Martine | Im Herzen des Imperiums | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 608 Seiten

Reihe: Imperium

Martine Im Herzen des Imperiums

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-23670-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 1, 608 Seiten

Reihe: Imperium

ISBN: 978-3-641-23670-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Als Mahit Dzmare, die Botschafterin einer kleinen Raumstation, in der riesigen Hauptstadt des Teixcalaanlischen Imperiums ankommt, muss sie feststellen, dass ihr Vorgänger verstorben ist. Obwohl niemand darüber spricht, ist es ein offenes Geheimnis, dass der Botschafter keines natürlichen Todes gestorben ist. Mahit versucht, mehr über die genauen Umstände herauszufinden, doch das ist am politisch und sozial hochkomplexen Hof des Teixcalaanlischen Imperiums ein gefährliches Unterfangen. Und wenn sie nicht ihr eigenes Leben und das Schicksal ihrer Heimat gefährden will, muss sich Mahit jeden Schritt genauestens überlegen ...

Arkady Martine schreibt als Schriftstellerin und unter dem Namen Dr. AnnaLinden Weller als Byzanz-Historikerin und Stadtplanerin über Grenzpolitik, Rhetorik, Propaganda und die Grenzen der Welt. Sie wuchs in New York City auf, verbrachte einige Zeit in der Türkei, Kanada und Schweden und lebt in Baltimore. 'Im Herzen des Imperiums' ist ihr Debütroman.
Martine Im Herzen des Imperiums jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1

Und hinter der Krümmung des großen Gasplaneten bei den Koordinaten B5682.76R1 erschien die Imperatorin Zwölf Sonneneruption mit ihrem Schiff. Ihr greller Schein griff in die Leere hinaus. Wie die speerähnlichen Speichen ihres Throns sprangen die Strahlen hervor, trafen auf die Metallhüllen, in denen im Sektor B5682 die Menschen lebten, und tauchten sie in helles Licht. Die Sensoren auf dem Schiff der Imperatorin Zwölf Sonneneruption entdeckten zehn solcher Hüllen, die einander sehr ähnlich waren. Diese Zahl erhöhte sich seitdem nicht mehr. Die Männer und Frauen in den Hüllen kannten keine Jahreszeiten, kein Wachstum und keinen Verfall. Unendlich lange lebten sie in der Umlaufbahn und wussten nichts von der Schönheit eines Heims auf einem Planeten. Die größte Hülle nannte sich »Lsel-Station«, was in der Sprache dieser Menschen bedeutete, dass die Station aufmerksam lauschte. Doch die Menschen dort waren seltsam geworden und blieben unter sich, auch wenn sie fähig waren, die Sprache zu lernen, und unverzüglich damit begannen …

Die Geschichte der Expansion, Buch V, Zeilen 72–87, anonym, jedoch dem Dichter und Historiker Pseudo Dreizehn Fluss zugeschrieben, der zu Zeiten der Herrschaft des teixcalaanischen Imperators Drei Perigäum lebte.

Um Ihre Einreise in das Imperium zu beschleunigen, verlangt Teixcalaan die folgenden Identitätsnachweise: a) einen gentechnischen Nachweis, dass Sie sich im alleinigen Besitz Ihres Genotyps befinden und diesen nicht mit Klongeschwistern teilen, ODER ein beglaubigtes Dokument, aus dem hervorgeht, dass Ihr Genotyp zu mindestens 90 Prozent einzigartig ist, und dass keine andere Person einen rechtmäßigen Anspruch darauf erheben kann; b) eine ausführliche Liste der Waren, Güter, Geldbestände und immateriellen Handelsobjekte, die Sie mitführen wollen; c) eine unterzeichnete und notariell beglaubigte Arbeitserlaubnis von einem zugelassenen Arbeitgeber in einem teixcalaanischen System, aus welcher Entlohnung und Informationen zum Unterhalt hervorgehen ODER den Nachweis überdurchschnittlicher Werte bei den Tests des Teixcalaanischen Imperiums ODER die Einladung einer Person, einer Regierungsbehörde, eines Amtes, eines Ministeriums oder einer sonst wie autorisierten Person, aus der die Einreise- und Ausreisedaten für den Raum des Imperiums hervorgehen ODER den Nachweis von Geldmitteln, die ausreichen, um den Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen …

– Formular 721Q, Visumantrag für imperiumsfremde Sektoren, VERSION FÜR ALPHABETSCHRIFTEN, Seite 6

In einem Beiboot, kaum mehr als eine kleine Blase, die gerade ausreichte, um sie und ihr Gepäck aufzunehmen, schoss Mahit aus der Seite des imperialen Kreuzers Rote Frucht des Aufstiegs heraus und sank zur Stadt hinunter, zum Zentralplaneten und dem Hauptort des Teixcalaanischen Imperiums. Beim Sinkflug hinab zum Planeten loderte die Atmosphäre, was ihr die Sicht versperrte. Als sie die Stadt zum ersten Mal mit eigenen Augen und nicht auf einem Infofiche, als Holografie oder als Imago-Erinnerung sah, war alles von weißem Feuer überlagert und strahlte wie ein unendliches, schimmerndes Meer. Ein ganzer, völlig urbanisierter Planetenpalast und eine Wirtschaftsmetropole. Selbst die eingepferchten Überreste von Seen und die dunkleren Stellen, an denen sich alte Städte befunden hatten, die verfielen und noch nicht von Metall überwuchert waren, wirkten dicht bevölkert. Nur die Meere blieben unberührt. Auch sie schimmerten, der Farbton schwankte zwischen Blau und Türkis.

