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E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Meier Besuch in der Hölle

Dantes Göttliche Komödie

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

ISBN: 978-3-406-76724-1
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



DIE SPANNENDE BIOGRAPHIE EINES DER GRÖSSTEN WERKE DER WELTLITERATUR

Mehr als die Bibel hat Dantes Göttliche Komödie unsere Vorstellung von Hölle und Paradies geprägt. Wie konnte ein Werk italienischer Sprache aus dem 14. Jahrhundert, das schon Zeitgenossen nur mit Hilfe von Kommentaren entschlüsselten, ein globales Kulturgut werden? Wie gelangte etwa Dantes Herrscher der Hölle, Luzifer, in japanische Manga? Die Romanistin Franziska Meier folgt der verschlungenen Geschichte dieses Jahrtausendbuchs, an dessen Ruhm nur Homers Odyssee und Shakespeares Dramen heranreichen.
Wie kommt es, dass ein 700 Jahre altes Buch so vielen Menschen ein Begriff ist, obwohl es nur die wenigsten gelesen haben? Auch Bücher haben ein mitunter langes Leben. Der Erfolg der Göttlichen Komödie allerdings war und ist im höchsten Maße unwahrscheinlich. Dantes Dichtung ist im Grunde unübersetzbar, dennoch liegt die Commedia inzwischen selbst in den entlegensten Sprachen vor. Szenen und Bilder des noch ganz dem mittelalterlichen Weltbild entstammenden Werkes, namentlich der Besuch in der Hölle, wurden immer wieder umgedeutet und so kreativ weitergesponnen, dass vom Original manchmal wenig übrigblieb. Für Europa wurde dieses Jahrtausendbuch zur Blaupause. Und Dichtern aus früheren Kolonien diente das im Exil verfasste Werk als Modell, um über das ihnen zugefügte Leid zu schreiben. Franziska Meier geht den überraschenden Lebensspuren der Commedia nach, die sie um die ganze Welt führen.

