McCarthy True - Weil du mich zum Träumen bringst
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8025-9879-1
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 4, 320 Seiten
Reihe: True-Reihe
ISBN: 978-3-8025-9879-1
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Als Kylie Warner erfährt, dass der leidenschaftliche One-Night-Stand mit ihrem neuen Chemiedozenten Jonathon nicht ohne Folgen geblieben ist, bricht für sie eine Welt zusammen. Kylie ist schwanger und muss ihr bisher so unbeschwertes Leben völlig neu ordnen. Dass Jonathon diese Herausforderung gemeinsam mit ihr bewältigen will und sie sich Hals über Kopf in den Vater ihres Kindes verliebt, wird dabei unerwartet Teil des neuen Lebensplans ...
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1
Ich hasste es, allein zu wohnen. Dafür war ich einfach nicht gemacht. Es war nicht etwa so, dass ich die Anerkennung von jemand anders brauchte, um glücklich zu sein – nein, in diesem erbärmlichen Sinne meine ich das nicht. Ich war einfach supersozial und fand es schön, stets Menschen um mich herum zu haben. Ich wollte mich unterhalten und lachen. Ich bin die Älteste von vier Geschwistern. Bei uns zu Hause ist es immer turbulent zugegangen, und das fand ich schön, gemütlich, es bedeutete Glück für mich. Einige Menschen, wie meine Freundin Rory, brauchen Zeit für sich, sie verlieren sich in ihren Gedanken und tragen ein ganzes Universum in sich, das sie mit niemandem teilen. So war ich nicht. Meist strömten meine Gedanken in einem fort aus meinem Mund, denn ich tauschte mich gern mit meinen Freunden aus. Doch ich hatte aus unserer WG in ein blödes kleines Appartement umziehen müssen, in dem es dunkel und viel zu still war. Den Grund bezeichnete ich für mich als RUN (Robin und Nathan und ihren One-Night-Stand). Wenn ich einen Freund hätte, der mit mir auf dem Schlafsofa kuscheln würde, käme ich vielleicht besser damit klar, allein zu wohnen. Doch ich hatte keinen Freund, weil mein Ex, Nathan, sich nicht nur schäbig, sondern auch noch dumm verhalten hatte. Er hatte mit meiner Freundin Robin geschlafen, während wir noch zusammen waren. Ja. Das hat er wirklich gebracht. Und sie ebenfalls. Auch wenn sie ziemlich betrunken gewesen war und sich an nichts erinnern konnte, fiel es mir ziemlich schwer, ihr zu vergeben, und Nathan konnte ich es überhaupt nicht verzeihen. Es war schwer, in einer Welt Single zu sein, die voller perfekter Paare war. Salz und Pfeffer. Erdnussbutter und Marmelade. Chili und Hotdogs. Ganz zu schweigen von Paaren wie Rory und Tyler. Jessica und Riley. Sogar Robin – die, betrunken hin oder her, immerhin meine Beziehung zerstört hatte –, sogar Robin hatte nun Phoenix. Wie unfair war das denn bitte schön? Sie wohnte rundum glücklich mit ihrem Freund zusammen, während ich allein war und zum ersten Mal in meinem ganzen Leben unglücklich. Traurig zu sein passte nicht zu mir. Ich war kein Trauerkloß. Normalerweise war ich optimistisch und energiegeladen. Im Grunde ein Cheerleader fürs Leben, stets gut gelaunt. Ich glaubte an das Gute im Menschen. Zwar besaß ich nicht unbedingt den höchsten IQ, doch das war mir egal, ich mochte so ziemlich jeden und bemühte mich sehr darum, immer nett zu sein. Man musste schon so etwas Schreckliches wie ein Mörder sein, um meinen Hass heraufzubeschwören. Oder man betrog mich mit meiner besten Freundin. Aber selbst danach hatte