E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
Merrill Wie entführt man einen Herzog
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7337-6729-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-7337-6729-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Einen wagemutigen Plan im Sinn, flieht Miss Penny Winthorpe gen Schottland: Den erstbesten Mann will sie heiraten, damit sie endlich über ihr Erbe verfügen kann, das ihr Bruder verschleudert. Da kommt ihr ein attraktiver Fremder, der vor ihre Kutsche taumelt, gerade recht. Bevor er wieder bei Sinnen ist, hat Penny ihren Plan umgesetzt. Zu spät erfährt sie, dass sie den Duke of Bellston entführt hat - ein Skandal! Doch warum will er an der Ehe festhalten? Warum schenkt er ihr einen wunderschönen Mondsteinring und besteht darauf, dass sie fortan als verliebtes Paar auftreten?
Christine Merril lebt zusammen mit ihrer High School-Liebe, zwei Söhnen, einem großen Golden Retriever und zwei Katzen im ländlichen Wisconsin. Häufig spricht sie davon, sich ein paar Schafe oder auch ein Lama anzuschaffen. Jeder seufzt vor Erleichterung, wenn sie aufhört davon zu reden. Seit sie sich erinnern kann, wollte sie schon immer Schriftstellerin werden, und während einer Phase, in der sie als Mutter zu Hause war, kam sie zu dem Entschluss: Es ist Zeit, ein Buch zu schreiben'. Dann könnte sie ihre Zeit selbst einteilen und müsste nicht mehr ins Büro fahren. Doch sie ahnte nicht, wie mühselig dieser Weg sein würde. Jahre später türmten sich Manuskripte und Ablehnungen auf ihrem Schreibtisch. Aber sie gab nicht auf, und schließlich entdeckte sie begeistert ihren ersten Roman in einer Buchhandlung. Wenn sie nicht schreibt, kann man Christine mit einer großen Tüte Popcorn im Kino finden. Aber nur, wenn der Film ein Happy End hat.
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1. KAPITEL
In der Bibliothek war es so still, dass Penelope Winthorpe deutlich hören konnte, was im Haus vorging. Gerade läutete es an der Vordertür. Sie legte ihr Buch beiseite, schob ihre Brille zurecht und strich mit den Händen glättend über ihren dunklen, einfach geschnittenen Rock. Dann erhob sie sich und ging langsam in Richtung der Eingangshalle.
Sie wusste, dass es sinnlos, ja, unter Umständen sogar nachteilig gewesen wäre, sich zu beeilen. Ihr Bruder hatte ihr mehr als einmal vorgeworfen, zu impulsiv zu sein und allzu oft zu vergessen, sich wie eine Dame zu benehmen. Wenn er sie rasch zur Tür laufen sähe, würde ihn das nur in seiner Überzeugung bestärken, dass zu viel Bildung und zu viel Einsamkeit ihr geschadet hätten.
Allerdings fiel es ihr schwer, ihre Ungeduld zu bezähmen, denn das Paket, auf das sie so sehnsüchtig wartete, hätte schon vor zwei Tagen kommen sollen. In Gedanken hielt sie es bereits in den Händen; hörte, wie das braune Papier, in das es eingeschlagen war, knisterte; ließ die Finger über die Schnur gleiten, mit der es verschlossen war. Sie würde diese Schnur gleich in der Eingangshalle durchschneiden, wo auf einem Beistelltisch stets eine Schere lag. Dann würde sie das Buch auspacken, es endlich berühren können. Sie stellte sich vor, wie sie den Duft nach frisch bedrucktem Papier tief einatmen, wie sie den ledernen Einband betasten und schließlich den in goldenen Buchstaben gedruckten Titel lesen würde.
Dann erst würde der beste Teil des Ganzen beginnen: Sie würde das Buch in die Bibliothek tragen und die Seiten aufschneiden. Sie würde sie ein wenig glatt streichen und so rasch umblättern, dass sie nur hier und da ein Wort entziffern konnte. Nicht einen einzigen Abschnitt würde sie lesen, dann das hätte womöglich die Vorfreude auf das Studium des Werks gemindert. Zu guter Letzt würde sie nach Tee läuten, sich in ihren Lieblingssessel am Kamin setzen und mit dem Lesen beginnen. Himmlisch!
Als Penelope in die Eingangshalle trat, fand sie ihren Bruder dort vor. Er war damit beschäftigt, die Post zu sortieren. Ein Paket schien nicht dabei zu sein.
