E-Book, Deutsch, Band 1, 413 Seiten
Reihe: Kingsland
Martin Stachel der Erinnerung
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95530-739-4
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 1, 413 Seiten
Reihe: Kingsland
ISBN: 978-3-95530-739-4
Verlag: Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ihre Arbeit im Immobiliengeschäft führte die New York Times Bestseller- Autorin Kat Martin auf den Weg ins Glück. Durch ihre Tätigkeit als Maklerin lernte sie den perfekten Partner kennen - ihren Ehemann, den Western-Autor Jay Martin. 'Wir standen uns als potenzielle Verkäufer und Käufer gegenüber', erinnert sie sich. Kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten, fragte Larry sie, ob sie ein unveröffentlichtes Manuskript eines historischen Westerns, das er verfasst hatte, lesen wolle. Sie verliebte sich sofort in den Roman - und den Autor! 'Es war eine ziemlich romantische Geschichte', gesteht sie. Nachdem sie den Text ihres zukünftigen Ehemanns ein wenig bearbeitet hatte, beschoss sie, es selbst einmal mit dem Schreiben zu versuchen. Kat machte sich auf, Bestseller-Autorin von mehr als 30 historischen und zeitgenössischen Romanen zu werden. Bis heute wurden 10 Millionen Exemplare ihrer Romane gedruckt und auf der ganzen Welt - inklusive Deutschland, Norwegen Schweden, China, Korea, England und vielen anderen Ländern - veröffentlicht. Wenn sie nicht schreibt, fährt sie gern Ski und geht auf Reisen, bevorzugt in Europa. Derzeit ist sie intensiv damit beschäftgt, ihr nächstes Buch zu verfassen.
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2
England, April 1805
»Du meine Güte, Liebes, er ist doch nicht der König von England.«
Jessies Lippen verzogen sich zu einem kläglichen Lächeln. Sie wandte sich von den duftigen Ballkleidern ab, die auf ihrem mit seidenen Laken bezogenen Bett lagen. »Nein, das ist er wirklich nicht. Vielleicht würde ich mir nicht so große Sorgen machen, was ich anziehen soll, wenn er wirklich der König wäre.«
»Du wirst wunderschön aussehen, ganz gleich, welches Kleid du anziehst.« Viola Quinn, die dralle, grauhaarige Frau, die Jessie schon seit ihrer Kindheit kannte, warf ihr einen liebevollen Blick zu. »Es besteht viel eher die Möglichkeit, daß der Kapitän so bezaubert ist von dir, daß er nicht einmal bemerkt, was du überhaupt für ein Kleid trägst.«
Viola nahm Jessie in den Arm. Sie war dem Mädchen in mütterlicher Liebe zugetan, mehr, als ihre eigene Mutter es je gewesen war. »Danke, Vi. Du sagst immer das Richtige.«
Viola Quinn, einst Köchin im Black Boar Inn, war mit ihren fünfzig Jahren wohl kaum eine rechte Kammerzofe, doch Jessie liebte sie. Und der alternde Marquis, der jetzt Jessies Vormund war, hatte schließlich nachgegeben und Viola Quinn nach Belmore Hall geholt.
Die untersetzte Frau hob eines der Kleider vom Bett. »Wie wäre es mit dem goldenen?« Es war eine glitzernde Schöpfung mit einem Mieder, das mit Straßsteinen besetzt war. »Die Farbe paßt zu deinem Haar.«
Jessie schüttelte den Kopf, und ihre langen goldenen Locken, von denen Vi gesprochen hatte, flogen um ihren Kopf. »Viel zu förmlich. Graf Strickland ist zwei Jahre lang auf See gewesen. Ich möchte, daß er sich heute abend wohl fühlt.«
Vi hob ein anderes der eleganten Kleider hoch. »Was ist mit diesem hier aus elfenbeinfarbenem Satin – es paßt perfekt zu deiner blassen, pfirsichfarbenen Haut.«
Jessie biß sich auf die Unterlippe und betrachtete den schicklichen Ausschnitt und die schlicht geschnittenen Ärmel. »Zu schlicht. Ich möchte nicht, daß er denkt, ich sei ein Mauerblümchen.«
Viola seufzte. »Und wie ist es mit diesem hier?« Sie hielt ein kostbares, modisches blaues Seidenkleid hoch, mit hoher Taille und einem zurückhaltend ausgeschnittenen Mieder. »Es ist vom gleichen Blau wie deine Augen, und die silbernen Fäden im Überrock geben ihm ein wundervolles Glänzen.«
Jessie lächelte. Sie nahm das Kleid und lief durch das Zimmer zu dem verzierten Drehspiegel neben dem Fenster. Dort hielt sie das Kleid vor die Brust und betrachtete sich von allen Seiten.
