Mayes | Das Licht der Toskana | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 624 Seiten

Mayes Das Licht der Toskana

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8321-8463-6
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 624 Seiten

ISBN: 978-3-8321-8463-6
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Von ihrem friedlichen toskanischen Grundstück aus beobachtet die Schriftstellerin Kit Raine die chaotische Ankunft dreier amerikanischer Frauen mit regelrechten Gepäckbergen und einem Hund im Schlepptau. Kit ist fasziniert. Das ist kein gewöhnlicher Urlaub, vermutet sie. Benvenute, herzlich willkommen. Die drei Frauen haben sich in North Carolina kennengelernt. Susan, die Verwegenste des Trios, hat die zwei anderen dazu überredet, ihre Aussichten auf einen respektablen Ruhestand sausen zu lassen und stattdessen die großzügige, verwunschene Villa Assunta zu mieten. Die Freundinnen sind aufgeschlossen und neugierig, müssen sich jedoch zuerst in der fremden Kultur zurechtfinden. Susan macht sich daran, den verwilderten Garten in eine romantische Oase zu verwandeln. Julia, ohnehin eine begnadete Köchin, ist fest entschlossen, eine Meisterin der italienischen Küche zu werden. Und Camille, die sich vor langer Zeit gegen eine Karriere als Künstlerin entschieden hat, um für ihre Familie da zu sein, überkommt bei den neuen und überwältigenden Eindrucken das Bedürfnis, wieder zu malen. Kit begleitet die drei Freundinnen auf ihrem Weg und stellt dabei fest, dass auch ihr eigenes Leben noch einige Überraschungen bereithält ... >Das Licht der Toskana< ist ein Buch voll Wärme, Herzlichkeit und köstlichen Beschreibungen von Land und Leuten, Kochkunst und Freundschaft - eine einzige Liebeserklärung an Italien.

Frances Mayes, 1940 geboren, gelang der Durchbruch als Schriftstellerin mit ihren weltweit erfolgreichen Titeln >Rückkehr ins Paradies> (2001), >Unser Jahr in der Toskana< (2001) und >Das Paradies heißt Bramasole< (2002). Ihre Bücher wurden in mehr als fünfzig Sprachen übersetzt. >Unter der Sonne der Toskana< wurde 2003 erfolgreich verfilmt. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann, dem Dichter Edward Mayes, in der Toskana und in North Carolina.
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Ankünfte

Zufällig beobachtete ich die Ankunft der drei Amerikanerinnen. Ich las schon seit einigen Stunden im Garten, machte mir ein paar Notizen und malte schwarze Punkte an die Seitenränder, damit ich spannende Sätze später wiederfand, ohne dabei das Buch zu verunstalten. An Tagen wie diesen, an denen es immer früher dunkel wird, bekommt man gegen halb fünf plötzlich Lust aufs Abendessen, und meine Gedanken wanderten zu den Kalbsschnitzeln im Kühlschrank, und ich überlegte, dazu ein Büschel des Mangolds abzuschneiden, der noch im orto wucherte. Mangold mit Rosinen, Knoblauch und Orangenschale. Thymian und Petersilie für die kleinen Kartoffeln, die Colin am Ende des Sommers ausgegraben hatte. Da die Abende sich allmählich abkühlten, legte ich das Buch weg, holte den Holzkorb aus dem Haus und ging in den Schuppen, um Olivenästchen für den Grillkamin einzusammeln.

Wieder ein Vorwand. Ich schiebe es vor mir her, über Margaret zu schreiben, meine anstrengende und rechthaberische Freundin, deren Werk ich bewundert habe. Oh, das ich noch immer bewundere. Nur, dass sich dieses Projekt anfühlt, als wolle man modrige Streichhölzer anzünden. Anstatt etwas zu schreiben, lese ich die Romane immer wieder. Ihr Treppen zum Palazzo del Drago habe ich schon ein dutzend Mal gelesen.

Ein Buch kann eine Pforte sein. Jedes von meinen schottete eine nautilusartige Kammer fest ab (gibt es das Wort nautilusartig? In der Bedeutung, dass es sich auf ein U-Boot bezieht?) und öffnete sich dann auf den nächsten bewohnbaren Raum. Früher haben meine Themen stets mich ausgewählt. Ich folge gern schemenhaften Gestalten, die mir, manchmal knapp außer Sichtweite, vorauseilen. Zeilen, die plötzlich kehrtmachen und brechen wie die Zacken einer Herzkurve. Ist Boustrophedon nicht ein fließender Schreibstil, der die Wendungen eines pflügenden Ochsen nachahmt?

Manchmal lodert mein Schreiben auf wie ein Feuer, angezündet von Lausbuben auf einem Stoppelfeld. Dann bin ich überglücklich. Diesmal jedoch habe ich meine Freundin zum Thema auserkoren. Ich fühle mich wie auf dem College, als ich mich mit einer Seminararbeit über »Das Konzept der Zeit in T. S. Eliots Vier Quartette« herumschlug. Die Arbeit machte mir Spaß und beschämte mich zugleich, zeigte sie mir doch meine Grenzen auf.

