Müller | Klett Lektürehilfen - Georg Büchner, Lenz | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 7, 128 Seiten

Reihe: Klett Lektürehilfen

Müller Klett Lektürehilfen - Georg Büchner, Lenz

Interpretationshilfe für Oberstufe und Abitur
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-12-923988-9
Verlag: Klett Lerntraining bei PONS Langenscheidt GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Interpretationshilfe für Oberstufe und Abitur

E-Book, Deutsch, Band 7, 128 Seiten

Reihe: Klett Lektürehilfen

ISBN: 978-3-12-923988-9
Verlag: Klett Lerntraining bei PONS Langenscheidt GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Literatur verstehen und interpretieren

Georg Büchners 1839 postum veröffentlichtes, nicht abschließend überarbeitetes Erzählfragment Lenz zeichnet den Weg des Sturm-und-Drang-Autors Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792) vom kurzen Aufenthalt bei dem elsässischen Pfarrer Johann Friedrich Oberlin (1740-1826) im Januar/Februar 1778 bis zum Abtransport nach Straßburg nach. Mit innovativen Erzähltechniken ermöglicht Büchner dem Leser, die fortschreitende psychische Erkrankung der Hauptfigur vor allem durch die Auflösung der Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt mitzuerleben. Als Quelle diente ihm eine Druckfassung des Berichts, den Oberlin unmittelbar nach Lenz' Aufenthalt verfasste.

