E-Book, Deutsch, 128 Seiten
Müller Lieber Handkäs als Wörst Case
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7460-5435-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sentimentale Gedanken über eine wunderbare, anmutige Sprache in Not
E-Book, Deutsch, 128 Seiten
ISBN: 978-3-7460-5435-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn in einem 'Workshop' ein 'Keynote speaker' als 'Highlight' anhand einer 'Power-Point-Präsentation' und 'assisted by Handouts' in einer 'Dinner speach' die 'Unique selling points' des Unternehmens in einem 'coolen wording' vorträgt und sich an diese 'Performance' noch ein 'Get together' anschließt, bei dem 'homemade fingerfood' gereicht wird, dann können Sie sicher sein, dass dieses 'Top Event' mit größter Wahrscheinlichkeit in einem deutschen Unternehmen stattfindet. Dabei gehen immer, wenn gedankenlos oder aus Wichtigtuerei verständliche deutsche Ausdrücke 'eingedenglischt' werden, ein Stück Kultur, nationale Tradition und Weltgefühl verloren. Sprache ist beileibe nicht nur ein Kommunikationsmittel. 'Die Sprache ist', so formulierte es Martin Heidegger, 'das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnt der Mensch'. Dies möchte das vorliegende Buch augenzwinkernd und eindringlich aufzeigen.
Rolf Müller ist Buchhändlersohn, promovierter Germanist, und vor allem liebt er die deutsche Sprache. Der 1947 in der Barbarossastadt Gelnhausen (in der auch der bedeutendste Barock-Schriftsteller Johann Jakob von Grimmelshausen das Licht der Welt erblickte) geborene Autor kann auf vielfältige Aktivitäten zurück blicken. Er war Gymnasiallehrer, Landtagsabgeordneter, Staats-sekretär, Deutscher Hochschulmeister im Schwimmen und ist seit 1997 Präsident des Landessportbundes Hessen. 'Rettungsversuche' für die deutsche Sprache gegen die Übermacht der Anglizismen und die Flut des Denglischen bewegen ihn seit seiner Schulzeit. Getreu dem Motto 'ein Müller gibt nicht auf' versucht er auch in seiner 'lieb gemeinten Streitschrift', der - vermeintlich - unaufhaltsamen Entwicklung des Globish zur Weltsprache ein Halteschild entgegenzusetzen.
Autoren/Hrsg.
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I. Was hat Hausmeister Krause mit „Denglisch“ zu tun?
Wir haben einen herben Verlust zu beklagen. Unseren freundlichen, immer hilfsbereiten Hausmeister Eduard Krause gibt es nicht mehr. Na ja, das stimmt nicht so ganz, denn den freundlichen und immer hilfsbereiten Eduard Krause gibt es noch, er arbeitet auch nach wie vor im selben Haus, und er verrichtet auch noch die gleichen Arbeiten wie früher. Nur ist er jetzt Facility Manager. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis seine Kollegin Gerda Feinhals, die frühere Putz- oder auch Reinemachefrau, zur Dirty-Managerin avanciert. Wir haben aber noch einen anderen Verlust zu beklagen. Unsere Sprach- und Schreibkultur sind im Begriff zu schwinden, und wesentliche Ursachen haben Namen. Sie heißen „Denglisch“ und Anglizismen. Da werden altbekannte und vertraute Begriffe „modernisiert“ und ihrer ursprünglichen Bedeutung entfremdet, und es werden deutsche und englische Begriffe durcheinander gewirbelt. Die deutsche Sprache ist offenkundig in keiner guten Verfassung, sie schwächelt und zeigt deutliche Symptome einer chronischen Erkrankung, und ihr Zustand gibt wenig Anlass für ein „Feeling“ von „Wellness“ oder „Fun“. Das kann man ihr nicht zum Vorwurf machen, sondern vielmehr den Menschen, die es durch ihr Sprach-Verhalten dazu kommen lassen und unsere Sprache ohne Not preisgeben. Rufe nach Abhilfe werden laut: „Rettet dem Deutsch“, verlangt Mathias Schreiber im „Spiegel“: „Die deutsche Sprache wird so schlampig gesprochen und geschrieben wie nie zuvor. Symptom der dramatischen Verlotterung ist die Mode, fast alles angelsächsisch „aufzupeppen“.