Ich lasse mich leicht ablenken. Die verschrumpelten Äpfel auf der dritten Terrasse, die noch immer golden strahlend baumeln wie im Mythos der drei Grazien, verlocken mich, eine Galette zu backen. Fitzy hat Kletten in seinem seidigen Fell und muss gebürstet werden. Meine eigenen Haare sind zerzaust. Ich würde gern ein paar Freunde zu Polenta mit Steinpilzen einladen, denn zurzeit wachsen die funghi porcini unter jeder Eiche. Mein Geist schweift in unzählige Richtungen ab.

Wenn einen das Pflichtgefühl antreibt, ist man mühelos aus der Bahn zu werfen.

Während ich trockene Zweige vom Holzhaufen nehme, spähe ich von der oberen Oliventerrasse hinunter, als Gianni, der örtliche Taxifahrer, scharf in die lange Auffahrt des Anwesens der Malpiedis gegenüber einbiegt. Die Räder seines weißen Transporters knirschen auf trockenem Gras. Malpiedi – schlechte Füße. Ich habe italienische Namen schon immer geliebt, denn sie erinnern mich an die, die meine Freunde und ich angenommen haben, als wir auf der Brachfläche neben dem Haus meiner Familie in Coral Gables Indianer spielten. Wandering Bear, Deer Heart, Straight Arrow. Einer entschied sich sogar für Flushing Toilet – gespültes Klo. Hier jedoch gibt es Bucaletto: Loch im Bett. Zappini: Kleine Hacke. Tagliaferro: Eisenschneider. Und, noch seltsamer, Tagliagamba: Er schneidet das Bein ab. Vielleicht ein auf Lammkeulen spezialisierter Metzger? Cipollini: Kleine Zwiebel. Tagliasopra: Schneidet oben. Bellocchio: Schönes Auge. Wie lebendig diese Namen sind.

In meinen ersten Jahren in Italien, fasziniert von jeder Silbe, habe ich sie gesammelt. In Hotels, wo Telefonbücher auslagen, las ich die Namen nachts, nur wegen des Vergnügens, auf etwas wie Caminomerde, Kaminscheiße, zu stoßen. Da steckte sicher eine spannende Geschichte dahinter. Oder Pippisecca, Trockenes Rohr (oder Penis). Und der großartige Botticelli? Kleines Fass.

Die Schlechten Füße weilen inzwischen nicht mehr unter den Lebenden. Ich war beim Gedenkgottesdienst für Luisa, der Ehefrau, die sich an ihrem letzten Geburtstag eine erotisch dekorierte Torte gegönnt hat – Gestalten wie die in den Orgienfreskos aus Pompeji im Museum in Neapel, deren Phalli so lang sind, dass sie auf einem Tablett transportiert werden müssen. Als ich an dem Tisch in dem Restaurant vorbeikam, wo sie mit Freunden feierte, war ich schockiert beim Anblick der schrillen rosagrünen Torte, über die sich alle amüsierten. Danach war ich jedes Mal peinlich berührt, wenn ich auf Tito, ihren pummeligen, rundschultrigen Ehemann mit den Kaninchenaugen traf. Sie starb an einer Darmentzündung, einem plötzlichen Durchbruch, und ich wurde den Gedanken nicht los, dass es an einer Überdosis Torte gelegen hatte. Tito folgte ihr viel zu bald. Er erstickte wirklich, allerdings an gegrilltem Schweinefleisch, und niemand war da, der das Heimlich-Manöver beherrschte. Ich versuche, mir nicht auszumalen, wie seine glasigen Augen aus den Höhlen quollen. Grazia, die Tochter, die beim Lachen erst schnaubt und dann wiehert, strich einige Räume, baute eine Spülmaschine ein und suchte per Inserat Mieter, bevor sie zu ihrer kranken Tante in die Stadt zog. (Später erfuhr ich, dass der Mietvertrag auch die Möglichkeit einschloss, das Haus nach einem Jahr zu kaufen.) Grazia würde nicht zurückkommen, um in dem großen Steinhaus zu wohnen, in dem es sommers wie winters kühl war. Ich vermisste meine Nachbarn. Ja, sogar Grazias jahrelanges Herumkratzen auf der Geige, Luisas Klavier und Titos Saxofon. Stunden voller falscher Noten, die den Hügel hinaufwehten. Elf Jahre lang hatten wir auf demselben Abhang nebeneinanderher gelebt. Und dann, innerhalb von sechs Monaten, war das Haus leer. Nachts, wenn die tramontana von den Alpen herunterwehte, klapperte der Laden am Küchenfenster.