- Die weltweite Wirkungsgeschichte der Divina Commedia

- Dantes Werk prägt unsere Vorstellungen von Paradies und Hölle bis heute
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KAPITEL 1 Überall Dante
‹Per me si va ne la città dolente,
per me si va ne l’etterno dolore,
per me si va tra la perduta gente. (…)
Lasciate ogne speranza, voi ch’intrate.› Inferno III 1–9 ‹Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer,
Durch mich geht man hinein zum ewigen Schmerze,
Durch mich geht man zu dem verlornen Volke (…)
Lasst jede Hoffnung, wenn Ihr eingetreten.› Hermann Gmelin Auf dem Gebiet der Europäischen Union sind heute viele Versionen von Ein- und Zwei-Euro-Münzen im Umlauf. Denn jedes Land hatte bei der Einführung die Möglichkeit, ein nationales Symbol oder Porträt seiner Wahl auf deren Rückseiten einzuprägen. Deutschland entschied sich für den Adler; die Franzosen bildeten in einem Hexagon den Freiheitsbaum umrahmt von der Inschrift Liberté – Égalité – Fraternité ab; die Griechen wählten die Prinzessin Europa, wie sie von Zeus auf dem Stier aus Phönizien entführt wird. Auf den belgischen und spanischen Geldstücken prangt ganz traditionell das Bildnis des jeweiligen Königs. In Italien entschied man sich dagegen, und zwar bei der Münze mit dem höchsten Wert, für einen Dichter – Cervantes schaffte es in Spanien nur auf die Cents. Auf den italienischen Zwei-Euro-Münzen ist Dante Alighieris strenges, abgemagertes, lorbeerumkränztes Gesicht mit der scharfen Adlernase zu erkennen. In dieser Form gleitet der große Zeitgenosse vom Ende des italienischen Mittelalters inzwischen durch Tausende von Händen und steckt in Millionen von Hosen- und Handtaschen. Wer immer die europäische Währung verwendet, trägt irgendwann einmal einen Dante mit sich herum. Erstaunlich daran ist zudem, dass die italienischen Münzmeister offenbar meinten, das markante Profil werde auch außerhalb der Landesgrenzen als das Dante Alighieris identifiziert. Kein Namenszug hilft dem neugierigen Betrachter. Ist Dante in Europa tatsächlich derart bekannt? Oder handelt es sich um einen Fall nationaler Selbstüberschätzung der eigenen Kultur? Etlichen Bürgern außerhalb Italiens ist der frühe florentiner Nationaldichter dem Aussehen und Namen nach in der Tat irgendwie vertraut. Ist es eine Folge des Tourismus, der nach dem Zweiten Weltkrieg und vor Beginn der Fernreisen nach Asien immer wieder Menschenströme aus dem Norden ans Mittelmeer, an die italienischen Strände lockte? An fast jedem Ort stößt man südlich der Alpen auf eine nach ihm benannte Straße oder einen Platz. Zudem ragt in den vielbesuchten Städten Florenz, Ravenna und Verona eine imposante, überdimensionale Statue an recht zentraler Stelle in den Himmel. Zumeist zeigt sie ein finster entschlossenes Gesicht, eine Denkermiene, der Körper ist in einen langen Umhang gehüllt. Im Vergleich zu Giuseppe Garibaldi, dem Kämpfer für die Vereinigung Italiens im 19. Jahrhundert, der – wie auf zahllosen Gedenktafeln zu lesen ist – in vielen Häusern des Landes übernachtet und gelegentlich auch einen legendären Ausspruch getan hat, taucht Dante im italienischen Stadtbild allerdings nur sporadisch auf. Seine Aufenthaltsorte in seiner Heimatstadt Florenz und im italienischen Exil sind kaum dokumentiert. Vielleicht sollte man den Grund für seine Bekanntheit außerhalb Italiens besser in der Diaspora suchen, in der viele Italiener seit Jahrhunderten leben. Die süditalienischen Gastarbeiterfamilien, die in den fünfziger Jahren nach Deutschland gerufen wurden, brachten indes kaum einen Dante mit. Von den Immigranten, die es seit dem 19. Jahrhundert nach Frankreich, in die Vereinigten Staaten und nach Südamerika trieb, ist ebenfalls nicht anzunehmen, dass sie eine Divina Commedia im Gepäck hatten. Die meisten von ihnen gehörten zu den Ärmsten der Armen und hatten oft nur ein Bündel Wäsche bei sich. Viele konnten kaum lesen und schreiben. Aus den Erinnerungen von Italo-Amerikanern wissen wir zudem, dass gerade die erste Generation, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nach ihrer Ankunft in den USA nichts von der eigenen Kultur mehr hören wollte. Erst ihre in Amerika aufgewachsenen Kinder und Kindeskinder, die nicht weniger als sie selbst unter der sozialen Diskriminierung litten, besannen sich auf ihre Wurzeln. Warum aber führte sie ihre Suche nach einer kulturellen Identität ausgerechnet zu Dante und nicht zu Francesco Petrarca oder Giovanni Boccaccio oder auch