diese Lerntechnik angewendet werden. Bei der Arbeit mit der Skillslab-Methode sind z. B. Selbsttestbögen üblich. Diese Bögen fragen Handlungsschritte ab. Sie können vom Lernenden mit »ja« (habe ich gemacht), »nein« (habe ich vergessen) oder »nicht« (kam nicht vor oder war nicht angebracht) angekreuzt werden. Sie dienen der Selbstüberprüfung und können natürlich auch in anderen Settings verwendet werden. Zusammenfassungen
Nach einer Lerneinheit können Zusammenfassungen – handschriftlich, in eigenen Worten verfasst – den Lernerfolg vertiefen. Auch diese Technik ist beim Theorielernen etabliert. Vielleicht lässt sich aber das Mitschreiben und Zusammenfassen auch in der Praxis anwenden. Voraussetzung wäre dann z. B. ein Notizbuch, in das der Auszubildende...


Jochen Martin, Dipl.-Pflegepädagoge, M.A. Erwachsenenbildung, Leitung Fort- und Weiterbildung am Evangelischen Bildungszentrum für Gesundheitsberufe Stuttgart gGmbH.
Birte Mensdorf (nun Stährmann), Krankenschwester, Lehrerin für Pflegeberufe, Kommunikationswirtin, Fundraiserin und Autorin. www.birte-staehrmann.de


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