Mead Bloodlines - Der rubinrote Zirkel
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8025-9849-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 06, 352 Seiten
Reihe: Bloodlines-Reihe
ISBN: 978-3-8025-9849-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
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KAPITEL 1
ADRIAN
Das Eheleben war nicht gerade das, was ich erwartet hatte. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe es nicht bereut, diese Frau geheiratet zu haben. Ich liebte sie sogar mehr, als ich je für möglich gehalten hatte. Doch die Realität, in der wir lebten? Na, sagen wir einfach, auch die hatte ich mir anders vorgestellt. Früher hatten wir immer von exotischen Orten und vor allem von Freiheit geträumt. In ein paar Zimmer eingesperrt zu sein war nie Teil eines Fluchtplans gewesen, geschweige denn eines romantischen Wochenendes. Aber ich war noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt. »Was ist das?«, fragte Sydney verblüfft. »Alles Gute zu unserem Jubiläum«, sagte ich. Sie hatte gerade geduscht, sich angezogen und stand nun in der Tür des Badezimmers, um unser Wohnzimmer zu betrachten, das ich umgewandelt hatte. Es war nicht gerade leicht gewesen, so viel in so kurzer Zeit zu tun. Sydney konnte äußerst effizient sein, und das galt auch fürs Duschen. Und ich? In der Zeit, die ich für eine Dusche brauchte, hätte man die komplette Wohnung entkernen und renovieren können. Bei Sydney war kaum Zeit genug gewesen, den Raum mit Kerzen und Blumen zu schmücken. Aber ich hatte es geschafft. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht. »Es ist doch nur ein Monat.« »Hey, sag bitte nicht ›nur‹«, warnte ich. »Es ist trotzdem … gewaltig. Und nur dass du es weißt, ich habe vor, diesen Tag für den ganzen Rest unseres Lebens jeden Monat zu feiern.« Ihr Lächeln wurde zu einem ausgewachsenen Grinsen, während sie über die Blumen in einer Vase strich. Es zerriss mir das Herz. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein so aufrichtiges Lächeln bei ihr gesehen hatte. »Du hast sogar Pfingstrosen besorgt«, sagte sie. »Wie hast du das denn geschafft?« »Ich habe da so meine Methoden«, erklärte ich hochtrabend. Obwohl es wahrscheinlich besser ist, wenn sie nichts über diese Methoden erfährt, erklang eine Stimme in meinem Kopf. Sydney schlenderte umher und begutachtete den Rest meines Werks, das aus einer Flasche Rotwein und einer Schachtel Schokoladentrüffel bestand, die ich auf dem Küchentisch kunstvoll angeordnet hatte. »Ist es nicht noch etwas früh?«, neckte sie mich. »Kommt drauf an, wen du fragst«, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf das dunkle Fenster. »Für dich ist es praktisch Abend.« Ihr Lächeln verblasste ein wenig. »Ehrlich, ich weiß kaum mehr, welche Tageszeit wir haben.« Dieser Lebensstil belastet sie, warnte mich meine innere Stimme. Sieh sie dir nur an. Selbst in dem flackernden Kerzenlicht konnte ich Spuren des Stresses sehen, den Sydney empfand. Dunkle Ringe unter den Augen. Ein ständig erschöpftes Aussehen – geboren eher aus Verzweiflung als aus Müdigkeit. Sie war hier der einzige Mensch, der nicht als Spender für uns Vampire diente. Außerdem war sie der einzige Mensch an einem zivilisierten Moroi-Ort, der einen von uns geheiratet hatte. Das bedeutete, dass sie den Zorn ihrer eigenen Leute auf sich gezogen und den Kontakt zu ihren Freunden und ihrer Familie draußen in der Welt abgebrochen hatte. Und dank der Geringschätzung und der neugierigen Blicke, die sie am Hof trafen, hatte sich Sydney auch so ziemlich von den Leuten hier zurückgezogen und ihre ganze Welt auf unsere Zimmer reduziert. »Warte, es kommt noch mehr«, sagte ich schnell und hoffte, sie ablenken zu können. Auf einen Knopfdruck hin erklang aus dem Soundsystem des Wohnzimmers klassische Musik. Ich streckte die Hand nach ihr aus. »Da wir keine Gelegenheit hatten, auf unserer Hochzeit zu tanzen.« Das brachte das Lächeln zurück. Sie nahm meine Hand, und ich zog sie an mich. Dann wirbelte ich sie durch den Raum und achtete darauf, keine der Kerzen umzustoßen. Mit einem belustigten Blick sah sie mich an. »Was machst du da? Das ist ein Walzer. Er hat drei Takte. Hörst du das nicht? Eins-zwei-drei, eins-zwei-drei.« »Wirklich? Das ist ein Walzer? Hm. Ich hab einfach etwas ausgesucht, das gut klang. Da wir keinen eigenen Song haben oder so.« Ich dachte kurz darüber nach. »Ich glaube, in dieser Hinsicht haben wir als Paar versagt.« Sydney lachte spöttisch. »Wenn das unser größtes Versagen ist, dann schlagen wir uns doch ganz gut.« Eine Weile verging, während ich mit ihr durch den Raum tanzte, dann erklärte ich plötzlich: »›She Blinded Me With Science.‹« »Was?«, fragte Sydney. »Das könnte unser Lied sein.