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Thematische Aspekte
Zentrum des Interesses bildet in Büchners Erzählung das bedrohte und leidende Ich der Zentralfigur Lenz, genauer der „Welt- und Wirklichkeitszerfall des metaphysisch Entwurzelten“ (Schmidt 1985, S. 49), dessen Weg von relativer Hoffnung über den Wechsel von tröstlichen und bedrohlichen Anwandlungen bis zum seelischen Erlöschen verfolgt wird. Es ist ein Weg in den Wahnsinn, der zunächst als Gefahr aufblitzt und dann als Zustand eintritt. Rettende Mächte säumen den Weg, und zwar zum einen in Form der Religion, die dem leidenden Menschen Halt verspricht, zum anderen in Form der Kunst, die als Formulierung und Fixierung der Wirklichkeit Entlastung bieten könnte. Der Entwicklungsgang spiegelt sich insgesamt in den Naturbildern, die das Ganze der Erzählung in reicher und differenzierter Ausgestaltung begleiten, von den machtvoll aufgewühlten Gewalten des Beginns bis zu der tödlich starren und kalten Szenerie des Endes. Die verschiedenen thematischen Schwerpunkte des Werks weisen also untereinander einen engen Sinnzusammenhang auf. Natur
Funktion und Entwicklung der Naturbilder Naturbilder als Spiegelung seelischer Zustände Vergleich mit Goethes Werther Spannungsvolles Kräftespiel zu Beginn Zustand der Starre am Schluss Die Erzählung Lenz bietet unmittelbar nach ihrem Beginn und unmittelbar vor ihrem Ende je ein grandioses Naturbild, ja sogar ein Naturpanorama; denn es handelt sich in beiden Fällen nicht um einen einzelnen Eindruck oder Ausschnitt der Natur, sondern um ein weiträumiges Gesamtbild: „Anfangs drängte es ihm in der Brust, wenn das Gestein so wegsprang, der graue Wald sich unter ihm schüttelte, und der Nebel die Formen bald verschlang, bald die gewaltigen Glieder halb enthüllte; es drängte in ihm, er suchte nach etwas, wie nach verlornen Träumen, aber er fand nichts. Es war ihm alles so klein, so nahe, so naß, er hätte die Erde hinter den Ofen setzen mögen, er begriff nicht, daß er so viel Zeit brauchte, um einen Abhang hinunter zu klimmen, einen fernen Punkt zu erreichen; er meinte, er müsse Alles mit ein Paar Schritten ausmessen können. Nur manchmal, wenn der Sturm das Gewölk in die Thäler warf, und es den Wald herauf dampfte, und die Stimmen an den Felsen wach wurden, bald wie fern verhallende Donner, und dann gewaltig heran brausten, in Tönen, als wollten sie in ihrem wilden Jubel die Erde besingen, und die Wolken wie wilde wiehernde Rosse heransprengten, und der Sonnenschein dazwischen durchging und kam und sein blitzendes Schwert an den Schneeflächen zog, so daß ein helles, blendendes Licht über die Gipfel in die Thäler schnitt; oder wenn der Sturm das Gewölk abwärts trieb und einen lichtblauen See hineinriß, und dann der Wind verhallte und tief unten aus den Schluchten, aus den Wipfeln der Tannen wie ein Wiegenlied und Glockengeläute heraufsummte, und am tiefen Blau ein leises Roth hinaufklomm, und kleine Wölkchen auf silbernen Flügeln durchzogen und alle Berggipfel scharf und fest, weit über das Land hin glänzten und blitzten, riß es ihm in der Brust, er stand, keuchend, den Leib vorwärts gebogen, Augen und Mund weit offen, er meinte, er müsse den Sturm in sich ziehen, Alles in sich fassen, er dehnte sich aus und lag über der Erde, er wühlte sich in das All hinein, es war eine Lust, die ihm wehe that; oder er stand still und legte das Haupt in’s Moos und schloß die Augen halb, und dann zog es weit von ihm, die Erde wich unter ihm, sie wurde klein wie ein wandelnder Stern und tauchte sich in einen brausenden Strom, der seine klare Fluth unter ihm zog.“ (S 7 f. / R 5 f.) „Gegen Abend waren sie im Rheinthale. Sie entfernten sich allmählig vom Gebirg, das nun wie eine tiefblaue Krystallwelle sich in das Abendroth hob, und auf deren warmer Fluth die rothen Strahlen des Abend spielten; über die Ebene hin am Flusse des Gebirges lag ein schimmerndes bläuliches Gespinnst. Es wurde finster, jemehr sie sich Straßburg näherten; hoher Vollmond, alle fernen Gegenstände dunkel, nur der Berg neben bildete eine scharfe Linie, die Erde war wie ein goldner Pokal, über den schäumend die Goldwellen des Monds liefen. Lenz starrte ruhig hinaus; keine Ahnung, kein Drang; nur wuchs eine dumpfe Angst in ihm, je mehr die Gegenstände sich in der Finsterniß verloren.“ (S 34 / R 30 f.) Diese beiden Gesamtbilder umfassen jeweils ganz gegensätzliche Lichtwerte von blendender Helligkeit bis zu schwärzester Finsternis, verschiedene Schärfegrade von diffuser Verschwommenheit bis zu schneidender Klarheit, schließlich auch eine gleichbleibende Farbskala, die über die Töne Rot, Blau, Silber (Beginn) und Gold (Ende) in verschiedener Intensität verfügt. Schon in dieser offensichtlich bis ins Einzelne künstlerisch kalkulierten Parallelität des „Natureingangs“ und des „Naturausgangs“ der Erzählung liegt ein zwingender Hinweis darauf, dass ein planender künstlerischer Wille Anfang und Ende des Textes umspannt, mag auch die überlieferte Textfassung des Erstdrucks in mancher Hinsicht zweifelhaft und fragmentarisch sein und vielleicht sogar Bruchstücke aus verschiedenen Arbeitsphasen versammeln (vgl. S. 69 ff.). Umso wichtiger werden von hier aus die Unterschiede der beiden einander entsprechenden Textstellen. Denn da beide Naturbilder nicht einfach vom Erzähler präsentiert, sondern deutlich als von Lenz erlebte Natureindrücke dargeboten werden, gibt ihre Verschiedenheit Aufschluss über dessen innere Verfassung am Beginn und am Ende des Aufenthalts in Waldbach. Das einleitende Naturbild gestaltet das, was Lenz’ Schicksal sein wird, nämlich den Zerfall der Wirklichkeit und den Verlust der Orientierung in der Welt. Dies erscheint jedoch noch als Gefahr oder Bedrohung und nicht als zwangsläufig erreichter Endzustand. Dass die Erde plötzlich schrumpft und – „klein wie ein wandelnder Stern“ – ihre gewohnte Dimension verlässt, dass das Ich dabei ins Überdimensionale wächst und „alles in sich fassen“ möchte – das ist hier noch plötzliche Anwandlung und nicht immer wiederkehrende Zwangsvorstellung. Das mehrfach genannte „Drängen“ in Lenz’ Innerem beweist, dass sich noch Unruhe, Kampf und Widerstand in ihm regen. Der weitgespannte Schlusssatz mit den gewaltig ausholenden „wenn“-Perioden (S 7.22–8.15 / R 5.21–6.13), in dem die einleitende Schilderung gipfelt, zeigt wie ein seelisches Schlachtengemälde, mit welcher Anstrengung das Ich noch Gegenwehr leistet, Ordnung und Überschau bewahren will. Es ist übrigens ein Satz, der sich geradezu als Gegenstück zu einem ähnlich berühmten Satz im Brief vom 10. Mai aus Goethes Die Leiden des jungen Werthers (1774 und 1787) liest. Dort heißt es: „Wenn das liebe Thal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsterniß meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligthum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannichfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen, näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; mein Freund! wenn’s dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhn, wie die Gestalt einer Geliebten; dann sehne ich mich oft, und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes!“ (Goethe 1774, zit. nach: Luserke [Hrsg.] 1999, S. 13) Allerdings gestaltet Büchner sein Seelenbild noch spannungsvoller als Goethe: Werther hat zwar mit Büchners Lenz das gestörte Verhältnis zur Welt gemeinsam, doch behält er im obigen Zitat gerade noch den Überblick über seine Welt der bedrängenden Fülle in der Hinwendung vom Umfassenden zum Einzelnen und der Rückwendung zu dem alles beherrschenden göttlichen Geist. Dagegen wird bei Lenz der Weg in die Selbstzerstörung viel konkreter geschildert. Immerhin deuten sich hier auf der bildlichen Ebene mit „Wiegenlied und Glockengeläute“ noch mögliche rettende Instanzen der kreatürlichen und religiösen Geborgenheit an. Und die auffällig dicht einbezogenen akustischen und taktilen Sinneseindrücke garantieren noch einen fast erdhaften Kontakt mit einer vielstimmigen, sinnlich greifbaren Welt. Ganz anders – bei aller Vergleichbarkeit der einzelnen Elemente – wirkt dann das abschließende Naturbild auf den Leser. Die Naturwirklichkeit erscheint hier als ein geisterhaftes Schauspiel und ist auf unheimliche...


Udo Müller, langjähriger Gymnasiallehrer des Faches Deutsch. Federführung für das schriftliche Zentralabitur; in Baden-Württemberg.



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