Mehringer Die Anfängeroperation
2007
ISBN: 978-3-540-69099-3
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zwischen Patientenrechten und Ausbildungsnotwendigkeit
E-Book, Deutsch, 257 Seiten, eBook
Reihe: MedR Schriftenreihe Medizinrecht
ISBN: 978-3-540-69099-3
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Thema der vorliegenden Arbeit sind die rechtlichen Besonderheiten, die sich mit dem Ersteinsatz eines unerfahrenen Mediziners zum Schutz des Patienten stellen. Schwerpunkte sind dabei die Reichweite des vom Bundesgerichtshofes geprägten Begriffs der "Anfängeroperation", der Umfang der Aufklärungspflicht vor einer Anfängerbehandlung und die besonderen Pflichten für den Anfänger, seinen Ausbilder, Chefärzte und den Klinikträger. Zentrales Problem im Rahmen der Haftung ist der an den Anfänger zu stellende Sorgfaltsmaßstab und die Frage nach einem eigenen Verkehrskreis "Anfänger". Den Abschluss der Arbeit bildet eine Auseinandersetzung mit der Beweislastverteilung im Fall der fehlgeschlagenen Anfängeroperation.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Problemstellung.- Begriff und Wirklichkeit.- Vertragliche Grundlagen.- Besondere Verkehrspflichten.- Haftung nach fehlgeschlagener Anfängeroperation.- Beweislast.- Gesamtbetrachtung und Ausblick.
D Besondere Verkehrspflichten (S. 59-60)
Im Mittelpunkt der Diskussion um die Anfangeroperation steht das Risiko, welches das Handeln eines unerfahrenen Arztes mit sich bringt. Um eine sinnvolle praktische Ausbildung der Arzteschaft fur die Zukunft nicht zu verhindern, gilt es Voraussetzungen zu schaffen, unter denen auch der unerfahrene Arzt praktisch am Patienten tatig werden kann, ohne fur den Patienten eine unbotmaßige Gefahr hervorzurufen. Bildlich gesprochen bedarf es besonderer, flankierender bzw. neutralisierender Maßnahmen, die das Übergewicht des Ausbildungsrisikos zugunsten der Sicherheit des Patienten wieder ausgleichen und die - insbesondere auch als Pendant zur fehlenden Aufklarungspflicht - die Anfanger- und Patienteninteressen in Einklang bringen.
Diesem Anliegen hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung besonders angenommen und zu verschiedenen Pflichten Stellung genommen, deren besondere Beachtung im Rahmen einer Anfangeroperation einen Ausgleich zwischen Patientenrechten und Ausbildungsnotwendigkeit schaffen konnten.
I. Mogliche Erweiterung der Aufklarungspflicht
Es ist hinlanglich bekannt, dass jedem arztlichen Eingriff eine Aufklarung durch den behandelnden Arzt vorausgehen muss, denn salus et voluntas aegroti suprema lex". Welchen Inhalt eine solche Aufklarung hat, warum sie erforderlich ist und vor allem weshalb diese Fragen von entscheidender Bedeutung für die Anfangeroperation sind, soil das nachste Kapitel zeigen. Da jedoch die Aufklarung ein wesentliches Thema des Arztrechts ist, das standig zu einer „Flut der Veroffentlichungen und Urteile" führt, sollen im Rahmen der folgenden Erorterungen nur Grundzüge dargestellt werden und das Hauptaugenmerk auf die Auswirkungen für den Berufsanfangereinsatz gerichtet werden.
1. Einwilligung und Aufklarung, conditio sine qua non
Der ärztliche Heileingriff setzt eine Einwilligung voraus. Bereits das Reichsgericht hat festgestellt, dass ein medizinischer Eingriff im Falle der fehlerhaften oder eigenmachtigen Durchfiihrung eine Korperverletzung und damit einen Haftungsfall darstellen kann. Es ergibt sich bereits aus dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht, dass eine rechtmäßige Behandlung (volenti non fit iniuria) von der Einwilligung des Patienten von umfasst sein muss, es muss ein sog. „informed consent" vorliegen. In diesem Zusammenhang spricht das Bundesverfassungsgericht von einem „von der Verfassung geforderten normativen Kernbereich der Einwilligung und - in ihrem Rahmen - der ärztlichen Aufklarung". Diese Einwilligung kann der Patient aber nur dann geben, wenn er liber die Art und Weise, Folgen und Risiko sowie den Umfang der arztlichen Maßnahme entsprechend informiert worden ist. Er muss soweit informiert sein, dass er nicht nur „Objekt" der Behandlung ist, sondern mitentscheiden kann.
Die Aufklarung muss demnach die erforderliche Einwilligung ihrem materiellen Sinn nach ausfullen. Ziel ist es, dem Patienten die Voraussetzungen zu geben, über die bevorstehenden Behandlungen eine wohl überlegte Entscheidung treffen zu konnen, die das Ergebnis einer Abwagung von Risiko und Nutzen darstellt. Er soil dem Arzt als „verständiger Partner" gegenüberstehen können und sich nicht „blind" in dessen Hände begeben, wie dies früher der Fall war. Dabei zeigt sich, welche Rolle die Aufklarung im Rahmen der arztliche Behandlung einnimmt. Sie gibt den Inhalt der rechtfertigenden Einwilligung vor. Der Patient kann nur in das einwilligen, was er auch weiß und der Arzt kann in Konsequenz auch nur in der Art und Weise vorgehen, in welche der Patient eingewilligt hat.
In Ausnahme dazu stehen offensichtlich die Falle der Notfallmedizin. Aufgrund der Notwendigkeit eines unverzüglichen ärztlichen Handelns kann in dieser Situation eine Einwilligung und demzufolge auch eine Aufklarung nicht zwingend erforderlich sein. Es würde eine Notfallrettung ad absurdum führen, wenn man in diesem Bereich erst warten müsste, bis der Patient in der Lage ist, aufgeklärt zu werden und dann seine Einwilligung geben zu konnen.