Beiträge zur Mecklenburgischen Landes- und Regionalgeschichte vom Tag der Landesgeschichte im Oktober 2015 in Dömitz
E-Book, Deutsch, Band 16, 72 Seiten
Reihe: Der Festungskurier
ISBN: 978-3-7431-4471-2
Verlag: Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Der Band 16 bringt aus Anlass 450 Jahre Festung Dömitz vier Beiträge zur Architectura Militaris Mecklenburgs. Sie reichen von niederadligen Befestigungen des 15. und 16. Jahrhunderts in Mecklenburg und Pommern über die Dömitzer Befestigungsbrücken von 1565 bis 1865, über die Stadtbefestigung Rostocks im 16. Jahrhundert bis zum Arsenal in Schwerin, das in den 1920er und 1930er Jahren als Festung für den Fall eines befürchteten Bürgerkriegs eingerichtet wurde. Festungsgeschichte ist noch immer aktuell.
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Niederadlige Befestigungen des 15. und 16. Jahrhunderts in Mecklenburg und Vorpommern
VON FRED RUCHHÖFT
Die Erforschung des niederen Adels hat in Mecklenburg eine längere Tradition, die vor allem an der Universität in Rostock bis in jüngste Zeiten fortgeführt wird. Bekanntlich prägte er den ostelbischen Raum wie keine andere Region Europas.2 Hat die historische Forschung inzwischen Großes geleistet, was die Geschichte des Adels betrifft, so bleiben bis heute dennoch viele grundlegende Fragen im Verborgenen. Bis heute gibt es keine systematische Erfassung der Adelssitze, und die Frage, wie sich der Weg vom mittelalterlichen Rittersitz zum Gutsbetrieb der Neuzeit gestaltete, ist noch immer ein spannendes Forschungsfeld. Dabei bietet das 15. Jahrhundert einen umfassenden, leider weitgehend unpublizierten Quellenbestand, dessen mühevolle Erschließung bisher jeden Versuch einer Bearbeitung vereitelt hat. Eine vorläufige Erfassung erbrachte vor allem eine Nachricht: bis 1500 sind rund 650 Rittersitze in Mecklenburg historisch nachweisbar und die meisten von ihnen können auf eine mehrhundertjährige Geschichte zurückblicken. Die Zahl würde weiter steigen, wenn man die Liste mit den archäologisch bekannten Rittersitzen ergänzt, doch fehlen bisher die entsprechend nötigen kritischen Zusammenstellungen der bekannten Anlagen. Besonders für das 14. Jahrhundert, der Anfangszeit niederadliger Befestigungen, dürfte mancher kurzzeitig genutzter Adelssitz einer noch vergleichsweise schriftarmen Zeit im archäologischen Quellengut verborgen sein. So deutlich wie im Schriftgut äußert sich die Geschichte der Güter im Landschaftsbild nicht. Gerade auf den traditionsreichen Adelssitzen haben Neugestaltungen alte Spuren verwischt. Die mittelalterliche Befestigung scheint oft nur so alt, weil die Archäologie kaum Möglichkeiten hatte, ohne die Ausgrabung genauere Datierungen anzubieten als „Mittelalter“. Auch hier kommen die Forschungsdefizite zutage: unzureichende Beschreibungen und voreilige Deutungen, oft auf Basis von Schriftquellen, verdecken den wirklichen Charakter der Anlage. Dabei wären mit einer besseren Quellenerfassung genauere Aussagen möglich. Doch bei rund 1000 vermuteten oder sicheren Anlagen, von denen etliche im Gelände nicht mehr vorhanden sind, ist dies ein ähnlich schwieriges Unterfangen wie eine systematische Durchsicht der mecklenburgischen Urkunden des 15. Jahrhunderts! Eine hilfreiche Erleichterung der denkmalpflegerischen Arbeit ist die neue Technik des Airborne-Laserscanning. Vom Flugzeug oder Helikopter aus wird das Gelände mit Hilfe von Laserstrahlen genau vermessen, so genau, dass auch archäologische Strukturen unter dichtem Gestrüpp zum Vorschein kommen. Das Landesamt für Innere Verwaltung und Rechtspflege Mecklenburg-Vorpommern verfügt inzwischen über Daten aus allen Teilen des Landes, und so ist es möglich, mit vergleichsweise geringem Aufwand Bilder und Pläne von allen obertägig sichtbaren Bodendenkmalen, auch von den mittelalterlichen Burgen, zu generieren. Nicht in jedem Fall ersetzen sie den Besuch im Gelände, aber mit Hilfe dieser Technik liegen die bisher genauesten Bilder mittelalterlicher Burgen aus Mecklenburg-Vorpommern vor. Die bekannteste niederadlige Burg des norddeutschen Tieflandes ist der so genannte Turmhügel. Wenngleich manchmal fälschlich ein barocker Teehügel oder ein anderes parkgestaltendes Element für einen solchen gehalten wird, ist er zu hunderten in der Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns nachgewiesen worden. Eine kritische Überprüfung dieses Denkmalbestandes wird künftig noch unumgänglich sein; auch der Laserscan kann diese Frage nicht immer sicher beantworten. Der Turmhügel, oft auch „Motte“ genannt, ist bei uns keineswegs immer ein ebenerdig errichteter hölzerner, nur selten steinerner Turm, der mit Erde „eingemottet“ wurde. Häufiger baute man ihn auf einem natürlichen oder künstlichen Hügel, manchmal entstand der Hügel nur, weil man die Stelle des Turmes mit einem Graben umgab. Diese einfachen Anlagen waren schnell zu errichten und ebenso schnell auch zu zerstören, und sie waren auch nicht für die dauerhafte Nutzung gebaut. Sie dienten als letzter Rückzugsort im Gefahrenfall. Der Ritter wohnte auf dem manchmal mit einem Graben befestigten Hof. Die vielen Turmhügel in Dörfern ohne jüngeren Rittersitz zeigen zudem, dass zu ihrer Zeit – um 1300 herum – der Adelssitz noch nicht so auf Dauerhaftigkeit ausgelegt war wie schon einige Jahrzehnte später. Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts setzte ein Wandel ein. Der Turm wurde fester und größer und zum dauerhaften Wohnsitz, der aber nur selten wirklich aus Stein errichtet wurde. Diese finanzielle Investition konnten sich neben den Landesherren nur die wenigsten Adligen leisten. Zu nennen sind die Bülow aus Preensberg, die Moltkes auf Striefeld und – noch heute erhalten – die Flotow auf Stuer. Vorbild für die Bauaktivitäten waren die Landesherren, die mit ihren Burgen wie Stargard oder Dömitz Maßstäbe setzten. Mit diesen größeren Anlagen änderte sich die Form. Die runden Turmburgen, die kaum Durchmesser über 5 m erreichten, wichen rechteckigen oder quadratischen Hügeln, die turmartigen Häusern Platz boten. Die Hügel erhoben sich mehrere Meter über die Umgebung und erhielten einen breiten Wassergraben, manchmal einen äußeren Erdwall. Manche dieser Hügel waren so groß, dass sie ausreichend Platz boten, um den Ansprüchen jüngerer Zeit zu genügen. Sie blieben Standort des Herrenhauses wie in Großenhof bei Klütz oder für ein modernes Eigenheim wie in Lewetzow bei Teterow. Diese Weiterentwicklung wird als „festes Haus“ bezeichnet. Die mittelalterlichen festen Häuser, deren Aussehen nicht bekannt ist, erhielten oft eine zusätzliche Befestigung, die den Wirtschaftshof einschloss. Abbildung 1 Die Burg von Röggelin besteht aus zwei Hügeln mit Graben und Außenwall. Das Herrenhaus stand auf dem vorderen, höheren Hügel. Grafik Landesamt für Kultur und Denkmalpflege (künftig LAKD) Ruchhöft/©Geobasis DE-MV 2013 Eine besonders gut erhaltene Burg befindet sich bei Röggelin (Abbildung 1) am Südrand des Klockstorfer Sees bei Rehna. 1425 hatte Bernd von Plessen die Burg erobert und zerstört. In einer langen Liste dokumentierte Hans Karlow seinen erlittenen Schaden. Sie gibt einen einmaligen Überblick über das Inventar eines spätmittelalterlichen Rittersitzes.3 Der neue Besitzer baute diese Burg wieder auf. Auf einem von Gräben umgebenen quadratischen Hügel befand sich das Herrenhaus, dessen Fundamente unter Schutthügeln begraben liegen. Hinter dem Burghügel befindet sich ein zweiter Hügel, der nicht ganz so hoch ist und einen nicht ganz so breiten und tiefen Graben hatte. Hier dürfte der Wirtschaftshof gestanden haben. Beide Teile umgab ein hufeisenförmiger Wall mit einem vorgelagerten Graben. Eine ähnliche Anlage (Abbildung 2) befindet sich am Rand des Dorfes Passentin. Die zweigliedrige, von einem Wall umschlossene Anlage ist stark verschliffen; auf dem südlichen Hügel befindet sich eine Delle als Rest eines Kellers. Im Gelände kaum sichtbar, erhebt sich am Eingang der Insel, auf der bis zum 18. Jahrhundert das Dorf Niederbolz stand, ein Hügel mit einem quadratischen Außenwall (Abbildung 3). Diese Burg gehörte der Familie von Restorff, die auch am Kritzower See bei Lübz eine Burg besaß. Diese im Jahr 1438 von den mecklenburgischen Herzögen zerstörte Burg4 konnte erst kürzlich durch die ehrenamtliche Bodendenkmalpflege wiederentdeckt werden, doch ist der Hügel derart stark verschliffen, dass kaum Aussagen zum einstigen Aussehen dieser Burg möglich sind. Abbildung 2 Die spätmittelalterliche Burgstelle von Passentin besteht aus zwei rechteckigen Hügel, Gräben und Außenwall. Grafik LAKD/Ruchhöft/©Geobasis DE-MV 2013. Die Burg in Wöpkendorf (Familie von Kardorff) folgte diesem Prinzip, ist aber unregelmäßig geformt. Ein quadratischer Burghügel im Südwesten und eine Vorburg im Nordosten bilden zusammen ein Oval, das von einem Graben und einem Außenwall umgeben. Wie bei vielen mittelalterlichen Burgen bestimmte das Gelände die Form der Gesamtanlage. Abbildung 3 Am Beginn der Halbinsel im Bolzer See bei Sternberg erkennt man die quadratischen Hügel einer Befestigung. Dahinter lag das im 18. Jahrhundert aufgelassene Dorf Niederbolz. Grafik LAKD/Ruchhöft/©Geobasis DE-MV 2013 Nur selten ist die Abfolge beider Burgentypen an einem Ort zu beobachten. Das Gut der Familie von Plessen in Damshagen wurde im Mittelalter verlegt. So blieb außerhalb des heutigen Ortes ein im 19. Jahrhundert teilweise abgetragener Turmhügel, während das ältere Herrenhaus auf einem Burghügel stand.5 Das gesamte Gut wurde mit einem Wassergraben umgeben, wobei der Stau einer Wassermühle für die nötige Wasserung sorgte....