E-Book, Deutsch, 360 Seiten
Müller Die Herren der Wüste
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-5280-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dreihorn
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-3-7534-5280-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nach einer turbulenten und schicksalsträchtigen Reise ist Karawanenführer Arkeen mit seinen Gefährten in Schaar eingetroffen. Dort muss er feststellen, dass die Stadt in einem Sumpf aus Gier und Missgunst versinkt. Darüber hinaus beschäftigen ihn seine Gefühle für Senashad, der Hexe, die sein Herz gestohlen hat - und das Schicksal seiner verlorenen Schwester. Während Arkeens Bruder Quendor in Warnack mit einer weitreichenden Verschwörung konfrontiert wird, stattet Arkeen dem Fürsten von Schaar einen Besuch ab. Dabei wird offensichtlich, dass der Karawanenführer immer mehr zum Spielball undurchsichtiger Mächte gerät. Den Gefährten bleibt nur ein Ausweg: Die Flucht aus der Stadt und die Reise zum berüchtigten Turm der Götter - dem Dreihorn ... DIE HERREN DER WÜSTE - DREIHORN ist der zweite Teil eines fantasiereichen Wüstenepos. Der dritte Teil erscheint voraussichtlich 2022.
Der Autor schreibt seit seiner Jugend Kurzgeschichten und Romane in den Genres Thriller, Fantastik, Sci-Fi und Satire. Daneben ist er in den kreativen Bereichen Gesang, Film und Fotografie aktiv. Sein Lebenselixier braut er aus täglichem Sport, der Natur, seinen Träumen und Sonnenlicht. Hauptberuflich arbeitet er als Waldbrandforscher an der Universität für Bodenkultur in Wien. Der Autor ist Preisträger des Hamburger Schloss-Schreiber-Stipendiums. Sein Kitzbühel-Thriller KABINE 14 wurde für den Friedrich-Glauser-Preis, Sparte Debütroman nominiert. Mehr Informationen finden Sie unter: https://blog.mortimer-mueller.at
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1 ~ Schaar
Arkeen? Kannst du mich hören?« Die Stimme drang von weiter Ferne an sein Ohr. Arkeen hatte das Gefühl, als erwache er aus einem intensiven Traum; einem von der Sorte, der auch Minuten nach seinem Verblassen das Gefühl vermittelte, real gewesen zu sein. Träge öffnete Arkeen die Augen. Er lag auf dem Rücken, starrte in den Nachthimmel empor. Über ihm glitzernden die Sterne und das milchige Weiß des annähernd runden Fahlmondes erhob sich über die Hausdächer. Bogorans hart geschnittene Gesichtszüge tauchten über ihm auf, gefolgt von Bazibbs spitzohrigem Antlitz. Die Augen des Feuerkobolds waren weit aufgerissen und auch im Blick des Kriegers erkannte Arkeen Besorgnis. »Geht es dir gut?«, fragte Bogoran und musterte seinen Freund von oben bis unten. »Was’n los?« Arkeen merkte, dass seine Stimme belegt klang, als hätte er zu viel Akazienbier getrunken. Er versuchte, sich in eine sitzende Position aufzurichten, was ihm aber erst mit tatkräftiger Unterstützung von Bogoran gelang. »Das würde uns auch interessieren.« Bazibbs Stimme klang nervös und piepsig. »Du bist zur Steinsäule erstarrt, deine Augen sind glasig geworden, alles Blut ist aus deinem Gesicht gewichen und – rums! – bist du zu Boden gegangen.« »Ich bin was?« »Umgefallen. Steif wie ein Brett. Oder eher wie eine Statue. Ich habe starke Magie gespürt, aber konnte nichts erkennen. Was ist passiert?