« Sie lachte, und mir wurde klar, dass ich ihr Lachen schon sehr lange nicht mehr gehört hatte. Irgendwie ließ es mein Herz gleichzeitig schmerzen und springen. »Na«, erwiderte sie. »Ich finde, das ist jedenfalls besser als ›Tainted Love‹.« Wir lachten beide, und sie legte die Wange an meine Brust. Ich drückte ihr einen Kuss auf das goldene Haar; der Duft ihrer Seife, in den sich der Geruch ihrer Haut mischte, drang mir in die Nase. »Es kommt mir falsch vor«, murmelte sie leise. »Glücklich zu sein, meine ich. Während Jill da draußen ist …« Bei diesem Namen sank mir das Herz, und eine schwere Dunkelheit drohte sich auf mich herabzusenken und diesen kleinen Moment der Freude zu zerstören, den ich erschaffen hatte. Ich musste die Dunkelheit mit Gewalt verdrängen und mich zwingen, von dem gefährlichen Abgrund zurückzutreten, den ich in diesen Tagen nur zu gut kennengelernt hatte. »Wir werden sie finden«, flüsterte ich und hielt Sydney noch fester umfangen. »Wo immer sie ist, wir werden sie finden.« Falls sie noch lebt, sagte diese gemeine innere Stimme. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Stimme, die sich immer wieder in meinem Kopf bemerkbar machte, nicht Teil irgendeiner Denksportaufgabe war. Tatsächlich war es sogar eine sehr deutliche Stimme, und sie gehörte meiner verstorbenen Tante Tatiana, der ehemaligen Königin der Moroi. Sie kam jedoch nicht in Form eines Geistes zu mir. Ihre Stimme war eher eine Einbildung, die daher rührte, dass ich dank der seltenen Art von Magie, die ich verwendete, mehr und mehr dem Wahnsinn verfiel. Ein einfaches Medikament hätte Tatiana zum Schweigen gebracht, aber es hätte mich auch von meiner Magie abgeschnitten, und dafür war unsere Welt im Moment zu unberechenbar. Also waren diese Phantomtante und ich in meinem Kopf zu Mitbewohnern geworden. Manchmal machte mir die eingebildete Präsenz Angst, und ich fragte mich, wie lange es dauern werde, bis ich vollkommen den Verstand verlor. Dann wieder ertappte ich mich dabei, dass ich gut mit ihr klarkam – und die Tatsache, dass ich sie fast schon als normal betrachtete, erschreckte mich noch mehr. Jetzt gelang es mir erst einmal, Tante Tatiana zu ignorieren, während ich Sydney wieder küsste. »Wir werden Jill finden«, wiederholte ich energischer. »Und in der Zwischenzeit müssen wir weiter unser Leben leben.« »Ich glaube auch«, seufzte Sydney. Ich merkte, dass sie versuchte, die Fröhlichkeit von eben zurückzugewinnen. »Wenn das unseren versäumten Hochzeitstanz ersetzen soll, fühle ich mich irgendwie zu einfach gekleidet. Vielleicht sollte ich dieses Kleid wieder anziehen.« »Auf gar keinen Fall«, widersprach ich. »Nicht dass das Kleid nicht toll wäre. Aber ich mag dich, wenn du so einfach gekleidet bist. Ich hätte sogar überhaupt nichts dagegen, wenn du noch viel einfacher gekleidet wärst …« Ich ließ das Walzertanzen (oder was immer das für ein Tanz war, den ich da zu tanzen versuchte) und senkte meinen Mund auf ihren hinab – zu einer ganz anderen Art von Kuss als vorhin. Hitze erfüllte mich, als ich ihre weichen Lippen spürte, und es überraschte mich, dass sie mit gleicher Leidenschaft reagierte. Angesichts unserer jüngsten Umstände war Sydney nicht nach Zweisamkeit zumute gewesen, und – ehrlich – ich konnte ihr deswegen keinen Vorwurf machen. Ich hatte ihre Wünsche respektiert und Abstand gehalten … bis jetzt – und ohne zu merken, wie sehr mir dieses Feuer in ihr gefehlt hatte. Einen Moment später sanken wir fest umschlungen auf das Sofa und küssten uns immer noch voller Leidenschaft. Ich hielt inne, um sie zu betrachten, und bewunderte die Art, wie ihr blondes Haar und ihre braunen Augen im Kerzenlicht glänzten. Ich hätte in dieser Schönheit und in der Liebe, die von ihr ausging, ertrinken können. Es war ein wunderbarer, dringend nötiger romantischer Moment … zumindest, bis die Tür aufging. »Mom?«, rief ich und sprang von Sydney weg, als sei ich ein Schuljunge und kein verheirateter Mann von zweiundzwanzig Jahren. »Ah, hallo, mein Lieber«, sagte meine Mutter und kam ins Wohnzimmer geschlendert. »Warum ist das Licht aus? Hier drin sieht es aus wie in einem Mausoleum. Hat es einen Stromausfall gegeben oder was?« Sie legte einen Lichtschalter um, und Sydney und ich zuckten zusammen. »Jetzt geht es jedenfalls wieder. Aber ihr solltet wirklich nicht so viele Kerzen anzünden. Das ist doch gefährlich.« Hilfsbereit, wie sie war, blies sie gleich einige aus. »Danke«, sagte Sydney tonlos. »Schön zu wissen, dass Sie sich um unsere Sicherheit sorgen.« Ihr Gesichtsausdruck erinnerte mich an den Tag, als meine Mutter »hilfsbereit« einen Haufen Klebezettel aus einem Buch herausgezogen hatte, das sie ihrer Meinung nach verstopften. Sydney hatte damit stundenlang in mühevoller Kleinarbeit ihre Lektüre markiert. »Mom, ich dachte, du...