Murk | Franziskanisch all inclusive | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 43, 88 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 200 mm

Reihe: Franziskanische Akzente

Murk Franziskanisch all inclusive

Vom Umgang mit Polemik, Polarisierung und Spaltung
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-429-06776-2
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Vom Umgang mit Polemik, Polarisierung und Spaltung

E-Book, Deutsch, Band 43, 88 Seiten, Format (B × H): 120 mm x 200 mm

Reihe: Franziskanische Akzente

ISBN: 978-3-429-06776-2
Verlag: Echter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Gesellschaft driftet auseinander. Fake News nehmen zu. Polemik ist in Politik, Gesellschaft und auch Kirche oft schon an die Stelle der Sachlichkeit getreten. Polarisierung und Spaltung haben alle Lebensbereiche erfasst. Ausgehend von alltäglichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Beobachtungen wirft der Autor einen Blick in die Bibel und die franziskanische Tradition: Sind Polemik, Polarisierung und Spaltung Phänomene nur unserer Zeit - oder nicht doch virulent seit Menschengedenken? Der Umgang des hl. Franz von Assisi mit diesen menschlichen Grundgegebenheiten will Anregungspotenzial sein, sich weder lähmen zu lassen noch in Dauerkonflikte zu verfallen und stattdessen schöpferisch-kreativ und reflektiert den eigenen Stand zu suchen.

Br. Andreas Murk, Jahrgang 1983, trat 2003 der Gemeinschaft der Franziskaner-Minoriten bei. Als Provinzialminister trägt er derzeit Verantwortung für die Brüder seines Ordens in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz. Im Mai 2022 wurde er zum Vorsitzenden der Deutschen Ordensobernkonferenz gewählt.
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2. Über den Kreuzgang hinaus: Driftet die Welt auseinander?


Von immer mehr Polemik, von Polarisierung und Spaltung, von Scheren, die auseinandergehen, von Gefällen zwischen Nord und Süd oder Differenzen zwischen Ost und West ist in den letzten Jahren zunehmend häufiger die Rede.

Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser stellen in ihrer Studie „Triggerpunkte“ 2023 gleich eingangs fest: „Auf politischen Podien, in Talkshows wie auch in den sozialen Medien verbreiten sich Polarisierungsdiagnosen geradezu inflationär. Auch für den Printjournalismus lässt sich ein sprunghafter Anstieg des Vokabulars von Polarisierung und Spaltung verzeichnen: So kann man anhand des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache ermitteln, wie häufig bestimmte Begriffe in großen deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen vorkommen … Der Formel ‚Spaltung der Gesellschaft‘ sowie Wörtern, die mit ‚polaris-‘ beginnen (etwa ‚polarisiert‘, ‚polarisierend‘ oder ‚Polarisierung‘), wird im Verlauf der Jahrzehnte immer größere Prominenz zuteil. Spaltungsdiagnosen schießen vor allem in den letzten zehn Jahren in die Höhe, die Häufigkeit des Polarisierungsbegriffes nimmt schon seit Längerem stetig zu.“1

Rund um die Corona-Pandemie wurde wohl besonders deutlich, mit welcher Polemik zuweilen argumentiert wird und wie sehr Spaltungen selbst die eigene Familie, den engeren Freundeskreis oder die Klostergemeinschaft plötzlich prägen. Einer der gruseligsten Momente meines Lebens: als ich ungewollt in einer mittelgroßen Stadt in eine Corona-Demonstration geriet. Durch die fast menschenleere Stadt schlängelte sich bei einbrechender Dämmerung der Demo-Zug, ausgestattet mit Rasseln, Trommeln und Pfeifen, mit teils hanebüchenen Parolen auf den mitgetragenen Plakaten und bisweilen krude Schlachtrufe brüllend. Eine gespenstische Erfahrung, aber eine, die mir deutlich gemacht hat: Egal, wo man sich positioniert, pro Impfen oder contra Impfen, für oder gegen Masken, ob man Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen unterstützt oder sie für Unsinn hält, selbst im engeren, eigentlich vertrauten Umfeld wird man Menschen finden, die komplett anderer Meinung sind – und letztlich kann man ja durchaus selbst einer derjenigen sein, der in den Augen anderer eine völlig konträre Position vertritt. Wenn ein Thema dann so lange und so wuchtig dominiert wie Corona, gibt es schnell nur noch wenig Verbindendes.