Ich habe das Haus schon immer geliebt. Groß, gedrungen und selbstbewusst steht es unverrückbar auf einer lang gestreckten Ebene auf unserem terrassenförmigen Hügel. Der gewaltige doppelflügige portone verfügt über Türklopfer mit Sphinxköpfen, beliebt in der Zeit, als Italien Ägypten ausplünderte. In dem Oberlicht über der Tür schlingt sich kunstvoll geformtes Schmiedeeisen um den Buchstaben S, vermutlich die Initiale des Menschen, der vor dreihundert Jahren so ein massives Haus gebaut hat. Wenn man die Jasminranken beschneidet, liest man die Worte VIRET IN AETERNUM, es gedeiht für immer. Ein ambitionierter Wahlspruch. Das Haus trägt den Namen Villa Assunta. Vielleicht wurde es ja am Feiertag ferragosto fertiggestellt, an Mariä Himmelfahrt. Oben sechs große quadratische Zimmer, unten auch. Nachträglich eingebaute Bäder, die aber in Ordnung sind.

Manchmal habe ich Tito und Luisa einen Korb Pflaumen gebracht, wenn meine Bäume unter ihnen zusammenbrachen. Die Tür öffnete sich, und ein Lichtstrahl fing sich in gebohnerten Ziegeln. Am Ende der Vorhalle sah ich ein großes Panoramafenster, erfüllt von sprießenden grünen Lindenblättern. Im Winter waren es kantige schwarze Äste, die an eine flüchtige Kohlezeichnung erinnerten.

Ich beobachtete, wie Giannis Transporter unten im Zickzackkurs durch den Olivenhain fuhr. Ein weißes Aufblitzen zwischen silbrigen Bäumen. Er fuhr die ungeteerte Auffahrt entlang und stoppte auf dem von Unkraut überwucherten Parkplatz neben dem Haus, wo Luisa häufig ihren blauen Fiat Cinquecento bei Regen mit offenem Verdeck stehen ließ. Oft schon wollte ich dieses Bild in einem Gedicht verwenden, aber es passte nie.

Drei Frauen stiegen aus. Nicht unbedingt die drei Grazien, da sie Handgepäck, unhandliche Rucksäcke und Reisetaschen schleppten. Gianni hievte vier mastodongroße Koffer aus dem Wagen und zerrte sie einzeln zur Tür. Ich konnte die Frauen nicht hören, die offenbar riefen und lachten. Wahrscheinlich wollten sie ihren Herbsturlaub hier verbringen. Gewisse Touristen meiden die hektischen Sommermonate und ziehen die ruhigere Jahreszeit vor. Hoffentlich würden sie nicht zu viel Lärm verursachen, denn Geräusche werden in den Hügeln weit getragen. Falls ihre Ehemänner eintrafen und alkoholgeschwängerte Abendessen veranstaltet wurden, konnte es chaotisch werden. Wer waren sie? Jedenfalls nicht mehr jung, das konnte ich sehen.

Meine eigene Ankunft hier – Dio, vor zwölf Jahren – steht mir so deutlich vor Augen, als wäre es gestern gewesen. Ich stieg aus dem Auto, betrachtete das verlassene Bauernhaus aus Stein, und ich wusste … was wusste ich eigentlich? Das ist es. Hier kann ich die Zukunft neu erfinden.

Dachten sie vielleicht das Gleiche? Margaret, mein Thema, meine verlorene Freundin, war lange, lange vor mir angekommen, und zwar in dem goldenen Steinhaus unter dem Turm des Il Palazzo (wirklich ein großer Palazzo), ohne zu ahnen, welches Leben sie hier vorfinden würde. Was sie als Erstes fand, war ein großes quiekendes Schwein, als Geschenk eingesperrt im Erdgeschoss von den Bauern/früheren Besitzern (Landeier, nannte sie sie).

Margaret war eine entschlossene Exilantin. Anders als ich, die kam und ging. Sie trug bestickte Pantoffeln und einen schwarzen venezianischen Mantel aus Devoré-Samt. Ein himmelweiter Unterschied zu diesen Neuankömmlingen in magentafarbenen, orangen und safrangelben aufgeplusterten Daunenjacken und Stiefeln.

Die in grellem Magenta holt einen Tragekorb für Hunde hinten aus dem Transporter....


Mayes, Frances
Frances Mayes, 1940 geboren, gelang der Durchbruch als Schriftstellerin mit ihren weltweit erfolgreichen Titeln ›Rückkehr ins Paradies› (2001), ›Unser Jahr in der Toskana‹ (2001) und ›Das Paradies heißt Bramasole‹ (2002). Ihre Bücher wurden in mehr als fünfzig Sprachen übersetzt. ›Unter der Sonne der Toskana‹ wurde 2003 erfolgreich verfilmt. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann, dem Dichter Edward Mayes, in der Toskana und in North Carolina.

Dufner, Karin
Karin Dufner, geboren 1962, hat Amerikanistik und Literarisches Übersetzen studiert. Seit 1989 ist sie als Übersetzerin tätig und hat u.a. Claudia Carroll, Patricia Cornwell, Vanessa Diffenbaugh, Mhairi McFarlane und Edward Rutherfurd ins Deutsche übertragen.



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