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E-Book, Deutsch, 426 Seiten

Meier Zu Tode verwahrt

Wer nicht gesteht, kommt nie mehr raus
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8301-1917-3
Verlag: Fischer, R. G.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wer nicht gesteht, kommt nie mehr raus

E-Book, Deutsch, 426 Seiten

ISBN: 978-3-8301-1917-3
Verlag: Fischer, R. G.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Wer nicht gesteht, kommt nie mehr raus«, dient dieser eindrücklichen wie erschreckenden Autobiografie als roter Faden, an dem Beat Meier seit 30 Jahren hängt.

Der Leser muss sich bei der Lektüre immer vergegenwärtigen, dass es sich nicht um einen Roman handelt, sondern um die Dokumentation einer unglaublichen Justiz-Odyssee und einer menschenverachtenden, populistisch-opportunistischen Schweizer Angst- und Hasspolitik, die der Bevölkerung die Unverzichtbarkeit einer 100%igen Sicherheit vor »potentiellen Straftätern« einhämmert. Es geht um enthemmten Boulevardjournalismus, dreiste Entgleisungen diverser Strafverfolgungsbehörden, um unbegrenzte Sicherheitsverwahrung aufgrund fragwürdiger Gutachten von Psychologen, Juristen und Politikern. Und es geht um den rücksichtslosen, traumatisierenden Umgang mit (angeblichen) Kinder-Opfern seitens der Strafverfolgungsbehörden, die dabei vorgeben, diese Kinder zu schützen.

Eine Geschichte, die berührt und die jedem so oder so ähnlich passieren kann – und das nicht nur in der Schweiz.

