Nagel | Ein Märchenbuch | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 7, 256 Seiten

Reihe: Märchenhaft

Nagel Ein Märchenbuch

Märchen und Träume
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-3912-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Märchen und Träume

E-Book, Deutsch, Band 7, 256 Seiten

Reihe: Märchenhaft

ISBN: 978-3-7597-3912-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wenn du erzählst, erblüht die Wüste. In seinem epischen Werk erzählt Rafik Schami einerseits die Geschichte einer von Melancholie geplagten Prinzessin und wie sie durch Geschichten gerettet werden soll. Andererseits berichten zahlreiche Erzählerinnen und Erzähler ihre Alltagsgeschichten, Fabeln und Märchen zu den Themen Mut und Feigheit, Vernunft und Aberglaube, Freundschaft und Feindschaft sowie von der Liebe und der Weisheit des Herzens. Dieser Band aus der Reihe märchenhaft enthält Märchen, die von Menschen inspiriert oder für Menschen erfunden worden sind.

Jochen Nagel, geboren 1960 in Kassel, ist ein verträumter Realist, der seinen Mitmenschen ein offenes Ohr schenkt und ihren Problemen gegenüber aufgeschlossen ist. Mit einem stark ausgeprägten Gefühl für Gerechtigkeit, Ausgleich und soziale Eingliederung setzt er sich als Integrationsfigur in verschiedenen Rollen ein. Seine Introvertiertheit ist mit einem Schuss Extrovertiertheit angereichert. Diese Selbstanalyse bei einem psychologischen Seminar als Privatkundenberater bei der Postbank trifft noch heute zu. Die Eigenschaften sind ebenso hilfreich bei den Herausforderungen als Vorgesetzter bei der Deutschen Bundespost, als Prüfer der externen Finanzkontrolle und als Vorsitzender des Personalrats beim Bundesrechnungshof. Sein verträumter Realismus ist Ausgangspunkt für Habibis Reise, Weihnachten: Ein Geschenk, Afrika erzählt, Tröto, der Brillofant (Trilogie) und Galego sowie viele kleine, noch unveröffentlichte Geschichten und Märchen.