Nicht einfacher wird die Lage, wenn man sich auf nüchtern-sachlicher Ebene nicht mehr trifft. Da werden dann keine Argumente mehr ausgetauscht. Sachinformationen treten hinter emotional aufgeladenen Behauptungen zurück. Was nicht ins eigene Konzept passt, wird als Fake News stigmatisiert. Faktenchecks werden ignoriert oder als Ablenkungsmanöver der „Systemmedien“ deklariert.

Ob die Welt dabei wirklich auseinanderdriftet, ist eine soziologisch komplexe Frage mit höchst unterschiedlichen Antworten, auch im Blick auf den jeweiligen Kulturraum, der untersucht wird. Spaltung und Polarisierung haben in den Vereinigten Staaten von Amerika beispielsweise ganz andere Ausmaße erreicht als in den allermeisten Ländern Europas. Doch mit Sicherheit darf man annehmen: Polemisierung und Polarisierung gehen weder spurlos am individuellen Menschen noch an der Gesellschaft mit ihren vielen Teilbereichen vorbei.

Eine kurze Geschichte der Polemik


Der Duden definiert Polemik als „scharfen, oft persönlichen Angriff ohne sachliche Argumente (im Rahmen einer Auseinandersetzung) im Bereich der Literatur, Kunst, Religion, Philosophie, Politik o. Ä.“ Das Ziel des Polemisierenden: die eigene Meinung auch dann noch durchzusetzen, wenn sie nur in Teilen mit der Wirklichkeit übereinstimmt oder möglicherweise sachlich sogar völlig falsch ist. Im Meinungsstreit wird folglich kein Kompromiss gesucht, sondern angestrebt, die eigenen Argumente durchzusetzen – koste es, was es wolle. Neben Übertreibung, Ironie und Sarkasmus ist ein beliebter Baustein der Polemik das „Argumentum ad hominem“, ein (Schein-)Argument, das direkt die Person des Gegners angreift. Damit soll dieser in Misskredit gebracht werden, um ihn in seiner eigenen Argumentation unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Einfaches Beispiel: Die Mutter erklärt ihrer Tochter im Teenageralter, die neuerdings gerne ausgeht, um mit Freundinnen „abzufeiern“, die schädlichen Folgen des Alkoholkonsums. Sie will sie mit ihren sachlichen Argumenten davor bewahren, sich am Wochenende regelmäßig hemmungslos zu betrinken. Die Tochter kontert: „So schlimm kann Alkohol ja wohl doch nicht sein, wenn du selbst jeden Abend deine zwei Bier trinkst!“ Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Argumentation der Mutter nun ins Leere laufen, auch wenn die Tochter kein wirklich sachliches Argument vorgetragen, sondern ihrer Mutter den Spiegel vorgehalten hat, in dem sie nun ihren eigenen Alkoholkonsum erkennt.

Dass Polemik schon seit Jahrhunderten zur menschlichen Auseinandersetzungskultur gehört, mag der reichlich polemische Martin Luther (1483–1546) belegen. Diffamierende Behauptungen finden sich in seinen Schriften zuhauf, ohne dass sie seiner Durchsetzungskraft als Reformator geschadet hätten. Vielleicht im Gegenteil: Plastische Rede vermag schnell zu begeistern und es kann mit ihr leicht gelingen, zumindest im Augenblick Menschen auf eine Seite zu ziehen. Gegen den gleichermaßen als Reformator wirkenden Andreas Rudolff Bodenstein (1486–1541), genannt Karlstadt, polemisiert Martin Luther in seiner Schrift „Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakramenten“ (1525) unter anderem: „Daher plumpt mein Karlstadt herein wie eine Sau und Hund, und zerreißt alles was Christus redt und setzt vom innerlichen Glauben, auf solche äusserliche, erdichtete Werke, so gar auch, daß er aus dem Abendmahl Christi und seinem Gedächtniß und aus der Erkenntniß Christi nichts Anders macht denn ein menschlich Werk, daß wir mit brünstiger Hitze und (wie ihre tölpischen Worte lauten) mit ausgestreckter Lust sollen auch also uns tödten; damit er einen Nebel und Wolke macht, daß man diese hellen Worte nicht sehen solle, da Christus spricht: ‚Mein Blut wird vergossen für euch zur Vergebung der Sünde‘, welche ohne Zweifel allein mit dem Glauben gefaßt, erlangt und behalten werden, und mit keinem Werk.“ Da mag der ehemalige Augustinereremit und Theologieprofessor durchaus überzeugende Argumente haben, die sich auch auf sachlicher Ebene durchsetzen könnten, doch er garniert sie mit heftiger Polemik – und hat damit offenkundig Erfolg.