»Du hast recht, Vi, dieses hier ist perfekt.« Einen Augenblick lang blieb sie stehen und betrachtete ihr Spiegelbild, eine große, schlanke Frau mit hohen, festen Brüsten, einem feingeschnittenen Gesicht und frischgewaschenem blondem Haar.
Selbst jetzt war es kaum zu glauben, daß diese bezaubernde junge Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenschaute, wirklich Jessie Fox war, das früher so schmutzige kleine Gör, das durch die Straßen von Bucklers Haven gestreift war. Die arme, bemitleidenswerte kleine Jessie, so hatten die Leute aus der Stadt sie genannt. Sie lebte im Unrat, und niemand kümmerte sich um sie.
Nichts als die Tochter einer Hure.
Jessie fühlte Vis Hand auf ihrer Schulter, und als sie sich zu ihr umdrehte, sah sie den Ausdruck von Zärtlichkeit im Gesicht der älteren Frau. »Es wird schon alles gutgehen, Liebes, du wirst es sehen. Du bist nicht mehr so, wie du früher einmal warst.«
Jessie schmiegte sich in Vis Arme und lehnte den Kopf an die Schulter der kräftigen Frau, das wunderschöne Kleid zerdrückten sie zwischen sich. »Er ... er weiß, wer ich bin, Vi. Er kennt mich, von früher. Was ist, wenn er ...«
»Er kennt dich nicht wirklich – nicht mehr. Du bist nicht länger das arme, kleine, zerlumpte Kind, das du früher einmal warst. Du bist jetzt das Mündel des Marquis von Belmore. Und dank Seiner Gnaden hast du eine feine Erziehung genossen. Du bist genauso gebildet wie eine richtige Lady, und die bist du auch.« Die ältere Frau legte ihr einen Finger unter das Kinn. »Nicht das, wohin du geboren bist, zählt, sondern das, was du aus dir gemacht hast.« Sie wischte Jessie eine einzelne Träne von der Wange. »Denke immer daran, Liebes, dann wird alles gutgehen.«
Jessie vermied es, sie anzusehen. »Ich weiß, es ist dumm, Vi, aber ich habe Angst. Ich kann mich nicht erinnern, eine solche Angst gehabt zu haben, seit der Nacht, in der dieser schreckliche Mann Mama im Gasthaus beinahe zu Tode geprügelt hat.«
Vi strich ihr über das Haar. »Das ist schon eine sehr lange Zeit her, Liebes. Du brauchst dich jetzt nicht mehr zu fürchten. Papa Reggie wird sich schon um den Kapitän kümmern. Er wird sich um alles kümmern, genauso, wie er es seit dem ersten Tag getan hat, an dem du hierhergekommen bist.«
Als Jessie an die Freundlichkeit des alten Mannes dachte, holte sie tief Luft. »Du hast recht, Vi.« Sie löste sich aus den Armen der Freundin und legte das Kleid vorsichtig auf das Bett. »Es ist nur so, daß ich von Herzen möchte, daß alles richtig ist. Der Sohn des Marquis hat mich schon seit Jahren nicht mehr gesehen, doch er wird sich ganz bestimmt an den Tag erinnern, als ...«
Sie hielt inne und versuchte, nicht mehr an ihre letzte Begegnung mit ihm zu denken. Immerhin war es einer der entwürdigendsten Augenblicke ihres ganzen Lebens gewesen. Wenn sie nur daran dachte, wie undiszipliniert sie mit zwölf Jahren gewesen war – und an die Konsequenzen, die ihr Benehmen ihr damals eingetragen hatte –, stieg heiße Röte in ihr Gesicht.