„Hector, ist nichts für mich abgegeben worden? Ich hatte eigentlich schon früher mit der Lieferung gerechnet, aber …“ Sie zuckte die Schultern. „Vielleicht ist das Päckchen ja mit der heutigen Post eingetroffen?“
„Du wartest auf ein Buch?“ Er seufzte.
„Ja, auf die ‚Odyssee‘.“
Hector Winthorpe warf seiner Schwester einen kurzen Blick zu. „Die ‚Odyssee‘? Ach ja, die ist gestern abgeliefert worden. Ich habe sie an den Buchhändler zurückgeschickt.“
Ungläubig starrte sie ihn an. „Was hast du gemacht?“
„Das Paket zurückgeschickt. Ich weiß, dass du bereits eine Ausgabe der ‚Odyssee‘ besitzt. Es gibt also keinen Grund, Geld für eine zweite auszugeben.“
„Du irrst“, gab Penelope zurück. „Ich besitze nur eine englische Übersetzung, nicht aber das griechische Original.“
„Ein Grund mehr, das Buch zurückzuschicken. Es dürfte bedeutend leichter für dich sein, das Werk in deiner Muttersprache zu lesen.“
Sie atmete ein paar Mal tief durch und bemühte sich, bis zehn zu zählen, ehe sie etwas Unüberlegtes von sich gab. Sie war bei fünf angekommen, als sie sich nicht länger beherrschen konnte, und hervorstieß: „Die griechische Sprache bereitet mir keine Probleme. Ich lese sie fast so flüssig wie Englisch. Tatsächlich habe ich vor, eine eigene Übersetzung der ‚Odyssee‘ anzufertigen und zu veröffentlichen. Dazu brauche ich natürlich das griechische Original. Das wirst du sicher einsehen.“
Hector starrte sie an, als seien ihr plötzlich Hörner aus der Stirn gewachsen. „Es gibt genug gute Homer-Übersetzungen zu kaufen.“
„Aber keine davon wurde von einer Frau verfasst. Das heißt, bisher wurden beim Übersetzen niemals irgendwelche weiblichen Einsichten und Erkenntnisse berücksichtigt. Daher nehme ich an, dass meine Version eine ganze Reihe neuer Facetten des Originals zum Vorschein bringen wird.“
„Unsinn!“, fuhr ihr Bruder auf. „Die Welt braucht deine Einsichten und Erkenntnisse nicht, Penny. Das solltest du eigentlich wissen.“
Einen Moment lang fühlte Penelope sich entmutigt, denn die Erfahrung hatte ihr gezeigt, dass wirklich niemand Wert auf ihre Meinung legte. Doch dann straffte sie die Schultern und erklärte: „Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, der Öffentlichkeit zu beweisen, wie gut ich übersetzen kann. Ich bin fest entschlossen, zumindest einen Versuch zu machen. Und dazu brauche ich das Buch, das ich bestellt habe. Es kostet ja nur ein paar Pfund.“
„Hast du dir jemals klargemacht, wie viel Zeit du mit Lesen verschwendest?“
Hector, der selbst nur das Allernötigste las, betrachtete das Studium von Büchern grundsätzlich als Zeitverschwendung. Penelope konnte sich noch gut daran erinnern, wie unbehaglich er sich im Schulzimmer gefühlt und wie sehr er sich stets bemüht hatte, dem Unterricht so schnell wie möglich zu entfliehen. Ungeduldig hatte er auf den Tag gewartet, an dem ihr Vater ihm die Führung des Geschäfts überlassen würde. Penelope hatte nie begriffen, warum ein Mensch, dem so wenig an Büchern lag wie Hector, überhaupt den Wunsch verspürte, eine Druckerei zu leiten.