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Warum die Briefmarken Zacken haben
Wieder einmal neigte sich ein Tag dem Ende entgegen. Die Sonne, die sich während der nebel- und wolkenverhangenen Stunden der Helligkeit kaum gezeigt hatte, ging für ein paar Augenblicke zur Ruhe. Dunkelheit schlich heran. Dumpf schlug die Kirchturmuhr. Genau neun Mal. So wie jeden Tag war dies das Zeichen, meinen Sohn ins Bett zu schicken. Wie immer würde er nörgeln und versuchen, das Untertauchen unter die wärmende Decke hinauszuschieben. Ein wiederkehrendes Schauspiel. Indianer, den großen Häuptling Winnetou, musste er erst noch spielen. In Gedanken ritt er in rasendem Galopp über die Steppe, jagte Büffel, Bleichgesichter, grub das Kriegsbeil aus und ein, verbrüderte sich mit Old Shatterhand, um dann müde in seinen Wig Wam zu fallen. Dieser kleine Racker. Und ich war natürlich sein Pferdchen, welches den heldenhaften Reiter genügsam und geduldig von einer Aktion zur anderen trug. Ich habe gewiehert, geschnaubt, war ganz bei der Sache. Was tut man nicht alles, um die Kinder glücklich zu machen? Doch endlich hatte ich es geschafft und war selbst geschafft. Gott sei Dank, jetzt lag er in seinem „Zelt“ und ich kämpfte ebenso mit der Müdigkeit. Ich gab ihm noch einen Kuss auf die erhitzten Wangen, die glutrot wie ein Feuerball glänzten, schloss ihm die Augen und wollte mich gerade wie ein Dieb aus dem Zimmer stehlen, da unterbrach seine helle Stimme die Stille, welche sich gerade beruhigend ausgebreitet hatte. „Du, Papi,“ wollte er wissen und ich war sicher, dass es wieder eine seiner schwierigen, kaum zu beantwortenden Fragen sein würde, „warum haben die Briefmarken eigentlich so komische Zacken?“ Unerwartet traf mich dieser Satz wie ein Keulenschlag. Auf so etwas war ich natürlich nicht vorbereitet. Grübelnd zog ich die Stirn in Falten, so dass mein Sprössling bemerkte, dass ich nachdachte. „Was tun?“ träumte ich sinnend vor mich hin, „ich könnte ihm selbstverständlich etwas von der Nützlichkeit und Effektivität erzählen, die jene Zacken haben, wenn man die Marken auseinander trennen wollte. Doch dies war sicher nicht sein Wunsch und mir erschien es einfach zu banal.“ Nach einem tiefen, schweren Atemzug, der mein Gehirn erleichterte und anregte, begann ich eine Geschichte zu erzählen. Seine Augen wuchsen ins Unermessliche, glänzten vor Freude, die Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und ich war sicher, dass ich das Richtige tun würde. Also erfüllten meine Lippen den Raum mit folgenden Worten: 1
Es war einmal ein Königreich, genannt Picturien. Diesen Namen hatte es erhalten, weil alle Bewohner, die Picturaner, wenn sie nicht gerade auf den bunten, vielfarbigen Feldern arbeiteten oder andere Dienste erbrachten, liebend gern Bilder herstellten, Zeichnungen anfertigten oder ganz einfach vor sich hin malten. So kam es, dass das gesamte Reich einem riesigen Bild glich. Und dennoch, schaute man genau hin, dann war jedes Haus, jedwede Straße und ein jeder Platz ein Bild, ein Kunstwerk für sich. Die Hauswände waren versehen mit der Geschichte der in ihm lebenden Familien, ebenso mit der Historie der Region, des Weges, welcher an ihm vorbeiführte und der Stadt, welche das Haus beherbergte. Bunt schillerten alle Orte und erfreuten Bewohnerinnen und Bewohner, sowie Gäste gleichermaßen. Beeindruckt blieb man immer vor dem Heim eines jeden stehen, holte sich neue Anregungen oder halt ganz einfach, um die Wand zu vervollständigen. War es einem Besucher gar vergönnt, das Land einmal von oben zu betrachten, bemerkte er, dass die eigentlich unsinnig bemalten Dächer einen Sinn ergaben. Es war ein riesiges Bild und stellte immer, wenn auch in verschiedenen Formen und Farben, eine Huldigung an den Herrscher dieses herrlichen, farbenprächtigen und abwechslungsreichen Staates dar. König Paintos war der größte Bildernarr seines Reiches. Wie selbstverständlich. Das Schloss war mit seinem goldenen, kronenförmigen Dach und den unendlich schönen Außenwänden das Prunkstück aller Gebäude. Besonders aufregend am Heim des Monarchen waren die Fenster, welche sich in jedes Gesamtbild einer Häuserwand einpassten, aber trotzdem für sich betrachtet ein Meisterwerk der zeichnenden Kunst darstellten. Doch nicht genug mit den bemalten Außenwänden. Nein. Ebenfalls im Inneren protzte das Schloss mit den wunderbarsten Farbenspielen. Ein Bild hing neben dem anderen. Wand für Wand, Zimmer für Zimmer, Stockwerk für Stockwerk. Jahr für Jahr erhielt Paintos von seinen ergebenen, treuen und glücklichen Untertanen, die er nie als solche bezeichnete und schon gar nicht so behandelte, unzählige neue Bilder in den verschiedensten Formen. Runde, eckige, ovale, kegelförmige und ach, wer weiß wie viele Möglichkeiten die Phantasie schon geschaffen hatte und noch schaffen würde. 2
