E-Book, Deutsch, 297 Seiten
Müller Promotion - Postdoc - Professur
3. Auflage 2024
ISBN: 978-3-593-45965-3
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Karriereplanung in der Wissenschaft
E-Book, Deutsch, 297 Seiten
ISBN: 978-3-593-45965-3
Verlag: Campus Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Karriere in der Wissenschaft fortzusetzen ist der Wunsch vieler Promovierender und Postdocs. Doch Professuren und andere wissenschaftliche Dauerstellen sind rar. Welche Anforderungen müssen erfüllt werden, welches implizite Wissen wird vorausgesetzt und wie kann eine Karrierestrategie aufgebaut werden? Mirjam Müller erklärt Hintergründe und benennt Erfolgsfaktoren der entscheidenden Phase zwischen Promotion und Professur. Für jeden Teilbereich des akademischen Portfolios zeigt sie, welche konkreten Schritte erforderlich sind und wie das eigene Profil schlüssig präsentiert werden kann. Neben den Leistungsanforderungen werden auch die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz Wissenschaft beleuchtet: Welche Stellenoptionen und Berufsziele bietet er? Wie lassen sich Wissenschaft und Familie vereinbaren? Wie können Zeitmanagement und erste Führungsaufgaben gelingen? Der vollständig überarbeitete Ratgeber zeigt Strategien für die Karriereplanung auf, ermöglicht eine persönliche Bilanz und dient als Entscheidungshilfe für eine Karriere in der Wissenschaft.
Mirjam Müller arbeitet als Personalentwicklerin an der Universität Konstanz. Berufliche Stationen führten die Historikerin von einem Wirtschaftsunternehmen ins Wissenschaftsmanagement. Als Wissenschaftscoach hat sie zahlreiche Postdocs auf dem Weg zu ihrer ersten Professur und in Berufsfelder außerhalb der Wissenschaft begleitet.
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2.Die Postdoc-Phase im Überblick
In der Postdoc-Phase werden viele wichtige Weichen für eine weitere akademische Karriere gestellt. Sie hat einen doppelten Charakter: Zum einen tragen Postdocs mit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit, die auf der Promotion und mehrjähriger wissenschaftlicher Arbeitserfahrung aufbaut, maßgeblich zu Forschung und Lehre in ihren Fächern bei. Zum anderen gilt die Postdocs-Phase im deutschen Wissenschaftssystem als weitere Qualifizierungsphase. Implizit wird erwartet, dass Postdocs sich für die Berufung auf eine Professur oder für andere wissenschaftliche Dauerstellen und Führungspositionen weiterqualifizieren. Während die Promotion für zahlreiche Berufsfelder von Vorteil ist, ist die weitere wissenschaftliche Tätigkeit in der Regel nur für Berufsziele in der Wissenschaft karriererelevant. Heterogenität der Postdoc-Phase
Noch stärker als die Promotion ist die Postdoc-Phase höchst heterogen.20 Dies fängt bereits bei der Bezeichnung an. Während sich der Begriff »Postdocs« in den meisten Naturwissenschaften traditionell auf die ersten zwei bis vier Jahre nach der Promotion bezieht, wird er in jüngerer Vergangenheit häufig fachübergreifend als umfassende Bezeichnung für promovierte Wissenschaftler*innen mit weiterer wissenschaftlicher Qualifizierungsabsicht und Befristung verwendet.21 Unter diesen Oberbegriff können unterschiedliche Finanzierungsarten und Stellenvarianten gefasst werden, wie wissenschaftliche Mitarbeitendenstellen, Nachwuchsgruppenleitungen, Junior- und Tenure-Track-Professuren, Positionen als Akademische*r Rät*in, Postdoc-Stipendien, Vertretungsprofessuren sowie weitere Stellenkategorien verschiedener Bundesländer (siehe Kapitel 4.1). Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) sieht in seiner derzeitigen Fassung für die Qualifizierung für eine Professur oder wissenschaftliche Dauerstelle nach der Promotion sechs Jahre vor (in der Medizin neun Jahre) (siehe Kapitel 4.2). Nach der Neufassung des Gesetzes könnten dies in Zukunft nur noch vier Jahre sein. Vergleicht man das durchschnittliche Promotionsalter mit dem durchschnittlichen Erstberufungsalter für W2- und W3-Professuren, so liegen rund zwölf Jahre dazwischen.22 Innerhalb dieser Zeitspanne können mehrere Phasen unterschieden werden: Das Modell der Europäischen Kommission, das immer häufiger auch von Forschungseinrichtungen verwendet wird, unterteilt die Karrierephase in zwei Profile: Mit »Recognized Researcher« (R2) werden Promovierte bezeichnet, die noch nicht vollständig unabhängig sind. Daran anschließend werden Forschende zu »Established Researchers« (R3), die ein gewisses Maß an Unabhängigkeit entwickelt haben.23 Das Statistische Bundesamt differenziert drei Phasen: eine »Übergangs- und Orientierungsphase« von ein bis zwei Jahren, eine wissenschaftliche »Qualifizierungsphase« von bis zu sechs Jahren sowie eine »Bewerbungsphase« von etwa zwei Jahren.24 Beide Modelle gehen also davon aus, dass im Karriereabschnitt zwischen Promotion und Professur unterschiedliche Phasen durchlaufen werden, die mit einem Zuwachs an Aufgaben, Verantwortlichkeiten und auch Freiheitsgraden als unabhängige*r Forschende*r einhergehen. Die R2-Phase
