E-Book, Deutsch, Band 52, 320 Seiten
Reihe: Historical Special
Marvelle Das geheime Verlangen des Marquess
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7337-6332-9
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 52, 320 Seiten
Reihe: Historical Special
ISBN: 978-3-7337-6332-9
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie angewurzelt bleibt Tristan, Marquess of Moreland, auf der stillen Straße stehen. Denn am erleuchteten Fenster des Nachbarhauses sitzt eine Fremde und bürstet ihr langes ebenholzfarbenes Haar. Ihre verführerischen Kurven nur mit einem zarten Nachtgewand bedeckt, schaut sie in seine Richtung - und ihre Blicke treffen sich! Wer ist diese atemberaubende Schöne, die ihn in ihren erotischen Bann schlägt? Wie kann er sich ihr entziehen? Denn das muss Tristan, um seinen Ruf als Autor eines Benimmbuches nicht aufs Spiel zu setzen. Doch zu spät: Diese Frau gefährdet alles. Sein Herz, seine Seele - sein Leben?
Delilah Marvelle ist in Chicago geboren und aufgewachsen. Bereits mit vier Jahren war Delilah ein Theaterfan, spielte mit zehn Jahren ausgezeichnet Klavier und nahm fünf Jahre lang Ballettunterricht. Mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann in Oregon. Da es dort sehr viel regnet, fühlt sie sich gezwungen, drinnen zu bleiben und zu schreiben.
Autoren/Hrsg.
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Erster Skandal
Passen Sie auf, auf welche Flirts Sie sich einlassen. Wie ehrenwert ein Mann auch immer erscheinen mag, es kann und darf ihm nicht getraut werden. Denn selbst der ehrenwerteste Mann will von einer Dame nur dasselbe, was ein erfahrener Schürzenjäger von einer Dirne in der Drury Lane will. Der einzige Unterschied ist, dass die Dirne für ihre Demütigung bezahlt wird, während eine Dame nur ruiniert ist. Von der gesamten Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, ist nicht annähernd so unterhaltsam und gewinnbringend wie eine Guinea für eine amouröse Dienstleistung zu bekommen.
Wie man einen Skandal vermeidet,
Morelands Originalmanuskript
Spät am Abend, 23.31 Uhr
16. April 1829
Grosvenor Square – London, England
Nachdem die Kutsche in der Schwärze der Nacht verschwunden war, zurück in Richtung Kutschenhaus, blieb Tristan Adam Hargrove, der vierte Marquess of Moreland, noch eine Weile auf der im Dunkel gelegenen Türschwelle seines Stadthauses stehen.
Er betrachtete die Tür, wohl wissend, dass – wenn er sie öffnete – kein Quincy kommen würde, um ihn zu begrüßen. Nichts würde ihn empfangen außer einer großen, leeren Eingangshalle und einer unheimlichen Stille, der entgegenzutreten er noch nicht bereit war.
Mit den Spitzen seiner behandschuhten Finger rückte er seinen Zylinder aus Rosshaar zurecht, drehte sich um und ging die Stufen wieder hinunter, die er gerade erklommen hatte. Mit wenigen Schritten hatte er die Straße überquert und schritt unter dem Blätterdach der Bäume dahin, die matt vom Schein der Gaslaternen beleuchtet wurden.
Obwohl es an der Zeit war, sich zur Ruhe zu begeben, war es ihm doch seit dem kürzlich erfolgten Ableben seines geliebten Hundes Quincy viel zu still im Haus geworden. Die Stille führte ihm nur zu deutlich sein Leben vor Augen: Er war noch immer Junggeselle, und jetzt war nicht einmal mehr sein Hund da, um ihm Gesellschaft zu leisten. Zum Glück konnte er sich jeden Tag beschäftigen und musste so nicht zu viel über seine trüben Aussichten nachdenken und auch nicht über die Tatsache, dass sein Hund gestorben war.
Montags traf er sich, nach einem langen Ritt durch den Hyde Park, mit seinem Sekretär. Dienstags besuchte er seine Großmutter. Mittwochs pflegte er sich bei Brooks aufzuhalten, wobei er Diskussionen über die Debatten im Parlament zu vermeiden suchte. Niemand behelligte ihn deswegen, denn sie alle wussten, dass seine politischen Ansichten ohnehin von den Wenigsten geteilt wurden.