zu den ebenfalls weltberühmten bildenden Künstlern Michelangelo Buonarroti und Leonardo da Vinci? Genoss Dante in ihrer neuen Heimat größeres Ansehen? Erschien ihnen dessen weithin unbestrittener Ruhm als bestes Gegenmittel gegen die Geringschätzung, die italienische Immigranten in den Gastländern erfuhren? Jedenfalls kommt es selten vor, dass eine Taverne, eine Eisdiele oder ein Restaurant außerhalb Italiens nach Petrarca oder Boccaccio benannt wird. Ein Café Dante oder eine Trattoria Dante doch schon, in München findet sich sogar ein Freibad dieses Namens. Auch Straßen werden in Städten außerhalb Italiens nach ihm benannt. Im Süden Brasiliens gibt es einen großen Platz, der in den 1920er Jahren im Zentrum von Caxias do Sul entstand. Der Anstoß zu der Praça Dante Alighieri, die mit einer Büste des Dichters versehen ist, ging von der dort ansässigen italienischen Gemeinde aus, aber die Stadt, in der ja nicht nur Italiener wohnten, gab eben ihr Placet. Selbst wenn man annimmt, Italiener trügen ihren Dante im Blut oder, wie man heute sagt, in den Genen: Wer ein Restaurant oder ein Café in einem fremden Land eröffnet und es nach Dante nennt, der wird nicht nur an den eigenen Nationalstolz denken. Er setzt darauf, dass der Name bei anderen eine Saite zum Schwingen bringt. Wer sich in den Vereinigten Staaten darauf beruft, aus dem Land Dantes zu stammen, oder in Frankreich von sich sagt, er spreche die Sprache Dantes, der rechnet fest damit, dass sein Gegenüber weiß, von wem die Rede ist. Dante ist eine Art kulturelles Kapital, das erstaunlicherweise auch in anderen Ländern zu Buche schlägt. Das Gegenüber muss deshalb keineswegs einer gebildeten Schicht angehören, deren Vertreter auf dem humanistischen Gymnasium lernten, Dante neben dem jüngeren Lyriker Francesco Petrarca und dem Novellenerzähler Giovanni Boccaccio zu den drei Kronen der italienischen Literatur zu zählen und als festen Bestandteil des westlichen Literaturkanons zu bewundern. Dante ist Akademikern nicht vorbehalten. Nur von wenigen Persönlichkeiten der europäisch-westlichen Geschichte kann man sagen, dass mit der Nennung ihres Namens eigentlich alles gesagt ist. Von dem Griechen Demosthenes wird im 19. Jahrhundert kolportiert, eine Frau habe einfach seinen Namen ausgesprochen, als wäre damit alles gesagt. Ähnlich selbstredend sind noch heute die Namen von Caesar und Napoleon, die weit über die Grenzen Europas hinaus – dank ihrer Armeen – bekannt sind. Verwunderlich ist es hingegen, wenn dies Schicksal ausgerechnet einem Dichter zuteil wird, der mit seiner Muttersprache arbeitet und ein hochkomplexes gereimtes Poem verfasst, wie das bei Dante der Fall ist. Davon zeugt etwa eine Geschichte, die 1884 in der osmanischen Zeitschrift Envâr-i Zekâ (Lichter der Intelligenz oder Lichter des Verstandes) abgedruckt wurde. Nach dem Tod des berühmten italienischen Poeten hätten sich alle Dichter – wer das war, wird nicht präzisiert, osmanische und arabische werden darunter gewesen sein – versammelt, um ihm ein Grabmal zu errichten. Jeder machte einen Vorschlag. Da man sich auf keine Inschrift einigen konnte, entschieden sich die Dichter zuletzt einstimmig dafür, ein einziges Wort ihm zu Ehren auf dem Grab anzubringen: Dante. Mehr war offenbar nicht nötig. Heute nimmt an der anhaltenden Verbreitung Dantes die Pop- und Werbe-Kultur regen Anteil. Wenn in Italien mit Dante für das Toilettenpapier Regina Reklame gemacht wird, wird das vielleicht nicht viele erstaunen. Kurios ist hingegen, wenn ein Tattoo-Studio in Polen auf Facebook 2017 mit dem muskulösen Arm eines Mannes für sich warb, auf dem in gotischen Lettern der letzte Vers der Inschrift auf Dantes Höllentor im Original eintätowiert war: «Lasciate ogni speranza voi ch’entrate». Die Klientel des Studios wird kaum aus Dante-Gelehrten bestanden haben. Kurios ist zudem, wenn die Göttliche Komödie durch die Manga des japanischen Zeichners Go Nagai geistert. Setzte er darauf, dass seine Leser den Namen Dante in Japan kannten? Oder gab er nur seiner persönlichen Begeisterung für die Illustrationen Gustave Dorés nach? Schon als Kind habe er sich, wie er 2013 der Zeitung La Repubblica verriet, an den Bildern in einer Ausgabe der Göttlichen...


Franziska Meier ist Professorin für Romanische Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Georg-August-Universität Göttingen und Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.


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