Die Stadt war sehr schön und sehr groß. Mahit hatte schon eine ganze Reihe von Planeten besucht, die nicht weit von der Lsel-Station entfernt und für Menschen nicht völlig lebensfeindlich waren. Dennoch war sie nun von Ehrfurcht erfüllt. Ihr Herz schlug schneller, und die Hände, mit denen sie die Gurte gepackt hatte, wurden feucht. Die Stadt war genauso, wie sie in den teixcalaanischen Dokumenten und Liedern beschrieben wurde: Das Juwel im Herzen des Imperiums. Sogar die Atmosphäre glühte.

Yskandr, verschwinde aus meinem Nervensystem, dachte sie nicht ohne einen vorwurfsvollen Unterton in seine Richtung. Eine Imago – die implantierten, integrierten Erinnerungen des Vorgängers, beherbergt zur Hälfte in ihrem Nervensystem und zur Hälfte in einer kleinen Maschine aus Keramik und Metall, die an das Stammhirn angeschlossen war – durfte das Nervensystem des Wirts nicht übernehmen, solange dieser nicht eingewilligt hatte. Zu Beginn einer Partnerschaft war der Begriff Einwilligung jedoch noch nicht klar definiert. Die Version Yskandrs, die sie in sich trug, erinnerte sich daran, einen Körper gehabt zu haben, und benutzte manchmal Mahits Körper, als wäre es sein eigener. Sie machte sich deshalb Sorgen. Zwischen ihnen war noch so viel Distanz, obwohl sie doch zu einer einzigen Person verschmelzen sollten.

Dieses Mal zog er sich sofort zurück. Es kribbelte, und er lachte elektrisierend.

Als sie wieder auf die Stadt hinunterschaute – sie war jetzt viel näher, der Raumhafen ragte hoch empor und empfing ihr Beiboot wie eine Blüte aus weit gespannten Netzen – , ließ sie die Imago durch ihre Augen blicken und spürte die Erregung, als wäre es ihre eigene.

Was ist dort unten?, fragte sie ihn. Was erwartet dich dort?

Yskandrs Kontext war nicht eindeutig, was Mahit allerdings nicht anders erwartet hatte. Sie fand sich damit ab. Obwohl sie die teixcalaanische Sprache und Literatur ausgiebig studiert hatte, klang es bei ihm viel geschmeidiger und flüssiger. So etwas lernte man nur, wenn man lange hier gelebt hatte.

Mahit passte sich ihm an und antwortete, da sich sonst niemand in der Landekapsel befand, laut in der teixcalaanischen Sprache: »Du hast etwas Bedeutungsloses gesagt.«

In der Abgeschiedenheit ihres Körpers benutzte Yskandr eine höchst vertrauliche Anrede, als wären er und Mahit Klongeschwister oder Geliebte. Mahit hatte die intime Anrede noch nie laut ausgesprochen. Auf der Lsel-Station hatte sie einen jüngeren Bruder, der ihr fast so nahe stand wie ein Klonbruder, doch er beherrschte nur die Sprache der Stationsbewohner, und ihn mit dem vertraulichen »Du« anzureden, das in der teixcalaanischen Sprache eine intime Nähe ausdrückte, wäre ebenso sinnlos wie unfreundlich gewesen. Sie hätte das Wort bei einigen Menschen benutzen können, die sie in den Sprach- und Literaturkursen kennengelernt hatte. Ihre alte Freundin Shrja Torel zum Beispiel hätte die Geste richtig verstanden, doch Mahit und Shrja hatten keinen Kontakt mehr gehabt, seit Mahit für den Botschafterposten in Teixcalaan ausgewählt worden war und die Imago des Vorgängers in sich trug. Der Grund für den kleinen Bruch zwischen ihnen war ebenso offensichtlich wie kleinlich. Mahit bedauerte es, konnte aber nichts mehr dagegen tun, es sei denn, sie schickte aus dem Zentrum des Imperiums, das sie und Shrja unbedingt hatten besuchen wollen, einen Brief mit einer Entschuldigung. Höchstwahrscheinlich würde er nichts ändern.

Die Planetenstadt kam näher, sie füllte jetzt den ganzen Horizont aus. Eine riesige Krümmung, in die Mahit hineinstürzte. An Yskandr gewandt, dachte sie: Ich bin jetzt die Botschafterin. Ich könnte etwas Bedeutungsvolles sagen, sofern ich es will.

Die Schwerkraft erfasste das Beiboot und kroch durch Mahits Oberschenkel und Unterarme bis in die Knochen. Sie hatte das Gefühl zu rotieren, und ihr wurde schwindlig. Unter ihr spannten sich die Netze des Raumhafens. Einen Moment lang fürchtete sie, sie würde stürzen und auf die Oberfläche des Planeten prallen, um als breiiger Klecks zu enden.


Martine, Arkady
Arkady Martine schreibt als Schriftstellerin und unter dem Namen Dr. AnnaLinden Weller als Byzanz-Historikerin und Stadtplanerin über Grenzpolitik, Rhetorik, Propaganda und die Grenzen der Welt. Sie wuchs in New York City auf, verbrachte einige Zeit in der Türkei, Kanada und Schweden und lebt in Baltimore. »Im Herzen des Imperiums« ist ihr Debütroman.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.