Donnerstags verweilte er den ganzen Tag bei Angelos Fechtakademie und focht einen Zweikampf nach dem anderen, um in Form zu bleiben. Freitags verbrachte er seine Zeit im Britischen Museum, in der Nationalgalerie oder im Ägyptischen Museum und wurde derselben Ausstellungen niemals überdrüssig, obwohl er die Kuratoren weniger schätzte, als ein anständiger Mann das tun sollte.
Samstag beantwortete er seine Korrespondenz, darunter auch die Briefe, die sein Verleger an ihn weitergeleitet hatte, und obwohl er die meisten Abende den Bällen, Soireen und Dinners widmete in der Hoffnung, heiratsfähigen Damen zu begegnen, wurden die Einladungen ihm meistens von Menschen geschickt, die er verachtete oder nicht kennenlernen wollte. Er sehnte sich nach einer Gefährtin – aber so sehr dann auch wieder nicht. Sonntags benahm er sich wie ein anständiger Bürger und ging zur Kirche. Dort betete er um das, worum alle Männer beteten: ein besseres Leben.
Tristan betrachtete die Häuser, die ihn umgaben, sah die endlosen Reihen dunkler Fenster und wurde so daran erinnert, dass er sich ebenfalls zu Bett begeben sollte. Gerade als er umkehren wollte, um genau das zu tun, fiel sein Blick auf ein hell erleuchtetes Fenster weiter oben, das zu einem frisch vermieteten Stadthaus seinem gegenüber gehörte. Er zog die Brauen hoch und blieb abrupt stehen.
Dort saß, auf einem Stuhl vor dem Fenster, dessen Vorhänge geöffnet waren, eine junge Frau und bürstete ihr ebenholzschwarzes Haar. Sie bürstete es mit langsamen, gleichmäßigen Bewegungen, und dabei verrutschte der weite Ärmel ihres weißen Nachthemdes an ihrem schlanken Arm so, dass ihr elegant geschwungener Hals sichtbar wurde und den Blick auf ein ausgesprochen tiefes Dekolleté freigab. Die ganze Zeit über schaute sie verträumt hinauf in den wolkigen Nachthimmel.
In diesem winzigen Augenblick spürte Tristan deutlich, dass dieser herrliche Anblick vor ihm die göttliche Einmischung war, auf die er gewartet hatte, seit er alt genug war, um den Wert einer Frau zu erkennen. Verdammt, es fiel genügend goldenes Licht vom Himmel, dass ein Blinder es hätte sehen können. Es fehlte nur noch der leise Klang einer Flöte, zusammen mit sehnsüchtigen Geigentönen. Offensichtlicher hätte es kaum sein können, was Gott ihm da zu zeigen versuchte.
Liebe deinen Nächsten.
Obwohl der Realist in ihm ihn dazu drängte, endlich zu Bett zu gehen und dieses alberne Gefühl gar nicht zu beachten, flüsterte ihm der Romantiker, der von Zeit zu Zeit einmal auftauchte, zu, dass er bleiben sollte. Er trat näher an das Fenster, stellte sich in den Schatten der Bäume und konzentrierte sich auf das ovale Gesicht, sobald es besser zu sehen war. Die Frau war ganz und gar in das Licht in ihrem Schlafzimmer getaucht, das ihrem glatten, porzellanweißen Gesicht und dem Ansatz ihres dunklen Haares einen sanften schimmernden Glanz verlieh, der bezaubernd war.
Wer war sie? Was war das für eine Frau, die am Abend ihre Vorhänge offen ließ, damit alle Welt sie ohne korrekte Bekleidung sehen konnte?
Schon vor Wochen war ihm aufgefallen, dass dieses Haus, das monatelang leer gestanden hatte, endlich wieder vermietet war. Tagelang hatten mehrere Diener in königlichen Livreen Möbel und Koffer hineingetragen. Doch diese Frau sah er an diesem Abend zum ersten Mal.
Als er den Weg erreichte, der zum Eingang ihres Hauses führte, verlangsamte er seine Schritte, da er ahnte, dass er sich noch viele Jahre lang an diesen Abend erinnern würde.