„Einige Menschen betrachten Lesen nicht als Zeitverschwendung, Hector. Für mich jedenfalls ist es das größte Vergnügen, das ich mir vorstellen kann.“
„Sich zu vergnügen ist nicht der Sinn des Lebens, Penny. Ich bin sicher, du kannst eine sinnvollere Beschäftigung finden.“ Er musterte seine Schwester eingehend. „Ich bin ganz zufrieden damit, dass du nicht so oberflächlich bist wie einige der jungen Damen, die sich nur dafür interessieren, wie sie sich möglichst schnell einen reichen Gatten angeln können. Aber statt mit Büchern, könntest du dich mit wohltätigen Werken beschäftigen. Glaubst du nicht, dass es gut wäre, dich um die Armen und Kranken zu kümmern?“
Sie biss die Zähne zusammen und begann erneut, lautlos zu zählen. Wohltätigkeit war sicher etwas sehr Wichtiges. Allerdings überließ Penelope es gern anderen, den Bedürftigen zu helfen. Sie selbst verbrachte ihre Zeit lieber in der Gesellschaft von Büchern als von Menschen. Im Umgang mit Letzteren war sie nämlich nicht besonders geschickt. Auch wusste sie, dass Damen, die sich wohltätigen Werken widmeten, im Allgemeinen jede Hoffnung auf einen Ehemann und auf eigene Kinder aufgegeben hatten. Sie galten als alte Jungfern. Und zu diesem Kreis zählte Penelope sich noch nicht. Oder war es womöglich doch an der Zeit, sich damit abzufinden, dass sie niemals heiraten würde?
Nun, sagte sie sich, wenn ich mich wirklich damit abfinden muss, ledig zu bleiben, dann kann ich das auch daheim tun, vor dem flackernden Kaminfeuer und in Gesellschaft von Homer.
Diesmal war es ihr gelungen, bis acht zu zählen, ehe sie herausplatzte: „Es ist keineswegs so, dass ich mich davor drücken möchte, etwas für die Gesellschaft zu tun. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass mein Beitrag genauso wertvoll ist, wenn ich ihn für die Wissenschaft leiste und nicht für die Kranken und Unglücklichen. Im Übrigen spende ich schon seit Längerem regelmäßig für die Kirche. Mein Geld ist eine größere Hilfe, als meine Arbeitskraft es je sein könnte. Niemand hat also einen Grund, sich über mich zu beklagen.“
Ihr Bruder schaute sie missbilligend an. „Im Gegenteil! Ich habe allen Grund, unzufrieden mit dir zu sein. Und ich wünschte, du würdest meine Beschwerden ernster nehmen. Schließlich hat unser Vater mir die Verantwortung für dich und dein Erbe übertragen.“
Sie seufzte. „Diese Regelung gilt nur bis zu dem Tag, da ich heirate.“
„Wir wissen beide, wie unwahrscheinlich es ist, dass dieser Tag je kommen wird. Ich fürchte, Penny, damit müssen wir uns beide abfinden.“
Da er sie von jeher für einen unverbesserlichen Blaustrumpf ohne Heiratschancen gehalten hatte, sollte das wohl heißen, dass jetzt auch sie sich damit abfinden musste.
„Es mag ja angehen, dass man sich eine Zeit lang nur für Bücher interessiert“, fuhr Hector fort – gerade so, als wolle er ihre Überlegungen bestätigen –, „aber ich hatte gehofft, du würdest diese unglückliche Vorliebe nach einer Weile überwinden. Natürlich erwarte ich nicht, dass du ein Vermögen für Kleider ausgibst, Schnittmustertafeln studierst und mit Freundinnen stundenlang über die Vorteile verschiedener Stoffe diskutierst. Aber du legst überhaupt keinen Wert auf dein Äußeres! Stattdessen füllst du deinen Kopf mit gänzlich unweiblichen Gedanken. Du glaubst, du müsstest zu allem eine eigene Meinung haben. Das, meine Liebe, ist völlig absurd! Und nun willst du auch noch Griechisch lernen!“
Sie starrte ihn an.
„Irgendwer muss diesem Unsinn ein Ende setzen“, verkündete Hector würdevoll. „Da du offenbar nicht zur Vernunft kommst, sehe ich mich gezwungen, ein Machtwort zu sprechen: Keine Bücher mehr, Penny! Jedenfalls nicht, ehe du nicht bewiesen hast, dass du bereit bist, dich wie ein erwachsener Mensch zu benehmen.“
„Keine Bücher mehr?“, wiederholte sie fassungslos. Ihr war, als fehle ihr plötzlich die Luft zum Atmen. Wahrscheinlich gab es eine Reihe von jungen Damen, die ähnlich schockiert waren, wenn ihr strenger älterer Bruder ihnen damit drohte, dass sie eine Zeit lang auf Besuche bei ihren Freundinnen sowie auf neue Kleider und Bälle würden verzichten müssen. „Das kannst du nicht tun!“, rief sie aus. Ohne die Werke ihrer geliebten Dichter...