Melo-Pfeifer / Reimann | Plurale Ansätze im Fremdsprachenunterricht in Deutschland | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 12, 354 Seiten

Reihe: Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung

Melo-Pfeifer / Reimann Plurale Ansätze im Fremdsprachenunterricht in Deutschland

State of the art, Implementierung des REPA und Perspektiven
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-8233-0131-8
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

State of the art, Implementierung des REPA und Perspektiven

E-Book, Deutsch, Band 12, 354 Seiten

Reihe: Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung

ISBN: 978-3-8233-0131-8
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit dem Referenzrahmen für Plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen im Fremdsprachenunterricht (REPA) liegt ein Instrument vor, das für die Unterrichtskonzeption und Unterrichtsplanung wichtige Hilfestellungen bietet. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern wurde der REPA in Deutschland bisher eher zögerlich rezipiert dem versucht die vorliegende Veröffentlichung entgegenzuwirken, indem sie in zentrale Konzepte der Pluralen Ansätze für den Fremdsprachenunterricht einführt und die Instrumente und Datenbanken des REPA vorstellt und untersucht.

Prof. Dr. Daniel Reimann ist Professor für Fachdidaktik der romanischen Schulsprachen an der Universität Duisburg-Essen. Prof. Dr. Silvia Melo-Pfeifer ist Professorin für Didaktik der romanischen Sprachen an der Universität Hamburg.