Die Frau hielt inne. Sie ließ die Haarbürste sinken und blickte hinunter auf die Straße. Ein Teil ihres Gesichts wurde von Schatten verdunkelt. Tristan begriff, dass sie seine Gegenwart jetzt bemerkt hatte.
Er wusste nicht genau, warum er weiterhin dort wartete, als wäre er nicht bei klarem Verstand, aber er tat es. Vermutlich veranlasste ihn der Umstand, dass er über die Jahre so wenig Kontakt zu Frauen gepflegt hatte, dazu, seltsame Dinge zu tun, die nicht einmal er selbst verstand.
Sie zögerte, und dann winkte sie, als wäre es völlig normal, einem unbekannten Mann zuzuwinken, der um diese Zeit vor ihrem Schlafzimmerfenster herumlungerte.
Sein Herz raste, als er zu ihr aufsah. Verwechselte sie ihn mit jemand anderem? So musste es sein. Machte es ihm etwas aus, dass sie ihn für jemand anders hielt? Zum Henker, nein.
Er konnte nicht widerstehen und legte die behandschuhte Hand an die Hutkrempe zu einem höflichen Gruß, wobei er hoffte, dass sich kein Ehemann im selben Raum mit ihr befand. Ein Ehemann, der bereits seine Pistole mit Bleikugeln lud, während er die Hilfe seiner Frau in Anspruch nahm, um das Ziel anzuvisieren.
Die Frau hob den Zeigefinger, bat ihn so wortlos um Geduld, dann schob sie den Riegel des Fensters zurück – und zu seiner Überraschung öffnete sie es. Sie beugte sich hinaus und stützte sich lässig auf den Sims, als wäre sie Rapunzel persönlich. Der rüschenbesetzte Ausschnitt ihres weiten, weißen Nachthemdes verschob sich, sodass Tristan den goldenen Glanz eines Anhängers an einer Halskette sah – sowie das prachtvollste Paar Brüste, dem er je das Vergnügen gehabt hatte zu begegnen.
Tristan ballte die Hände zu Fäusten und zwang seinen Körper und seinen Geist, ruhig zu bleiben.
Wahrhaft kokett lächelte sie ihn nun an und sagte dann etwas mit einem sinnlichen fremdartigen Akzent, den er nicht zuordnen konnte.
„Es ist mir eine Freude, Sie endlich einmal kennenzulernen, Mylord. Sie leben doch in dem Haus gegenüber, nicht wahr?“
Er konnte nicht anders, er fühlte sich geschmeichelt, als er erkannte, dass sie tatsächlich ihm zugewinkt hatte. Während er versuchte, nicht ihre Brüste anzustarren, die ihn unter dem tiefen Ausschnitt ihres Hemdes zu verlocken schienen, erwiderte er: „Ja, das stimmt.“
Verlegenes Schweigen entstand.
Sollte er sie nach ihrem Namen fragen? Nein. Das wäre zu direkt und unangemessen vertraulich. Auch wenn er sich der Tatsache schämte, aber er wusste einfach nicht, was er sagen sollte.
Sie nickte kurz und sah dann hinauf zum wolkigen Himmel, wobei sie mit der Haarbürste ganz leicht gegen ihre Handfläche schlug. „Ein recht angenehmer Abend trotz all dieser Wolken, nicht wahr?“
Als Gesprächsthema war das Wetter der Tod jeder Unterhaltung. Warum konnte er nicht mutiger sein? Warum nicht – weltmännischer? Warum nicht … „Ja. Ja, das stimmt.“
„Und ist es in London immer so bewölkt?“
„Bedauerlicherweise ja.“ Mein Gott, wie peinlich.
Wieder schwiegen beide.
Ein melodisches Lachen erklang. „Ist das alles, was ich wert bin? Zwei oder drei Worte, mehr nicht?“ Sie deutete mit der Haarbürste auf ihn. „Ihr Engländer seid so schrecklich zurückhaltend. Woran liegt das?“
Er räusperte sich und blickte auf den dunklen Platz in der Hoffnung, dass niemand zusah, wie er sich selbst lächerlich machte. „Zurückhaltend? Nein. Nicht zurückhaltend....