In den ersten zwei bis vier Jahren nach der Promotion (R2-Phase) geht es darum, Unabhängigkeit von den Betreuer*innen der Promotion und immer mehr Eigenständigkeit in der Forschung zu gewinnen. Für eine akademische Karriere im deutschsprachigen Raum gilt es, ein neues Forschungsthema zu wählen, das erkennbar von der Doktorarbeit abgegrenzt ist (siehe Kapitel 3.1). Damit gewinnen Sie die für eine Professur geforderte ausreichende Breite innerhalb Ihres Fachs und richten sich auf eine Habilitation oder habilitationsäquivalente Leistungen aus (siehe Kapitel 3.3). Mit dem neuen Thema machen Sie sich durch Vorträge und Publikationen in Ihrer Fachcommunity bekannt und knüpfen neue fachliche Netzwerke im In- und Ausland. Sie werben kleinere eigene Drittmittelförderungen ein und lassen möglicherweise Ihre Doktorarbeit für einen Preis vorschlagen. Sie erwerben oder erweitern Ihre Lehrerfahrung und finden unter Ihren Vorgesetzten oder Promotionsbetreuenden Mentor*innen. Im Team kommen Ihnen verantwortungsvollere Aufgaben zu, die Sie in eine Sandwich-Position zwischen Promovierenden und Vorgesetzten bringen. Zu den Anforderungen an akademische Karrieren gehören auch Ortswechsel und Auslandsaufenthalte, für einige Stellen ist dies Voraussetzung (siehe Kapitel 4.2). Als Wissenschaftler*in sollen Sie sich in unterschiedlichen Forschungskontexten bewährt, verschiedene Ansätze und Methoden kennen gelernt und tragfähige fachliche Netzwerke geknüpft haben. Es ist daher empfehlenswert, für die frühe Postdoc-Phase die Forschungseinrichtung innerhalb Deutschlands zu wechseln oder ins Ausland zu gehen (siehe Kapitel 3.8). In der R2-Phase müssen bereits wichtige Weichen für die langfristige akademische Karriere gestellt werden, gleichzeitig dient diese Phase häufig auch der Orientierung: Zum einen gilt es, sich als immer selbstständigere*r Wissenschaftler*in im akademischen System zu etablieren, zum anderen findet nach Abschluss der Promotion und im Ankommen in der neuen Rolle häufig eine Reflexion statt, ob der akademische Karriereweg tatsächlich dem Berufswunsch entspricht. 75 Prozent der Promovierten verlassen in den ersten vier Jahren nach der Promotion die Wissenschaft.25 Es ist zu erwarten, dass eine Verkürzung der Postdoc-Phase im Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder der Umbau der Stellenstruktur hin zu weiteren Dauer- oder Tenure-Track-Stellen die R2-Phase noch stärker zu einer Entscheidungsphase werden lässt und der dort wahrgenommene Leistungsdruck steigt. Die R3-Phase
In der darauffolgenden R3-Phase sind Sie nach der Nomenklatur der Europäischen Kommission etablierte*r oder anerkannte*r Forschende*r und haben einen Grad an Unabhängigkeit erreicht. Auch im deutschen Wissenschaftssystem ist dieser Karriereabschnitt von einer größeren Eigenständigkeit in der Forschung und höheren Verantwortlichkeit in Organisation und Management gekennzeichnet, er wird aber dennoch als Qualifizierungsphase gesehen. Im Mittelpunkt stehen die Habilitation oder andere habilitationsäquivalente Leistungen. Zusätzlich geht es darum, immer mehr derjenigen Kompetenzen zu erwerben, die für eine Professur erforderlich sind, also Studierende und Promovierende zu betreuen, größere Drittmittel eigenständig einzuwerben, Projekte zu leiten und eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. Ziel ist es, ein individuelles Profil als Wissenschaftler*in zu entwickeln und mit diesem in der Fachcommunity sichtbar zu sein. Gegen Ende der R3-Phase können Sie sich auf Lebenszeitprofessuren bewerben, die in Deutschland nach ihrer Besoldungsgruppe als W2- und W3-Professuren bezeichnet werden. Die R2- und die R3- Phase findet sich in den meisten Fächern wieder, auch wenn damit teilweise unterschiedliche Qualifikationsanforderungen für die Berufbarkeit auf eine Professur verbunden sind. Während in einigen Geisteswissenschaften eine vertiefte, längerfristige Arbeit an Quellen erforderlich ist, die in eine Habilitation oder ein zweites Buch mündet, stehen in den meisten Naturwissenschaften der Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe und die Akquise von Drittmitteln im Mittelpunkt.26 Für jeden dieser beiden Karriereabschnitte der Postdoc-Phase gibt es verschiedene Stellen- und Stipendienvarianten, die ausführlicher in Kapitel 4.1 beschrieben werden. Wahl des wissenschaftlichen Umfelds
Die Wahl des wissenschaftlichen Umfelds ist in der Postdoc-Phase karriereentscheidend. Eine namhafte Institution und angesehene Vorgesetzte gelten als Zeichen, dass Ihre Forschung hochwertig ist. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dort anregende Impulse für Ihre Forschung bekommen, kann an einem Ort, an dem die Besten Ihres Fachs forschen, höher...