“(9) Einige Mitschuldige für diese Entwicklung nennt Schreiber konkret beim Namen. „Schrecklichstes, auch ständig auf schreckliche Weise vereinfachtes und verharmlostes Symptom der kranken Sprache aber ist jenes modische Pseudo-Englisch, das täglich aus den weitgehend gehirnfreien Labors der Werbeagenturen, Marketings-Profis, Popmusik-Produzenten („Charts“, „Flops“, „flashen“), aber auch aus Behörden, wissenschaftlichen Instituten, Massenmedien und den Reden-Schreibstuben der Politiker und Verbandssprecher quillt wie zähflüssiger, giftiger Magma-Brei, der ganze Kulturlandschaften unter sich begräbt.“ Was waren das noch Zeiten, als es in jeder Epoche eine spezifische gesellschaftliche Gruppe gab, die als „Gestalter“ für die Entwicklung der Sprache verantwortlich war, wie Hans Eggers (10) schreibt: In althochdeutscher Zeit die „Geistlichkeit“, im Mittelalter das „Rittertum“, in der frühen Neuzeit das „Bürgertum“ und in der Neuzeit die „Massengesellschaft“. Ja, und für uns sind es die modernistischen Anglizismus- und Denglisch-Jünger, die Matthias Schreiber an den Sprach-Pranger gestellt hat. In die gleiche Kerbe haut Sven Siedenbergs Sprachkritik „Lost in Laberland“: „Da gibt es den Business-Schwafler, der die Sprache der Powerpoint-Präsentation kultiviert und immer abstrusere Firmen- und Produktnamen ausbrütet; den Kürzel-Freak, der wie ein Keyboarder mailt und simst, bloggt und twittert, auf mehreren Tastaturen und Kanälen gleichzeitig; den marktschreierischen Jargon-Monteur in den Werbeabteilungen und den übellaunigen Motz-Brocken in den Internetforen. Noch nie war so viel schlechtes, raschverderbliches Deutsch im Umlauf wie heute“. (11) Wolf Schneider, ehemaliger Leiter der Hamburger „Henri-Nannen-Journalistenschule“, stößt in das gleiche Horn: „Es geht bergab mit der Sprache, machen wir uns nichts vor: „Die Fernsehschwätzer beherrschen die Szene, die Bücherleser sind eine bedrohte Gattung, die Grammatik ist unter jungen Leuten unpopulär, ihr Wortschatz schrumpft, und viele 17-Jährige betreiben das Sprechen“ wie ein „Nebenprodukt des Gummikauens“. (12) Sprachloyalität ist „out“, Denglisch ist allgegenwärtig, wir werden zu Zeitzeugen des neuen „Wordings“ in einer globalisierten Welt, die zur Einebnung neigt, in der Unverwechselbarkeit und Individualität zu Störfaktoren geworden sind. Diesen Verlust an Differenzierung, dieses Phänomen des Gleichhobelns analysiert Roland Kaehlbrand am Beispiel der Geldinstitute mit großer sozialpsychologischer Tiefe und Ironie: „Der Vorzug des Bankers beruht darauf, daß im Unterschied zur leitenden Funktion des Bankiers nun jeder in einer Bank Beschäftigte sich als Banker bezeichnen kann: vom Sachbearbeiter in der Buxtehuder Außenstelle bis zum Chefvolkswirt. Dies ist Ausdruck flacher Hierarchien.“. (13) So elegant hat noch selten jemand die Hochstapelei, die im Gewand der nahezu vollständigen Gleichheit daher kommt, umschrieben. Schleicht sich da etwa Theodor W. Adornos „Jargon der Eigentlichkeit“ im anderen Gewand der Anglizismen-Eigentlichkeit in unsere Sprachgegenwart? Hat sich durch das Denglische und die vielen Anglizismen bereits erfolgreich ein falsches Bewusstsein breit gemacht, indem wir widerstandslos und fremdgierig unseren Wortschatz und die Satzbildung preisgeben? Man kann diesen – oft unbewussten – Vorgang bei Migranten und Menschen, die lange Zeit im Ausland leben, beobachten. Mit der zunehmenden