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Vorwort
Ich erzähle Ihnen, geehrte Leserschaft, hier eine Geschichte, die in mancher Hinsicht derart unwirklich klingt, als würden Sie sich in einem Roman voller Intrigen, Brutalität und Ohnmacht befinden. In derlei Romanen gibt es einen Protagonisten, den Helden sozusagen, dann gibt es den Gegner, Antagonist genannt, dazu kommen die dem Protagonisten wohlgesinnten Freunde, die als Side-Kick bezeichnet werden. Und irgendwann siegt der Protagonist heldenhaft. Tja. Nur ist diese Geschichte keine Fiktion. Sie ist wahr. Es ist meine Geschichte. Und ich, der »Held«, sitze heute noch im Gefängnis. Ein Anruf setzte sie in Gang, die tragische Wende zu meinem zukünftigen Leben. Er kam aus Deutschland und erreichte mich Ende März 1990 in der kleinen Mansardenwohnung meines Vaters. Zu ihr hinauf führte eine uralte enge Treppe; das dreistöckige Holzhaus war eines der ältesten in dem kleinen Dorf am Fuße des Pilatus, dem Wahrzeichen der Zentralschweizer Stadt Luzern. Viele Jahre lang hatte mein Vater die roten Triebwagen der Bergbahn mit wohl Hunderttausenden Touristen sicher zu der auf gut 2.100 Meter gelegenen Kulmstation hoch- und wieder runtergefahren. Die Zahnradbahn mit dem einzigartigen, von zwei Seiten greifenden »Locher«-Zahnsystem ist mit bis zu 48 Prozent Steigung die steilste der Welt. Nun war mein Vater längst pensioniert. Seit er alleine lebte – seine Haushälterin war vor ein paar Jahren gestorben – ließ er sich gehen. Als ich bei einem Besuch den Eindruck bekam, dass er vielleicht an beginnendem Alzheimer leiden könnte, zog ich vorübergehend bei ihm ein, um für ihn da zu sein und seinen Haushalt auf Vordermann zu bringen. Vorläufig wollte ich bleiben, bis sich sein Zustand entweder besserte, oder aber entsprechende professionelle Hilfe nötig sein würde. Das nur kurz zu meinem Vater. Ich kannte den Anrufer seit Jahren. Es war höchst ungewöhnlich, dass er anrief, denn sonst verlief unser Kontakt fast nur schriftlich. Wie viele andere war auch er von mir über meinen vorübergehend geänderten Aufenthaltsort inklusive der Telefonnummer meines Vaters informiert worden. Und nun teilte mir Hubertus Horn1, so hieß der Deutsche, in wenigen Worten den Grund seines Anrufes mit. Er wollte seine neue Bekanntschaft, eine Frau Bachwiese in der DDR, nach bisherigem Austausch feuriger Liebesbriefe erstmals besuchen und bat mich, ihn zu fahren. Aufgrund meines früheren Berufes als Fernfahrer wusste er, dass ich spontane lange Fahrten gewohnt war. Zudem konnte er sich als Rentner nicht so leicht eine Fahrkarte leisten. Doch es ging ihm um mehr. Er hatte Angst vor dem ersten Treffen. Fürchtete, die Frau könnte, wenn sie ihn erst mal in natura sähe, enttäuscht sein. Von seinem nicht unbedingt anmutigen Äußeren, seinem Bierbauch, der gedrungenen Figur, dem watschelnden Gang, der Glatze. Welche Ziele er in Wahrheit verfolgte, werde ich im Laufe der Geschichte erzählen. Hubertus hatte mich in einer schweren Zeit, wie ich es empfand, beispiellos edelmütig unterstützt, mir Mut zugesprochen, es mir so viel erträglicher gemacht und dafür war ich ihm sehr dankbar, versprach, wann immer er mich brauche, werde ich für ihn da sein. Was ich dabei noch nicht ahnte: Genau das war der verhängnisvollste Fehler meines Lebens … Das Ganze passierte im August 1984, ich war damals achtunddreißig Jahre alt. Der vierzehnjährige David aus England hatte mit seinem jüngeren Bruder schon mehrmals seine Sommerferien bei mir verbracht. Wir waren seit Jahren befreundet. Ich empfand es damals, an jenem drückend heißen Sommerabend wie Spielereien. Gegenseitige Zärtlichkeiten, Streicheleien. Reizungen schließlich, die bald auch den Intimbereich mit einbezogen und dann wohl meine anfängliche Scham besiegten. Was darüber hinausging, war tatsächlich ein »So tun, als ob«, in einer Stimmung schalkhaften Übermutes, ohne weitergehende echte sexuelle Kontakte. Davids jüngerer Bruder war bei alledem nicht mit einbezogen worden. Dennoch, es waren Grenzüberschreitungen, von mir allein zu verantworten, ohne Wenn und Aber. Und ich bereute mein Tun direkt im Anschluss in höchstem Maße und verwünschte mich für meine Übergriffe. Als es zu spät war. Es war zwar keine Spur von Gewalt im Spiel gewesen, nicht einmal Aufforderungen von mir zu irgendwas. Die Laissez-faire-Stimmung hatte mein Schamgefühl verdrängt. David schien doch durchweg ausgelassen, übermütig, sichtlich begeistert. Dennoch war es verboten, gesetzeswidrig, ohne Rücksicht auf mögliche Folgen, und das hatte ich doch, verflixt noch mal, gewusst. Dieser Abend im Sommer 1984 war das erste Mal, dass ich mich an einem Minderjährigen verging. Ausgerechnet ich hatte mich in verbotene Handlungen mit einem Minderjährigen eingelassen … und ich wusste augenblicklich, dass es gleichzeitig das letzte Mal sein würde. So sehr war ich damals ob meiner Unbekümmertheit, meiner