Sie beugte sich vor und strich das Kleid glatt. »Vielleicht hätte ich es bügeln lassen sollen. Es hängt schon eine ganze Weile im Schrank. Es wäre vielleicht nötig, daß ...«
»Das Kleid sieht hübsch aus.«
»Vielleicht sollte ich läuten, damit man mir ein Bad einläßt.« Sie blickte zu dem Klingelzug und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Papa Reggie hat mich gebeten, nicht zu spät zu kommen. Er sagt, der Graf wird um sechs Uhr erwartet, und er ist immer pünktlich.«
Vi lachte, und dabei hüpfte ihr Doppelkinn. »Bis dahin sind es noch Stunden, mein Lämmchen. Ich bin sicher, Seine Lordschaft wird beizeiten hier sein, immerhin ist er ein Seemann. Aber du wirst erst um acht Uhr beim Abendessen mit ihm zusammentreffen, und bis dahin hast du noch viele Stunden Zeit. Du bist schon den ganzen Tag über wie ein Wirbelwind herumgelaufen. Warum legst du dich nicht ein wenig hin? Ich lasse dir vom Koch ein Tablett vorbereiten, und wenn du dann aufwachst ...«
Es klopfte laut an der Tür, und Vi verschluckte den Rest des Satzes. Sie murmelte etwas vor sich hin, dann ging sie über den dicken Perserteppich zur Tür und öffnete. Samuel Osgood, der große, stattliche Butler, stand davor.
»Es tut mir schrecklich leid, Mrs. Quinn, daß ich hier so hereinplatze, aber unten ist eine Frau, die verlangt, Miss Jessica zu sehen. Ich habe ihr erklärt, daß Miss Fox heute nachmittag nicht abkömmlich ist, aber sie scheint außergewöhnlich verstört zu sein. Ich dachte, Miss Jessica könnte vielleicht kurz mit ihr reden.«
»Natürlich werde ich mit ihr reden, Ozzie«, versicherte Jessie. »Hat sie ihren Namen genannt?«
»Mary Thornhill, Miss. Sie scheint wirklich sehr aufgeregt, ich dachte ...«
Jessie schob sich an ihm vorbei, noch ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte, dann lief sie schnell über den Flur zur Treppe. Mary war eine Freundin von Anne Bartlett, der Frau eines Pächters der Belmores. Anne war neunzehn, genauso alt wie Jessie, und sie war hochschwanger. Das Baby konnte jeden Tag kommen. In den Monaten, seit Jessie von Mrs. Seymours Privatakademie für die Erziehung junger Damen zurückgekehrt war, hatte sich zwischen ihnen beiden eine zarte Freundschaft entwickelt.
Jessie lief über den Marmorboden der Eingangshalle, der riesige Kronleuchter aus Kristall über ihr klirrte leise. Mary stand mit blassem Gesicht im Roten Salon, ihre ausdrucksvollen Augen waren vor Furcht geweitet. »Miss Jessie – Gott sei Dank seid Ihr hier.«
»Was ist, Mary? Was ist geschehen?« Vor Angst zog sich Jessies Magen zusammen. »Ist etwas mit Anne? Kommt das Baby schon?«
»Ja, Miss. Anne kämpft schon seit Stunden, um das Kind zur Welt zu bringen. Doch etwas stimmt nicht, Miss. Deshalb bin ich gekommen.«
Jessies Angst wuchs. »Kann denn die Hebamme nicht etwas für sie tun?«
»Die Hebamme ist drüben in Longly, um einer anderen Frau bei der Geburt zu helfen. Anne hat niemand anderen, der ihr beisteht, als mich, und ich kann ihr nicht helfen.«
»Was ist mit ihrem Mann? Sicher hat James doch nach einem Arzt geschickt.«
»James ist auch nicht da. Er ist den Fluß hinaufgefahren mit Ware, die er in Southampton verkaufen will. Ich war beim Arzt, aber er wollte nicht kommen, wenn er nicht im voraus Geld erhält. Lieber Gott, ich wußte nicht, was ich noch tun sollte. Da habe ich an Euch gedacht, Miss Jessie. Ich hoffte, daß Ihr uns das Geld für den Arzt vielleicht leihen könnt.«
»Natürlich werde ich das tun.« Dieser elende Hurensohn, dachte Jessie, doch sie sprach die Worte nicht laut aus. Sie hatte nicht mehr geflucht – wenigstens nicht laut – seit dem Tag vor vier Jahren, als sie in Belmore Hall eingezogen war.
»Ich habe etwas Geld oben. Warte hier – ich bin in einer Minute wieder da.« Sie hob den Saum ihres pfirsichfarbenen Musselinkleides und lief die Marmortreppe hinauf, so schnell sie konnte. Heftig riß sie die Tür ihres Schlafzimmers auf.
»Was ist denn los, Lämmchen?« Viola kam auf sie zugelaufen.
»Es geht um...