Wenn Polemik salonfähig wird


Was früher funktioniert hat, gelingt auch heute noch. Je komplexer die Welt sich zeigt, desto einfacher haben es einfache Antworten. Bleibt das kritische Hinterfragen aus, setzt sich durch, wer lauter und pointierter schreit. Dann wird Polemik zum Strudel, der kaum noch zu stoppen ist.

Es ist zu befürchten, dass das, was sich heute beim Schreiben dieses Buches wie ein tagesaktueller Ausflug in die politische und kirchliche Landschaft geriert, auch in einigen Jahren noch seine Entsprechungen findet. Das Folgende wird damit gleichsam zum historischen Beleg für Phänomene, die man in der Zukunft wird ausmachen können, nur eben jeweils aktualisiert auf Umstände und Personen.

Paradebeispiel Donald Trump


In der jüngeren Geschichte hat der im November 2024 wiedergewählte US-Präsident Donald Trump die politische und gesellschaftliche Debatte geprägt wie kaum ein anderer, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch darüber hinaus. In einem fast nicht zu übertreffenden Simplizismus teilt er die Welt in „Gut“ und „Böse“, in solche, mit denen man einen „Deal“ abschließen kann, und solche, die man bekämpfen muss – und macht sich damit ein Prinzip zu eigen, das populistische Menschen aller Couleur eint, nämlich „das populistische Prinzip des ‚Wir-hier-unten gegen Die-da-oben‘“, wie es der Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky zusammenfasst. Sie „nehmen für sich in Anspruch, für das ‚wahre Volk‘ zu sprechen“2. Dabei gilt einschränkend: „Sie meinen damit aber nicht jedermann oder alle Bürger. Sie meinen nicht das Staatsvolk – so wie es demokratische Verfassungen tun –, sondern eine bestimmte Gruppe, die in den Stand des ‚wahren‘ Volkes erhoben wird. Indem sie sich selbst zum Sprecher und ihre Agenda des Volkes machen, geben sie auch vor, wer das Volk ist und was es will.“3

Donald Trumps wirksamste rhetorische Waffe, politische Gegner und Konkurrentinnen in diesem „Spiel“ zu diskreditieren: Spitznamen. Seine einstmalige Mitbewerberin um das Präsidentenamt, Hillary Clinton, belegte er im erfolgreichen Wahlkampf mit dem Spitznamen „Crooked Hillary“. Sein Nachfolger, Präsident Joe Biden, wurde zu „Sleepy Joe“. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un verniedlichte er als „The Little Rocket Man“ und seine schließlich unterlegene Gegnerin im Präsidentenwahlkampf 2024, Kamala Harris, diffamierte er als „dumm wie ein Stein“ und „Crazy Kamala“. Im Internet werden eigene Listen geführt, wen Donald Trump mit welchen Spitznamen belegt hat. Über 200 Einträge zeigen, wie gern und wirkungsvoll er diese Taktik anwendet. Das Magazin „Columbia Journalism Review“, herausgegeben von der Columbia University Graduate School of Journalism, zeigt auf, dass Donald Trumps Spitznamen eine „enorme sprachliche Gewalt“ innewohnt. Er „präsentiert in einer komplizierten Welt eine leicht verdauliche moralische Einteilung“. Wenn seine Strategie der Beleidigung „gut eingesetzt wird, kann sie bei den...


Br. Andreas Murk, Jahrgang 1983, trat 2003 der Gemeinschaft der Franziskaner-Minoriten bei. Als Provinzialminister trägt er derzeit Verantwortung für die Brüder seines Ordens in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz. Im Mai 2022 wurde er zum Vorsitzenden der Deutschen Ordensobernkonferenz gewählt.



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