ich Nathan nicht gehasst. Ich war verletzt. Verletzt auf eine Art, die für mich merkwürdig war, weil sie nicht verging. Es fühlte sich anders an, als wenn man am Ende eines traurigen Films weinte, und ähnelte auch nicht diesem kurzen Stich, den man verspürte, wenn man die Geschichte eines Internet-Mobbing-Opfers las. Dieser Schmerz kam in riesigen, kalten Wellen über mich und setzte sich in meiner Brust fest. Er blieb, er war jeden Tag da und gab mir das Gefühl, jemand anders zu sein, jemand, den ich nicht kannte, jemand mit bösen Gedanken und jemand, der spontan in Tränen ausbrach. Ich vergaß, meine Hausaufgaben zu machen, vergaß mein Handy im Appartement und wohin ich gehen wollte. Das war ein völlig neues Gefühl für mich, und ich wusste nicht, wie ich es wieder loswerden konnte. Ich konnte die Traurigkeit nicht daran hindern, immer wieder wie ein Kastenteufel aus seiner Schachtel hervorzuspringen. Mit den Händen tief in den Taschen vergraben stapfte ich über die Straße zum Café, um dort meinen neuen Chemienachhilfelehrer zu treffen. Sofort wehte mir der kalte Wind die Haare ins Gesicht, wo sie an meinem Lipgloss hängen blieben. Oh Mann. Weil ich mich irgendwie nicht konzentrieren konnte, lief ich Gefahr, in Chemie durchzufallen. Nächste Woche war die letzte Prüfung, und wenn ich mir das Arbeitsblatt ansah, tanzten die Formeln vor meinen Augen Samba. Rory, die sich aufs Medizinstudium vorbereitete, hatte versucht, mir beim Lernen zu helfen. Am Ende war ich in Tränen ausgebrochen, und sie war völlig entsetzt gewesen. Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht auch bei meinem Nachhilfelehrer anfangen würde zu heulen, doch das Risiko musste ich eingehen. Allein in diesem dunklen Appartement hielt ich es keine Minute länger aus. Die Beleuchtung war deprimierend, und da es momentan auch noch so früh dunkel wurde, kam es mir vor, als säßen überall in den dunklen Ecken Glücksdiebe. Kleine Kerle, die mir beim Fernsehen oder während ich schlief mein Selbstvertrauen und meine Zuversicht klauten. Das war ein merkwürdiger Gedanke, aber ich hatte zurzeit eine Menge merkwürdiger Gedanken, und sie waren mir alle völlig fremd. Es war, als würde man plötzlich feststellen, dass man auf Hindi dachte, ohne zu wissen, warum, und ohne die Sprache zu beherrschen. Als ich die Tür zum Café aufstieß, umfing mich wohlige Wärme, und ich schüttelte die Kälte ab. Meine Haare klebten noch immer an meiner Lippe, doch anstatt sie zu entfernen, kaute ich ein bisschen darauf herum. Es fühlte sich gut an, so als wäre ich wieder sechs Jahre alt und es wäre völlig okay, an meinen Haaren zu knabbern. Ich sah mich nach einem Nerd um. Ich hatte den Nachhilfelehrer noch nie zuvor getroffen. Er war ein Masterstudent, und mein Professor hatte mir seine E-Mail-Adresse mit den Worten gegeben, niemand könne Studenten im Grundstudium die Prinzipien der Chemie besser erklären. Laut Professor Kadisch und laut seiner E-Mail-Adresse hieß der Typ Darwin. Das konnte nicht sein richtiger Name sein – oder vielleicht doch? Jedenfalls musste jemand, der so hieß – egal ob Spitzname oder nicht –, ein Nerd sein. In meinen Augen war das perfekt, denn nur ein Nerd konnte mich davor bewahren, durch den Kurs zu fallen und ihn nächstes Semester wiederholen zu müssen. Es war nicht sehr voll im Café, ich entdeckte jedoch keine offensichtlichen Kandidaten für Darwin. Außer drei Mädchen, die