Mönter / Bormuth / Heinz | Religiöser Glaube und Spiritualität | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 177 Seiten

Mönter / Bormuth / Heinz Religiöser Glaube und Spiritualität

Wandel und Vielfalt aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-17-039184-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wandel und Vielfalt aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht

E-Book, Deutsch, 177 Seiten

ISBN: 978-3-17-039184-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



People=s faith determines both their personal understanding of the world and of themselves, as well as their place in society. In addition to traditional religions and individual spirituality, non-religious ideological belief structures and also liberal worldviews exist. Faith & understood as an elementary imaginative, affective and cognitive mixed function of the human psyche & therefore deserves greater attention in everyday psychiatric and psychotherapeutic practice. This volume discusses spirituality and the diversity of religious belief in today=s world both from the therapeutic point of view and in relation to its development in the history of humanity. It emphasizes the basic hypothesis that there is a ?reciprocal entanglement= of the poles of faith and knowledge relative to mental health and illness. In his plea for a tolerance of ambiguity in dealing with patients= religious worlds, the author reflects on cultural studies, medical and psychotherapeutic sources, and, last but not least, Karl Jaspers=s positions and analyses.

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1          Definitorische Vorbemerkungen zu Religion, Glauben und Spiritualität
    Die Welt des religiösen Glaubens und der Weltanschauungen, der religiösen Gemeinschaften und Kirchen, der Religiosität und Spiritualität, der Sekten und des Aberglaubens ist vielgestaltig und facettenreich. Zur Vermeidung grober Missverständnisse erscheinen einige definitorische Vorbemerkungen, wie die Begriffe in diesem Buch verwandt werden, unverzichtbar. Einleitend geht es um die Abgrenzung der Begriffe Religion, religiöser Glauben, Religiosität und Spiritualität. Es ist von Bedeutung, dass es eine allgemeinverbindliche Definition von »Religion« seitens der Religionen selbst und auch seitens der unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen nicht gibt; das macht deutlich, dass es bei der Religion und verwandten Begriffen um einen standpunkt- und kontextabhängig unterschiedlichen Verständigungsprozess und um Deutungen geht. Gut geeignet für eine in diesem Buch oft vergleichende resp. übergreifende Sicht der Religion resp. der Religionen erscheint die Definition von Peter Antes, dem langjährigen Präsidenten der International Association for the History of Religions. Antes begleitet den Berliner »Arbeitskreis Religion & Psychiatrie« seit erster Tagung in 2006. In seiner Definition von Religion weist Antes auf die Provenienz seiner aus dem christlich geprägten Kulturkreis hin und schreibt: Religion sei »seit der Aufklärungszeit eine übliche Bezeichnung für Weltanschauungen […], die verschiedene Dimensionen umfassen« (Lexikon des Dialogs 2016, S. 367). Es geht – so Antes – um a.  »eine kognitive (z. B. Vorstellungen vom Universum und von der Welt, Wertesystem, Glauben an die Existenz des Übernatürlichen), b.  eine affektive oder emotionale (d. h. religiöse Gefühle, Einstellungen und Erfahrungen), c.  eine instinktive oder verhaltensmäßige (z. B. Riten und soziale Bräuche wie Opfer, Gebete, Zauberformeln, Anrufungen), d.  eine soziale (z. B. Existenz einer Gruppe) und e.  eine kulturelle (z. B. Abhängigkeit der Religion von Zeit und Raum, von dem ökologischen, sozialen und kulturellen Umfeld)« (ebd., S. 367, Hervorhebung im Original). Die von Prof. Mehmet Kalayci (Islamisch-theologische Fakultät der Universität Ankara) in dem schon genannten Lexikon des Dialogs gegebene Definition von din (Religion) greift konkret auf Korantexte zurück; Kalayci schreibt: »Gott hat die Religion (din), auf die hin der Mensch von Natur aus angelegt ist […], in vollendeter Form geoffenbart […] und dabei den Gläubigen weder unlösbare Aufgaben noch Zwang auferlegt […]« (ebd., S. 368, Hervorhebung im Original). Din wird abgegrenzt von den Scharias, die die praktische Umsetzung der grundlegenden metaphysisch-ethischen und unveränderbaren Prinzipien von din in je Gemeinschaft unterschiedlicher und veränderbarer Weise vorgeben (vgl. ebd., S. 368–369). Die hier deutlich werdende starke Kontextabhängigkeit der Definitionen gilt grundsätzlich auch für das Selbstverständnis anderer Religionen. Dies ist ebenso für den Begriff »Glauben« zu berücksichtigen. Darauf weist der Berliner Religionswissenschaftler Hartmut Zinser kritisch hin, »wenn wir außereuropäische nichtchristliche Religionen Glauben nennen, auch wenn in diesen von Glauben nicht die Rede ist, sie sich selber vielmehr als Einsicht in Wahrheiten (Buddhismus) oder als Erfüllung der Pflichten gegenüber den Göttern (römische Religion) oder als Unterwerfung unter