So lebten die Menschen und ihr König jahrein, jahraus glücklich und zufrieden. Allein eine Stelle im königlichen Heim war verwaist, riss weiße Farbe jäh ein Loch in die bunten Begrenzungen des Raumes. Paintos bewahrte diesen Ehrenplatz für das Hochzeitsgeschenk des Gemahls seiner Tochter, der Prinzessin Tatjana, auf. Wenn sich der 21. Jahrestag der Geburt des liebreizenden Wesens einstellen würde, sollte eine glanzvolle Hochzeit erfolgen und ein geniales, völlig neuartiges Bild den königlichen Palast zieren. Alsbald schon jährte sich zum einundzwanzigsten Mal der 9. Oktober, was gleichbedeutend mit dem Ehrentag für die Prinzessin, den Monarchen und das gesamte picturanische Volk war. Aber weh, noch war der Bräutigam nicht auserwählt worden. Paintos überhäufte man zwar mit Geschenken, doch das Bild, welches den weißen Fleck ausfüllen und dessen Maler den Platz an der Seite von Tatjana einnehmen würde, ward noch nicht gefunden. Enttäuscht zog der Monarch die königliche Stirn in Falten. „Es muss etwas geschehen“, sprach er zu sich selbst, „näher und näher rückt der Geburtstag und kein Freier ist in Sicht.“ Sein Blick fiel auf die Prinzessin, die ihn mit ihren grau-grünen Augen anblinzelte, welche ihn fast hinabzogen, wie auf den Grund eines Sees, und gleichzeitig an den gelockten, dunklen Haaren spielte. Schwer atmete er. Ein Lächeln Tatjanas fing ihn auf und gab ihm die Idee, die er in dieser Situation so dringend benötigte. „Hofmeister“, ließ er einen seiner Diener in den Thronsaal rufen, „schreib’ er Folgendes auf: Ich, Paintos, tue hiermit Folgendes kund’ Wer mir bringt zur Mittagsstund’ am 9. Oktober in heutigem Jahr ein Bild, eine Idee voller Genialität zu meinen Füßen, zum Thron der Majestät, dem wird Tatjana zur Gemahlin gewahr. So, und nun sende reitende Boten in alle Winkel meines Reiches, auf dass ein ehrenwerter, würdiger Picturaner gefunden werde, der die Prinzessin ehelichen kann.“ Kaum verstummte der König, da eilte der Hofmeister geschwind’, aber dennoch demütig und ehrerbietend, aus dem Saale, um die feierliche Botschaft auf ihren Weg zu schicken. 3
So geschah es, dass die Reiter das Schloss in alle Himmelsrichtungen verließen, in der Tasche die Schriftrolle und auf den Lippen die guten Wünsche des Herrschers über Picturien. Dieser freute sich indes über seinen Einfall und konnte den kommenden Wochen beruhigt entgegensehen, sowie die Vorbereitungen für das hohe Fest anlaufen lassen. Sieben Tage nach dem Absenden der Botschaft erreichte die Nachricht von der Aufgabe auch das Schwertlilienland, dem entferntesten Winkel von Picturien. Hier lebte einer der vielen Bauern, die dieses Land kannte, doch hatte dieser noch eine weitere Begabung. Bacon war ein begnadeter Maler. Die Aufgabe war für ihn maßgeschneidert. Doch würde er, ein einfacher Bauer und niederer Picturaner sich jemals Hoffnungen machen dürfen, die traumhaft schöne Prinzessin Tatjana an seiner Seite wähnen zu dürfen. Er musste es versuchen. Mehr als ablehnen konnte auch der Monarch sein Bild nicht. Also machte er sich auf, um ein neues, geistreiches, farbenfrohes, schillerndes Werk zu schaffen. In Gedanken weilte er dabei bei seiner heimlichen Liebe, die ihn bis in den Schlaf verfolgte und stets Mittelpunkt seiner Träume war. Oh’, welch’ wunderschöne Traumwelt. Könnte sie doch Wirklichkeit werden, Gestalt annehmen. Tatjana. Nachdenklich und trotzdem geleitet von einer zarten, liebenden Hand, der unbändigen Kraft der Liebe zog der Pinsel Strich um Strich auf die Leinwand, zeichnete Bacon das wichtigste Bild seines jungen Lebens. Eine besondere Idee trieb ihm die Zuneigung zu Tatjana ins Gehirn. Nicht ein simples Bild, nein, ein Bild versteckt im Bild sollte am Ende entstanden sein, jedoch allein für das geschulte Auge wirklich wahrnehmbar. Versteckt im Irrgarten der Farben, den endlos langen, grenzenlos verzweigten Linien, den scheinbar sinnlos aneinander gereihten Punkten und Klecksen vermochte man das...



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