zusammen lernten, waren noch zwei Paare da. Wie schon gesagt, Paare waren einfach überall. Jeden Tag stolperte man unweigerlich über einhundert perfekte Paare, die meinten, sich zu lieben. Einige von ihnen liebten sich vermutlich tatsächlich, wobei ich bei Paar Nummer eins meine Zweifel hatte. Sie sahen gelangweilt aus. Und Paar Nummer zwei? Liebe. Willkommen, Eifersucht, meine neue beste Freundin. Ich verbannte diese Gedanken in den hintersten Winkel meines Kopfes, wo sich eine Schachtel mit der Aufschrift »Dinge, die mich runterziehen« befand, und suchte weiter nach meinem genialen Nachhilfelehrer. Warum waren diese Gedanken eigentlich nicht auf Hindi? Oh Mann, das war echt unfair. Zwei Typen waren allein da. Einer trug eine Hipster-Brille und hatte einen tätowierten Arm, er wippte mit dem Kopf zur Musik aus seinem iPhone. Nein. Der andere sah etwas zu jung aus für einen Masterstudenten, aber er hatte Akne und lockige Haare bis auf die Schultern. Er blickte aufmerksam auf seinen Computerbildschirm, und um ihn herum lag jede Menge Papier. Das war eindeutig mein Mann. Um zu verhindern, dass ich in dem Kurs durchfiel, musste er ein wahrer Superheld sein, doch er hatte sich den Job ja schließlich ausgesucht. Bei ihm würde ich ganz sicher nicht in Tränen ausbrechen. Nichts an ihm wirkte mitfühlend oder freundlich. Lächelnd ging ich auf ihn zu. »Bist du Darwin? Ich bin Kylie. Danke, dass du mir beim Lernen helfen willst.« Mit leerem Blick sah er zu mir auf. »Was?« »Ich bin Kylie. Professor Kadisch hat mir deine E-Mail-Adresse gegeben … Wir haben uns hier verabredet.« Als sich seine Miene noch immer nicht veränderte, merkte ich, dass ich den Falschen angesprochen hatte. »Bist du Darwin?« »Nein, ich bin Christian.« »Oh.« Ich lächelte entschuldigend und rückte den Rucksack auf meinen Schultern zurecht. »Tut mir leid, dass ich dich gestört habe.« »Kein Problem.« Als er schluckte, hüpfte sein Adamsapfel, und er verzog verächtlich die Lippen, um mir zu signalisieren, dass es in Wahrheit ein Riesenproblem war. Die Unterbrechung nervte ihn ziemlich. Ich kam mir dumm vor, machte auf dem Absatz kehrt und ging zu einem leeren Tisch. Darwin schien ein paar Minuten zu spät zu kommen. Ich würde auf dem Handy meine E-Mails durchsehen, ob er mir abgesagt hatte. »Kylie?« Ich drehte mich um. Der andere Typ hatte die Ohrstöpsel herausgezogen und lächelte mich an. »Ja.« »Ich bin Darwin.« Er stand auf, kam auf mich zu und reichte mir die Hand. »Freut mich, dich kennenzulernen.« Das war Darwin? Wirklich? Aha. Ich hätte nicht so vorschnell urteilen sollen. Ich fand es schrecklich, wenn Leute mich für eine dumme Blondine hielten. Aber echt, der Typ war süß. Um seine Augen bildeten sich Fältchen, wenn er lächelte, er trug einen kleinen Kinnbart, und die langen Wimpern hinter seinen Brillengläsern ließen mich neidisch werden. Er war um die eins achtzig groß, schlaksig, aber nicht dürr, und trotz Jeans und T-Shirt wirkte er durch und durch männlich, nicht jungenhaft. »Freut mich auch.« Ich nahm seine Hand und schüttelte sie vorsichtig. Sein Griff war fest, aber nicht zu fest. Seine Handfläche war nicht feucht. »Danke, dass du mir helfen willst. Ich … quäle mich ein wenig.« Das war untertrieben. »Setz dich, und wir sehen uns an, wo du bist.« Er zog einen Stuhl für mich hervor und ließ sich wieder auf seinem Platz nieder, sein Tablet-Computer lehnte an seiner...