Gottes Willen (Islam) ansehen« (Zinser 2000, S. 5). Aufgrund unterschiedlicher Definitionen bestehen anhaltend unterschiedliche Auffassungen, welcher Bewegung, welchem geschichtlichen, gesellschaftlichen Phänomen überhaupt die Zuschreibung »Religion« zugestanden wird; markantestes Beispiel ist wohl der Konfuzianismus, der ohne Gottesvorstellung und ohne Jenseits auskommt. Unter dem nicht nur ökonomisch wichtigen Aspekt der rechtlichen Stellung und staatlicher Privilegien religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften ist in Deutschland die staatliche Anerkennung der Bezeichnung »Religionsgemeinschaft« auf Antrag (also entsprechend der Selbsteinschätzung) hin bedeutsam; Voraussetzung einer Anerkennung ist u. a., dass Kriterien wie »Einheit des Bekenntnisses«, »geistiger Gehalt«, »Gefügtheit« u. ä. erfüllt sind (vgl. hierzu Rademacher 2003, S. 603 ff.). Das ist nicht ganz konfliktfrei, da die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit eine inhaltliche Prüfung ja untersagt, worauf hier nur hingewiesen sei. »Der religiöse Glaube« dient diesem Buch als Titelgeber auch als inhaltliche Ausrichtung, da er auf den persönlichen Glauben als psychologisches Phänomen fokussiert. Er korrespondiert mit der formalen oder auch nur inneren Zugehörigkeit zu einer Religion in der oben wiedergegebenen Definition von Antes. Unterschieden wird, wie in Kap. 8 näher ausgeführt, u. a. zwischen dem persönlichen und dem kollektiven religiösen Glauben. Spiritualität, früher im Christentum oftmals als »Frömmigkeit«, im Islam und anderen Religionen u. a. auch als »Geistigkeit« verstanden, hat seine Herkunft nicht nur in den traditionellen großen Religionen, sondern auch in vielen religiösen Bewegungen der letzten Jahrzehnte. So wird Spiritualität von esoterischen Spezialanschauungen als Inhalt in Anspruch genommen wie der Begriff auch als Marketingprodukt auf dem Sinngebungsmarkt fungiert. Eine humanistische Spiritualität ohne Transzendenzbezug, die z. B. der Dalai Lama vertritt (mit grundlegenden menschlichen Werten wie Güte, Freundlichkeit, Mitgefühl und der liebevollen Zuwendung) sowie eine säkularisierte Spiritualität wie sie der Philosoph Thomas Metzinger mit seinem Konzept von »Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit« (Metzinger 2014) propagiert, erweitern den Begriff hin zu einem Sammelbegriff, dessen Aussage zunehmend unspezifisch erscheint. Andererseits hat der Begriff mit diesem sehr weit gefassten Verständnis aber Eingang auch in Resolutionen der Weltgesundheitsorganisation gefunden. »Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO 1998) ist dagegen jeder Mensch spirituell, weil er sich spätestens angesichts des Todes existenziellen Fragen stellen muss. […] Heute wird das Konzept Spiritualität weltweit als wichtiger Faktor für gesundheitliches Wohlbefinden angesehen und dient als anthropologische Kategorie, um die existenzielle Lebenshaltung insbesondere in Grenzsituationen zu beschreiben. Spiritualität kann als die Bezogenheit auf ein größeres Ganzes definiert werden, die inhaltlich entweder religiös (›Gott‹), spirituell (›Energie‹) oder säkular (›Natur‹) gefüllt wird« (Utsch 2020a, S. 53). Dieses Verständnis korrespondiert mit einem Statement von Albert Einstein zur Religiosität, was nun wiederum die begrifflichen Überschneidungen spiegelt, aber inhaltlich ob der poetischen Dimension dieses Genies der Naturwissenschaft zitiert sei: »Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen Streben in Kunst und Wissenschaft zugrunde. Wer dies nicht erlebt hat, erscheint mir, wenn nicht wie ein Toter, so doch wie ein Blinder. Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös« (Einstein 1932). Die beschriebene Unschärfe der Definitionen und ausdrückliche Kontextbindung kann nicht als Spezifikum des religiösen Bereichs angesehen werden; offenkundig ist sie auch als Ausdruck kategorial eben nicht unumstößlich präzise erfassbarer Phänomene der existenziell-essenziellen Wirklichkeit des Menschen anzusehen. So sollte sie nicht als Unzulänglichkeit oder gar Fehler missinterpretiert werden; bei allem wichtigen Bemühen um präzise Sachverhaltsbeschreibungen sollte das Verständnis von Unschärfe gerade als Ausdruck adäquater und souveräner Situationserfassung angesehen werden. Auch im Psycho-Bereich geht es nicht viel anders, wenn man auf die unterschiedlichen Verstehenskonzepte der Psychotherapie mit kaum noch vollständig erfassbarer Differenzierung der verschiedenen Psychotherapierichtungen wie auch der Psychiatrie und Psychosomatik mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln (biologisch, sozial, ethnologisch, kulturell, neurobiologisch, somatopsychisch u. a. m.) schaut. Auf...


Norbert Mönter, MD, neurologist, psychiatrist, psychotherapist and psychoanalyst, founded the Association for Psychiatry and Mental Health and has for many years chaired the interreligious working group ?Religion and Psychiatry=, as well as the annual Berlin Colloquia on Religious Studies and Psychiatry.



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