« Arkeen schüttelte verwirrt den Kopf. »Tut mir leid, ich kann mich nicht …« Da fiel es ihm wieder ein. Die Gestalt von der Düne. Ihre perlmuttfarbene Kutte. Augen, so hell und gleißend wie Seelensalz. Ein Gesicht, das keines war. Die Stimme in seinem Kopf. Die Stimme einer Frau. Arkeen fuhr zusammen und warf einen hastigen Blick in die Runde. Aber von einer düsteren, mit einer Kutte bekleideten Gestalt war nichts zu sehen. »Ich … habe jemanden gesehen«, stieß Arkeen hervor. »Es war eine Frau … glaube ich. Es war dieselbe Kuttengestalt, die ich draußen in der Wüste erblickt habe. Sie ist direkt vor mir gestanden, hat mich an der Stirn berührt.« Arkeen erzählte, was ihm von seiner Begegnung mit der Unbekannten in Erinnerung geblieben war. Noch während er sprach, verdüsterten sich Bogorans Züge. »Eine Magierin«, sagte der Krieger. »Das ist nicht gut.« »Ja«, pflichtete ihm Bazibb bei. »Eine Manifestation, die mir verborgen bleibt, kann nur von einer Meisterin geschaffen werden. Sie hat ihren Geist an einen anderen Ort projiziert.« »Du meinst, sie war nicht real?«, fragte Arkeen. »Wie definierst du, was Wirklichkeit ist?« Bazibb ließ einen Funken zwischen seinen Fingern kreisen. »Sie hat keine physische Gestalt angenommen, falls es das ist, worauf du hinauswillst. Aber eine Magierin kann Kraft ihrer Gedanken ein anderes Bewusstsein berühren – oder jemanden töten.« »Sie hat gesagt, dass mich die Götter manipulieren wollen«, murmelte Arkeen. »Über meine Träume.« Bogoran schnaubte und stieß ein kurzes, abgehacktes Lachen aus; eine ungewöhnliche Gefühlsregung für den stets beherrschten Krieger. »Es ist wohl eher die Magierin, vor der du dich in Acht nehmen solltest. Diese Widerschein sind wie das Sumpffieber. Haben sie dich erst mal mit ihren giftigen Worten infiziert, kann dich kaum etwas aus ihren Klauen befreien.« »Sie hat auch behauptet, dass ich in Gefahr bin«, fuhr Arkeen leise fort. »In Lebensgefahr. Aber ich soll überleben, weil … weil ich ihr gehöre.« »Da haben wir es.« In Bogorans Augen erglomm ein wildes Feuer. »Glaub kein Wort von dem, was sie dir gesagt hat. Je mehr du darüber nachdenkst, desto mehr gerätst du in ihren Bann – bis du ihr am Ende tatsächlich verfällst.« »Ich weiß nicht einmal, wer diese Magierin war«, wandte Arkeen ein. »Da gibt es nicht viel Auswahl. Widerschein mit den Fähigkeiten, wie du sie beschrieben hast, existieren nur vier oder fünf. Die mächtigsten Magierinnen dienen den mächtigsten Fürsten. Also muss sie aus Rongar, Harm, Shatar oder Bar’chalom stammen.« Arkeen durchzuckte der Gedanke, weshalb Bogoran so viel über die Zauberinnen wusste. Erfahrungen mit Widerschein waren rar. Sie verbargen ihre Fähigkeiten und die Hintergründe ihrer Existenz vor Außenstehenden. Selbst die Fürsten behaupteten, kaum etwas über sie zu wissen. Waren Bogorans Kenntnisse darin begründet, dass er einst mit einer Widerschein liiert gewesen war? »Weshalb sollte sich eine dieser Magierinnen mit mir, einem einfachen Karawanenführer, abgeben?« Es war Bazibb, der antwortete: »Erinnerst du dich an die Banshee in Kunahn?« Arkeen seufzte. »Natürlich. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen.« »Sie hat dich als Gezeichneter angesprochen.« »Und? Willst du wie Eglan behaupten, dass ich ein Schattenflüsterer bin?« »Nein.« Bazibb schüttelte so heftig den Kopf, dass seine Spitzohren wie Ledertücher hin und her flogen. »Das glaube ich nicht. Aber ich hab gehört, dass Gezeichneter unter magischen Wesen für Menschen verwendet wird, die eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben.« »Und welche Aufgabe soll das sein?« »Keine Ahnung.« Bazibbs Ohren sanken nach unten. »War nur so ein Gedanke. Vielleicht bin ich auch am Wasserweg.« Sie schwiegen eine Weile, bis Arkeen des Grübelns überdrüssig wurde und sich – diesmal ohne Bogorans Hilfe – aufrichtete und den Staub von seinen Kleidern klopfte. Immerhin waren seine Kopfschmerzen verschwunden. Stattdessen fühlte er sich ermattet und ausgelaugt, als wäre er für den Buchhalter seines Bruders eingesprungen und hätte sich eine Nacht lang nur mit Zahlen beschäftigt. Arkeen verdrängte die Erinnerungen an sein Erlebnis mit der Magierin und holte tief Luft. »Im Moment finden wir keine Antworten auf unsere Fragen. Also lasst uns sehen, dass wir die Zeit sinnvoll nutzen.« »Was willst du tun?« Bazibb neigte eines seiner Ohren zur Seite, bis es waagrecht vom Kopf abstand. »Ich werde morgen wie geplant dem Fürsten Bericht erstatten und ihn von der Gefahr durch die Kadrass überzeugen. Danach begeben wir uns auf die Suche nach meiner Schwester. Aber davor haben wir noch etwas anderes zu erledigen: Wir retten einer Morganafee das Leben.« Bogorans Lippen kräuselten sich zu der Andeutung eines Lächelns. »Nach der Geschichte mit Senashad dachte ich schon, dass dir Mut und Ehrgefühl völlig abhandengekommen sind.« Arkeen erwiderte das Lächeln. »Noch nicht ganz, mein Freund. Noch nicht ganz.« ~ »Ihr sucht Tzasula?« Die greise Frau kratzte sich am verlausten Hinterkopf. Ihre kleinen, trüben Augen musterten Arkeens Gestalt, wanderten über sein verstümmeltes Ohr und die auffällig geschwungene Narbe an seinem Kinn. Dann fiel ihr Blick hinter den Karawanenführer. Sie betrachtete ebenso aufmerksam Bogorans breitschultrige, muskulöse Gestalt und die Griffe der beiden Krummschwerter, die über seinem Rücken emporragten. Als Bazibb ins flackende Licht der Laterne trat, weiteten sich ihre Augen und die Trübung darin verschwand. »Ein Feuerkobold«, raunte die Alte mit einer Stimme, die rau und krächzend klang wie die Laute eines Narbengeiers. »Is’ lang her, dass ich einen gesehen hab.« »Kennst du nun den Weg oder nicht?« Arkeens Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren gereizt. Aber nach dem heutigen Tag war das auch kein Wunder. »Klar kenn’ ich ihn.« Die gebrechlich wirkende Frau fixierte Arkeens Gesicht. Ein listiges Grinsen erschien unter den zahlreichen Falten auf ihren Zügen. »Die alte Mara kennt jeden Weg in Schaar, oh ja, jeden. Aber ihr solltet wissen, dass auch der geringste Dienst eine Gegenleistung verlangt.« Arkeen unterdrückte ein erbostes Schnauben, griff nach seinem Geldbeutel und warf der hockenden Alten ein Zehnkreuzerstück in den Schoß. Die greise Bettlerin linste nur kurz auf das Geldstück und richtete ihren Blick sogleich wieder auf Arkeen. »Ihr seht bestimmt, edler Herr, dass mein Zustand nicht der beste ist.« Ihr Grinsen wurde breiter. »Gebt mir einen Taler, dann reicht es grad für zwei warme Mahlzeiten.« »Wir gehen«, sagte Arkeen und wandte sich ab. »Schon gut«, lenkte die Alte ein und wedelte mit ihrer gichtgebeugten Hand. »Gebt mir fünfzig Kreuzer, das tut euch nicht weh, und ihr erfahrt, was ihr wissen wollt.« »Zwanzig Kreuzer.« Arkeen kramte eine weitere Münze hervor und warf sie der Bettlerin hin, die das Geldstück aus gepresstem Fließsand mit überraschend flinken Fingern...