Dauer der Abwesenheit „schrumpfen“ die Kenntnisse in der Muttersprache, Wortschatz, grammatikalische und syntaktische Fähigkeiten, ja sogar die Aussprache verflüchtigen sich. In der Linguistik und der Neurophysiologie bezeichnet man diesen Prozess als so genannte „Attrition“. Dieser Vorgang, so berichten viele, die länger oder gar für immer außerhalb ihrer eigentlich erlernten Muttersprache leben, ist zunächst mit einer ganz persönlichen Verunsicherung verbunden. Denn der schrittweise Verlust der „eigenen“ Sprache bringt zugleich einen teilweisen Verlust der Identität mit sich. Man muss sich erst daran gewöhnen, dass man plötzlich in einer eigentlich fremden Sprache denkt, spricht, schreibt und träumt. Natürlich vergisst und verlernt man seine Sprache nicht völlig, doch auch in der Bi- oder Multilingualität erweist sich am Ende eine Sprache als die stärkere und gewinnt schließlich die Oberhand im persönlichen Sprachen-Wettbewerb. Lassen Sie mich noch einmal auf den von Roland Kaehlbrandt beschriebenen Verlust an Differenzierung zurückkommen. Dieser Schwund an Originalität und Unverwechselbarkeit lässt sich auch von jedem beobachten, der die Welt bereist. Längst finden sich beispielsweise die Luxusmarken Armani, Gucci, Dior, Chanel, Louis Vuitton oder Rolex unterschiedslos in den Auslagen der Mode- und Kaufhäuser in Paris, Frankfurt, London, New York, Mailand, Moskau, Mumbai, Peking, Buenos Aires oder Sydney. Gleiches gilt für McDonald´s, Coca Cola, Automarken wie Honda, Hyundai, VW, BMW, Mercedes, Citroen oder Fiat und teilweise auch schon für die international operierenden Supermarktketten. Zugleich können wir weltweit die identischen Fernsehprogramme empfangen, die internationalen Pop-Hits hören und rund um den Erdball Hollywoododer Bollywood-Filme sehen. Es gibt noch einen anderen Aspekt, der diesen Prozess des Zusammenrückens der Welt, den man auch „Globalisierung“ nennt, mit bewirkt, nämlich die englische Sprache als das weitverbreitete Verständigungsmittel. In der Zeitung „Die Welt“ wird dieses Phänomen an nicht alltäglichen Beispielen beschrieben: „Wir können in Venedig ein Zimmer ohne unser Opernitalienisch buchen, in Lima nach dem Weg fragen und in Kyoto an einer Führung durch den kaiserlichen Garten teilnehmen“. (14) Die Welt ist auf dem Weg zur Austausch- und Verwechselbarkeit, wo einst Originelles, Unverwechselbares, Typisches und Spezielles dominierten. Warum sollen dann ausgerechnet die Sprachen eine Ausnahme von dieser Entwicklung machen? Man könnte es als eine Ironie des Schicksals bezeichnen, dass ausgerechnet der Mitbegründer der Germanistik, Jacob Grimm, bereits 1851 in seinem Vortrag „Über den Ursprung der Sprache“ weit- und scharfsichtig analysierte: „Das Englische hat als Sprache die größte Kraft und Stärke, es ist die einzige Weltsprache“. (15) Der Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt stimmte mit Grimm überein, als er 1874 die „kommende Weltherrschaft der englischen Sprache“ weissagte. Aus dieser Prophezeiung leitete er sogar den resignativen Vorschlag ab, „die Rettung deutschgeschriebener Bücher kann nur ihre Übersetzung ins Englische sein“. (16) Was er im 19. Jahrhundert als ein „Must be“ erkannt haben wollte, darf natürlich ernsthaft und grundsätzlich nur ein „No go“ sein. (Die Amerikaner sagen übrigens „No-No“). Doch zumindest in der Welt der Wissenschaft fährt der Sprach-Zug ganz deutlich in diese Richtung. Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat in seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des „Jacob-Grimm-Preises“ 2001 auf diese Entwicklung Bezug genommen: „Der...