E-Book, Deutsch, Band 18, 139 Seiten
Meule Diagnostik von Essverhalten
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8409-2991-5
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, Band 18, 139 Seiten
Reihe: Kompendien Psychologische Diagnostik
ISBN: 978-3-8409-2991-5
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Dr. Adrian Meule, geb. 1983. 2004-2009 Studium der Psychologie an der Universität Würzburg. 2009-2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Würzburg und Stipendiat im DFG-Graduiertenkolleg 'Verarbeitung emotional relevanter Reize: Von den molekularen Grundlagen zur Empfindung'. 2014 Promotion. 2014-2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum. 2015-2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im ERC-Projekt 'Transdiagnostic views on eating disorders and obesity and new approaches for treatment' an der Universität Salzburg. Seit 2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München und der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. Forschungsschwerpunkte: Essverhalten, Essstörungen, Adipositas.
Zielgruppe
Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten, Psychiater, Ernährungsberater, Ernährungswissenschaftler, Sportwissenschaftler, Praktiker, Forschende und Lehrende aus den Bereichen Gesundheitspsychologie, Klinische Psychologie, Sozialpsychologie, Differentielle Psychologie, Psychiatrie, Endokrinologie, die sich mit gesundem oder gestörtem Essverhalten beschäftigen.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Adipositas, Adipositastherapie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Essstörungen & Therapie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Ernährungsmedizin, Diätetik
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychotherapie / Klinische Psychologie
- Sozialwissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie Psychologische Diagnostik, Testpsychologie
Weitere Infos & Material
1;Vorworte und Inhaltsverzeichnis;7
2;1Einführung;14
2.1;1.1Geschichtliche Entwicklung essverhaltensbezogener Konzepte und Störungen;15
2.2;1.2Zum Aufbau dieses Buches;17
3;2Essstörungen und Adipositas;18
3.1;2.1Anorexia Nervosa;18
3.2;2.2Bulimia Nervosa;20
3.3;2.3Binge-Eating-Störung;22
3.4;2.4Weitere Essstörungen;24
3.5;2.5Adipositas;26
4;3 Erfassung von Essverhalten in Labor und Alltag;29
4.1;3.1Erfassung von Essverhalten im Labor;29
4.2;3.2Erfassung von Essverhalten im Alltag;31
5;4Selbstbeurteilungsverfahren;34
5.1;4.1Gezügeltes und emotionales Essverhalten;34
5.2;4.2Craving und suchtartiges Essverhalten;47
5.3;4.3Orthorektisches Essverhalten;61
5.4;4.4Intuitives Essverhalten;63
5.5;4.5Essstörungen;67
5.6;4.6 Spezielle Verfahren für das Kindes- und Jugendalter;84
6;5Interviewverfahren;90
6.1;5.1 Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-5-Störungen (SCID-5);90
6.2;5.2 Diagnostisches Interview bei;91
6.3;5.3Eating Disorder Examination (EDE);91
6.4;5.4 Strukturiertes Inventar für Anorektische und Bulimische Essstörungen: Interview für Experten (SIAB-EX);92
7;6 Weitere essverhaltensrelevante Konzepte;95
7.1;6.1Grazing;95
7.2;6.2Essensmotive;97
7.3;6.3Neophobie und Ekel;98
7.4;6.4Körperbild;99
7.5;6.5 Gewichtsbezogene Stigmatisierung und Diskriminierung;101
8;7Fallbeispiele;103
8.1;7.1Patientin A (Anorexia Nervosa);103
8.2;7.2Patientin B (Bulimia Nervosa);105
8.3;7.3 Patientin C (Nicht näher bezeichnete Essstörung, Adipositas);106
9;Literatur;110
10;Anhang;135
|16|2 Essstörungen und Adipositas
2.1 Anorexia Nervosa
Anorexia Nervosa (von griech. an- = ohne und órexis = Appetit) bezeichnet eine Essstörung, bei der die Nahrungsaufnahme stark eingeschränkt wird und eine dadurch erzielte Gewichtsabnahme in Untergewicht resultiert. Diese Gewichtsabnahme ist allerdings nicht durch eine körperliche Krankheit bedingt, sondern motiviert durch eine ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme bzw. davor, dick zu werden oder zu sein. Die eigene Figur bzw. das Körpergewicht werden dabei verzerrt wahrgenommen, sodass diese Angst trotz des Untergewichts weiter besteht. Betroffenen fehlt also die Einsicht bezüglich des Schweregrads des körperlichen Zustandes (vgl. Tabelle 1).