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2 Grundbegriffe, Theorien und Modelle des Mehrsprachenerwebs
2.1 Grundbegriffe Einleitend seien einige Grundkonzepte zusammengefasst, die für die Mehrsprachen-Aneigneignung1 auf der Ebene des Individuums relevant sind. In den klassischen Werken der Mehrsprachigkeitsforschung, Interlinguistik und Die Mehrsprachigkeit des Menschen, lässt Mario Wandruzska individuelle Mehrsprachigkeit bereits mit einer Varietätenkompetenz in der Erstsprache einsetzen (z.B. diatopische Varietäten und Standard) (Wandruszka 1971, Wandruszka 1979). Er bezeichnet dies prägnant als „muttersprachliche Mehrsprachigkeit“ (Wandruszka 1979, 13, u.ö.) und stellt diese, neben dem Fremdsprachenlernen und der Sprachmischung, ins Zentrum seiner „Interlinguistik“ (konzise in Wandruszka 1971, 127-137). Pointiert kann man aus diesem Ansatz eine Dichotomie zwischen „innerer“ und „äußerer“ Mehrsprachigkeit ableiten, wobei „innere Mehrsprachigkeit“ bereits in der Erstsprache gegeben ist, „äußere Mehrsprachigkeit“ mit der Aneignung der ersten weiteren Sprache einsetzt (cf. Roche 2013, 186). Dieser Ansatz legt es weiterhin nahe, im Kontext der Mehrsprachigkeitsdidaktik auch eine rezeptive Varietätenkompetenz in der Zielsprache als Lernziel zu formulieren (cf. z.B. Reimann 2011, 2016b und 2017). Rosemary Tracy definiert in ihrem Beitrag „Mehrsprachigkeit: Vom Störfall zum Glücksfall“ (Tracy 2014) unter Berufung auf andere Autoren Mehrsprachigkeit wie folgt: „als mehrsprachig oder bilingual [...] darf gelten, wer regelmäßig mehr als eine Sprache verwendet (Grosjean 2008, S. 10) und in der Lage ist, in allen seinen Sprachen Alltagsgespräche zu führen („at least casual conversations on everyday topics in a second language“; Myers-Scotton 2006, S. 65). Während die letzten beiden, von Grosjean und Myers-Scotton angesetzten Kriterien in jedem Fall zu übernehmen sind, wird im vorliegenden Beitrag „Mehrsprachigkeit“ in Abgrenzung zu Bilinguismus erst als mit der dritten individuell verfügbaren Sprache einsetzend definiert. Die „Grade der Aktivierung“ verschiedener sprachlicher Systeme bezeichnet Tracy in Anlehnung an Green 1998 mit den Begriffen „ausgewählt“, „aktiv“ und „schlafend“ (Tracy 2014, 19): die „ausgewählte“ Sprache ist gerade im Einsatz, „aktiv [...] sind diejenigen Sprachen, die prinzipiell einsatzbereit sind“ (ibid.), „schlafend [sind] sprachliche Ressourcen, die möglicherweise seit Längerem nicht benötigt wurden und für deren Reaktivierung und flüssige Verwendung man erst einmal etwas mehr Zeit benötigt“ (ibid.). Sprachen, die regelmäßig verwendet werden, koaktivieren sich gegenseitig (op. cit., 31), Übergänge sind punktuell nicht zuzuordnen (op. cit., 27, z.B. bei Deutsch und Italienisch in). In Bezug auf die Chronologie der Sprachaneignung kann man grundsätzlich zwischen simultanem und sukzessivem Mehrsprachenerwerb unterscheiden (Müller et al. 2011, 15). Differenzierter im Hinblick auf die Entwicklung mehrsprachiger Biographien ist die Unterscheidung zwischen folgenden Typen der Sprachaneignung: Abb. 2: Typen der Sprachaneignung Simultaner Mehrsprachenerwerb kann nach Romaine 1995 (181sqq.) mit Müller et al. 2011, 48sqq. und Cantone/Di Venanzio 2016, 41sq. auf folgende sechs Arten erfolgen, die hier tabellarisch zusammengefasst werden: Sprache im Umgang mit dem Kind von: Elternteil 1 Elternteil 2 Umgebung Anmerkungen Typ 1 L x (= Erstsprache von Elternteil 1) L y (= Erstsprache von Elternteil 2) L x oder L y „one person one language“ oder „EPES“ (eine Person, eine Sprache) Typ 2 L x (= Erstsprache von Elternteil 1 und Elternteil 2) L x (= Erstsprache von Elternteil 1 und Elternteil 2) L y Beide Eltern haben dieselbe Erstsprache, die eine andere ist als die Umgebungssprache. Typ 3a L x (= Erstsprache von Elternteil 1) L y (= Erstsprache von Elternteil 2) L y Die Sprache eines Elternteils ist Umgebungssprache, die andere Sprache (hier L x) wird als Familiensprache verwendet. Typ 3b L x (= Erstsprache von Elternteil 1) L y (= Erstsprache von Elternteil 2) L y Die Sprache eines Elternteils ist Umgebungssprache, diese (hier L y) wird als Familiensprache verwendet. Typ 4 L x L y L z simultaner Mehrsprachenerwerb Typ 5 L x (= Fremdsprache für Elternteil 1) L y (= Erstsprache von Elternteil 1 und Elternteil 2) L y Ein Elternteil wählt eine Fremdsprache (Bildungssprache, L z), um Kind zweisprachig zu erziehen. Typ 6 L x und L y L x und L y L x und L y Beide Elternteile sind in einem Kontext der Diglossie bilingual (z.B. Elsaß, Südtirol) Tab. 1: Typen des simultanen Mehrsprachenerwerbs Bezüglich des komplexen Diskurses über Formen und Ausprägungen der Mehrsprachigkeit sei einführend auf Müller et al. 2011 sowie jüngst auf Bausch 2016 verwiesen, der die zahlreichen Klassifizierungsvorschläge bezüglich der Sprachfähigkeit resümierend folgende fünf Typen ansetzt, die hier tabellarisch zusammengefasst werden sollen (cf. Bausch 2016, 286sq.): Tab. 2: Ausprägungen mehrsprachiger Kompetenz Offensichtlich können bilinguale Kinder schon sehr früh zwischen den verschiedenen Sprachen unterscheiden: Bereits den frühesten Wortkombinationen im Alter von 18 Monaten kann man Hinweise darauf entnehmen, dass Kinder sehr wohl entscheidende Unterschiede zwischen ihren Inputsprachen erkennen und aktiv nutzen (Tracy 2014, 24). Charakteristisch für Bilinguale und Mehrsprachige ist der Wechsel zwischen den Sprachsystemen. Er wird als code mixing bzw. code switching bezeichnet. Die Übergänge in den Definitionen beider Phänomene sind teilweise fließend, mitunter wird code mixing auch als Oberbegriff verwendet. Enger greifende Definitionen bezeichnen code mixing als die eher improvisierte, eine punktuelle z.B. lexikalische Lücke in einer Sprache ausgleichende Anleihe an eine andere Sprache, code switching dagegen als den kompetenten, strategisch eingesetzten Wechsel zwischen den Sprachsystemen. So definiert z.B. Jeuk 2014: Beim Code-Mixing oder Borrowing werden Wörter, die in der einen Sprache nicht verfügbar sind, aus der anderen Sprache übernommen. Der Lerner greift auf ein Wort aus einer ihm bekannten Sprache zurück, wenn es ihm in der Zielsprache im Moment nicht zur Verfügung steht. [...] Beim Code-Switching wird in Abhängigkeit von der Situation, dem Interaktionspartner und dem Gesprächsthema gezielt und bewusst zwischen den beiden Sprachen gewechselt (Jeuk 2014, 34f., cf. Jeuk 2015, 44). Müller et al. 2015 definieren Code-Switching noch prägnanter als ein[en] Sprachstil, welcher auf struktureller, pragmatischer, psycholinguistischer und soziolinguistischer Ebene beschrieben werden muss. [...] Sprecher, die vom Code-Switching Gebrauch machen, können sich in beiden Sprachen ´monolingual´ verhalten. Das Code-Switching entsteht nicht aufgrund eines Kompetenzmangels (Müller et al. 2015, 24sq.). Tracy spricht hier anschaulich von „Polyphonie“ in dem Sinne, dass „die Mischung selbst zusätzlich zu der Bedeutung von Sätzen und Äußerungen wie eine zweite Tonspur Information über SprecherInnen und ihre jeweiligen kommunikativen Intentionen mitliefert“ (Tracy 2014, 26). Eine neue Perspektive auf Sprachmischung durch mehrsprachige Individuen wird in der Theorie des translanguaging nach García und Wei formuliert, die, u.a. in Anlehnung an das Konzept der transculturación von Fernando Ortiz, betont, dass das Phänomen des code-switching im Sinne einer individuellen, kreativen Verbindung verschiedener verfügbarer Sprach- und Zeichensysteme im Vergleich zum Monolinguismus zu neuen, vielfältigeren Ausdrucksmöglichkeiten führt (García/Wei 2014, z.B. 22). Aus linguistischer Perspektive werden solche Phänomene von einer „Migrationslinguistik“ zu beschreiben versucht. Im Konzept des „gelebten Kommunikationsraums“ (Krefeld 2004, 19) etwa wird das mehrsprachige Subjekt ins Zentrum des Interesses gerückt, insofern es durch sein (meta-) sprachliches Bewusstsein und seine kommunikative Praxis z.B. in der Verwendung von Varietäten sowohl seiner Erst- als auch der Umgebungssprache und / oder den Varietäten weiterer Interaktionspartner „kommunikative Räume“ konstruiert, die nicht mehr zwingend mit arealen oder territorialen...



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