Dummheit erschrocken. Hinterher. Ich bat David am darauffolgenden Morgen um Entschuldigung. Sagte, wir hätten nie … weißt du, das, was wir getan haben gestern Abend. Er war verwundert, meinte: »Wieso? Wir haben doch nur rumgealbert …« Ich erklärte ihm dann kleinlaut, dass so was für mich verboten sei und ich das nie wieder tun dürfe. Er wollte das nicht so recht verstehen, oder vielmehr den Ernst meiner Worte nicht akzeptieren. Ich beließ es dabei und bereitete unser Frühstück zu. Unsere Freundschaft blieb bestehen, David verbrachte zwei weitere Urlaube bei mir. Und ich besuchte ihn und seine Familie noch das eine und andere Mal in England, wenn ich ohnehin im Norden unterwegs war. Alles ohne weitere solche Vorkommnisse. Erst im Februar 1987 wurde ich vor einem Gericht in England schließlich doch noch verurteilt. Zu genau der Zeitspanne, die ich davor dort schon in Untersuchungshaft verbracht hatte: Ein Jahr. Daraufhin konnte ich unverzüglich in die Schweiz zurückkehren. Das war meine erste und einzige einschlägige Vorstrafe gewesen, für das erste und einzige Mal, bei dem ich meine Scham und meine Selbstachtung aufgab und dabei gegen das Gesetz verstieß, welches Minderjährige vor solchen Angriffen auf ihre sexuelle Integrität schützen soll. Die Anschuldigungen, die mir dann in England über meinen Pflichtverteidiger nach Monaten Untersuchungshaft schließlich dargelegt wurden, hatten mit meinem verbotenen Tun seinerzeit in Zürich überhaupt nichts zu tun, dennoch spielten die früheren Zürcher Strafuntersuchungen, ungeachtet deren ergebnislosem Abschluss, selbstverständlich eine Rolle2. Stattdessen sollte ich nun bei einem damals etwa ein Jahr zurückliegenden Besuch bei Davids Familie übergriffig gegen ihn und seinen jüngeren Bruder geworden sein. Mein Pflichtverteidiger klärte mich auf: Nach (damaligem) englischen Strafrecht durfte niemand auf britischem Gebiet für in einem Drittland begangene Straftaten verurteilt werden; gegebenenfalls könnte auf Verlangen des Drittstaates jemand an diesen zwecks dortiger Strafverfolgung ausgeliefert werden. An einem solchen Gesuch aber mangelte es den englischen Behörden in meinem Falle. Also mussten wohl Straftaten her, die ich angeblich in England begangen hatte, wofür mein Besuch im Jahr zuvor nun scheinbar die Gelegenheit bot. Bei einer Hotelübernachtung im Jahr vor meiner Festnahme sollen die behaupteten Übergriffe stattgefunden haben. David und dessen Schulfreund hatten mir damals den Weg zu einem günstigen Hotel gezeigt. Dessen Mutter hatte es mir empfohlen, nachdem ich beschlossen hatte, erst am nächsten Morgen wieder abzureisen. In diesem Hotel nun, so die irgendwie zurechtgelegte Geschichte der Strafverfolger, hätte ich die Übergriffe an den Buben verübt. Rücksichtslos. Bis in den späten Abend hinein. Doch ich hatte Glück und das gleich in verschiedener Hinsicht: Mein Pflichtverteidiger, der sich endlich anhörte, was an besagtem Abend in jenem Hotel tatsächlich geschah, zeigte sich plötzlich hochinteressiert. David und sein Schulfreund hatten mich zwar tatsächlich in meinem Auto zu jenem Hotel geführt, blieben jedoch nur so lange dort, bis ich an der Rezeption im Eingangsbereich eingecheckt hatte. Daraufhin brachte ich sie vereinbarungsgemäß unverzüglich wieder nachhause, wo das Abendessen auf sie wartete. Dabei soll ich laut Anklage in jener Nacht im Hotel stundenlang David und seinen jüngeren Bruder sexuell ausgebeutet haben. Einige Wochen vor der Gerichtsverhandlung suchte der Anwalt mich im Gefängnis auf und brachte mir gute Nachrichten: Sowohl die beiden Hotel-Aushilfen jenes Abends als auch einen der damals anwesenden Stammgäste habe er über den Hotelbesitzer ausfindig machen können und sie alle hätten meinen Bericht bestätigt und sich an jene Nacht und auch an mich, ohne Begleitung noch bis spät in der Hotelbar, erinnert. Ebenso an die Tatsache, dass die beiden mich damals zum Hotel begleitenden Buben nur am frühen Abend für wenige...


Beat Meier, geboren 1946 in der Schweiz, aufgewachsen bei Pflegeeltern, in Heimen und als Verdingbube, immer wieder schwer misshandelt, rudimentäre Grundschulbildung, weitgehend Autodidakt in allem, was er macht. Ende der 1960er-Jahre fährt er zeitweise zur See, arbeitet danach einige Jahre in den USA u. a. als Privatchauffeur diverser Berühmtheiten, kurzer Arbeitsaufenthalt in Israel, ab Beginn der 70er-Jahre in Europa, Afrika und dem Nahen Osten als Fernfahrer und Reisebusfahrer in Europa tätig, gegen Ende des Jahrzehnts in Australien, dort ebenfalls diverse Tätigkeiten. Ab 1983 wieder in Europa.
In dieser Autobiografie begleiten wir Beat Meier auf seiner Lebensreise, beginnend Mitte der 1980er-Jahre und sehen, wie aus dem umtriebigen Abenteurer und Selfmademan ein seit nunmehr 30 Jahren Weggeschlossener, Inhaftierter, Sicherheitsverwahrter geworden ist.



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