Es wird gemeinhin zwischen zwei Subtypen der Anorexia Nervosa unterschieden. Beim restriktiven Typus treten keine regelmäßigen Essanfälle auf. Der Gewichtsverlust wird durch eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme und/oder durch übermäßige körperliche Aktivität erzielt. Beim Binge-Eating/Purging-Typus treten wiederkehrende Essanfälle auf, die mit entsprechenden kompensatorischen Maßnahmen einhergehen, um einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken (z.?B. selbstinduziertes Erbrechen). Anders als bei der Bulimia Nervosa liegt hier aber auch ein signifikant niedriges Körpergewicht vor.
Die höchsten Inzidenzraten der Anorexia Nervosa zeigen sich im Jugend- und jungen Erwachsenenalter. Die 12-Monats-Prävalenz lag in einer deutschen Stichprobe von 14- bis 24-Jährigen bei 0.4?% (Nagl, Jacobi et?al., 2016). In einer repräsentativen Stichprobe von Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren in Deutschland betrug die 12-Monats-Prävalenz 0.8?% (Jacobi et?al., 2014, 2016). Es sind weit mehr Frauen als Männer betroffen; das Verhältnis beträgt etwa 10?:?1 (weiblich:männlich). Von allen psychischen Störungen weist Anorexia Nervosa die höchste Sterblichkeitsrate auf. Während sich diese zum größten Teil auf direkte medizinische Komplikationen aufgrund des Hungerns zurückführen lässt, besteht aber auch eine hohe Suizidrate (Zipfel, Giel, Bulik, Hay & Schmidt, 2015).
DSM-5 | ICD-11 |
Symptom2 | Symptom | Erläuterung |
A. Eine in Relation zum Bedarf eingeschränkte Energieaufnahme, welche unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Entwicklungsverlauf und körperlicher Gesundheit zu einem signifikant niedrigen Körpergewicht führt. Signifikant niedriges Gewicht ist definiert als ein Gewicht, das unterhalb des Minimums des normalen Gewichts oder, bei Kindern und Jugendlichen, unterhalb des minimal zu erwartenden Gewichts liegt. | Signifikant niedriges Körpergewicht (unter Berücksichtigung von Körpergröße, Alter und Entwicklungsstufe), das nicht durch eine andere gesundheitliche Einschränkung oder Nicht-Verfügbarkeit von Nahrung bedingt ist. |
|
B. Ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme oder davor, dick zu werden, oder dauerhaftes Verhalten, das einer Gewichtszunahme entgegenwirkt, trotz des signifikant niedrigen Gewichts. | Persistierende Verhaltensweisen, die die Wiedererlangung eines Normalgewichts verhindern und die typischerweise mit einer Angst vor einer Gewichtszunahme einhergehen. |
|
C. Störung in der Wahrnehmung der eigenen Figur oder des Körpergewichts, übertriebener Einfluss des Körpergewichts oder der Figur auf die Selbstbewertung oder anhaltende fehlende Einsicht in Bezug auf den Schweregrad des gegenwärtig geringen Körpergewichts. | Ein geringes Körpergewicht oder die Figur ist entscheidend für die Selbstbewertung oder dieses wird fälschlicherweise als normal oder sogar überhöht wahrgenommen. |
|18|2.2 Bulimia Nervosa
Bulimia Nervosa (von griech. boulimía = Ochsenhunger) bezeichnet eine Essstörung, bei der regelmäßige Essanfälle auftreten und die mit kompensatorischen Maßnahmen einhergehen, um einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken. Wenn die Betroffenen zwar das Gefühl haben, die Kontrolle über ihr Essverhalten verloren zu haben, die gegessene Menge aber nicht erheblich größer war als die Menge, die die meisten Menschen unter ähnlichen Umständen essen würden, spricht man von einem subjektiven Essanfall. Wenn sowohl ein Kontrollverlust erlebt wurde als auch die gegessene Nahrungsmenge außergewöhnlich groß war, spricht man von einem objektiven Essanfall. Bei den kompensatorischen Maßnahmen handelt es sich häufig um selbstherbeigeführtes Erbrechen, diese können aber auch andere Verhaltensweisen umfassen (vgl. Tabelle 2). Wie bei der Anorexia Nervosa haben Figur und Körpergewicht einen übermäßigen Einfluss auf die Selbstbewertung. Im Gegensatz zur Anorexia Nervosa sind die Betroffenen aber meist normalgewichtig oder leicht übergewichtig.
Auch bei der Bulimia Nervosa finden sich die höchsten Inzidenzraten im Jugend- und jungen Erwachsenenalter. Das mittlere Ersterkrankungsalter liegt allerdings etwas später als bei der Anorexia Nervosa (Steinhausen & Jensen, 2015). In der Studie von Nagl, Jacobi et?al. (2016) lag die 12-Monats-Prävalenz von 14- bis 24-Jährigen bei 0.3?%. In einer repräsentativen Stichprobe von Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren in Deutschland betrug die 12-Monats-Prävalenz 0.2?% (Jacobi et?al., 2014, 2016).