E-Book, Deutsch, 1857 Seiten
Nansen In Nacht und Eis
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7528-2285-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Norwegische Polarexpedition 1893-1896
E-Book, Deutsch, 1857 Seiten
ISBN: 978-3-7528-2285-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Zoologe Fridtjof Nansen durchquerte als Polarforscher 1888 als erster Mensch Grönland über das Inlandeis und stellte während seiner Nordpolarexpedition (1893 - 1896) gemeinsam mit Fredrik Hjalmar Johansen am 8. April 1895 mit einer geografischen Breite von 86° 13,6' N einen neuen Rekord in der bis dahin größten erreichten Annäherung an den geografischen Nordpol auf. In diesem E-Book sind die gesamten spannenden Expeditionsberichte über die Nordpolarroute enthalten. Zusätzlich enthält das E-Book die interessante Beschreibung von Lieutenant Hjalmar Johansen: " Nansen und ich auf 86° 14' "
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Einleitung
Es wird eine Zeit kommen, nach späten Jahren,
da der Ozean die Fesseln der Dinge lösen wird,
da die unermeßliche Erde offen liegen wird, da
die Seefahrer neue Länder entdecken werden und
Tule nicht länger das fernste unter den Ländern
sein wird. Seneca Ungesehen und unbetreten, in mächtiger Todesruhe schlummerten die erstarrten Polargegenden unter ihrem unbefleckten Eismantel vom Anbeginn der Zeiten. In sein weißes Gewand gehüllt, streckte der gewaltige Riese seine feuchtkalten Eisglieder aus und brütete über Träumen von Jahrtausenden. Die Zeiten gingen; tief war die Stille. Da – in der Dämmerung der Geschichte, fern im Süden – erhob der erwachende Menschengeist sein Haupt und schaute über die Erde; gegen Süden begegnete ihm Wärme, gegen Norden Kälte, und hinter die Grenzen des Unbekannten verlegte er dann die beiden Reiche: das der allverzehrenden Hitze und das der vernichtenden Kälte. Aber vor dem stets wachsenden Drange des menschlichen Geistes nach Licht und Wissen mußten die Grenzen des Unbekannten Schritt für Schritt zurückweichen, bis sie im Norden an der Schwelle des großen Eiskirchhofs der Natur, der endlosen Stille der Polargegenden, stehen blieben. Bisher hatten keine unüberwindlichen Hindernisse sich den siegreich vordringenden Scharen in den Weg gestellt, und sie zogen getrost weiter. Aber hier machten die Riesen Front gegen sie, im Bunde mit den ärgsten Feinden des Lebens: dem Eise, der Kälte und der langen Winternacht. Schar auf Schar stürmte gen Norden, aber nur um Niederlage auf Niederlage zu erleiden. Neue Reihen standen bereit, um über ihre gefallenen Vorgänger hinweg vorzurücken. Unsäglich langsam nur vermochte das menschliche Auge die Nebel des Eismeeres zu durchdringen; hinter der Nebelwand lag das Land der Mythe: dort in Niflheim, dem dunkeln nordischen Sagenreich, tummelten sich die Rimtursen in ihren wilden Kampfspielen. Weshalb zogen wir stets wieder dorthin? Dort im Norden, in Dunkelheit und Kälte, lag Helheim, die Behausung des Todes, wo die Todesgöttin herrschte; dort lag Naastrand, der Leichenstrand. Dorthin, wo kein lebendes Wesen atmen konnte, – dorthin zog es Schar auf Schar – warum? Um Tote zurückzuholen, gleichwie Hermoder, da er hinausritt, um Baldr zu holen? Nein, Kundschaft für kommende Geschlechter holten sie; und willst du den menschlichen Geist in seinem edelsten Kampfe gegen Aberglauben und Finsternis; sehen, so lies die Geschichte der arktischen Reisen, lies die Geschichte von Männern, die zu Zeiten, da ein Überwintern in der Polarnacht den Tod sicherer erscheinen ließ als die Fortdauer des Lebens, dennoch mit fliegenden Fahnen hinauszogen nach dem Unbekannten. Nirgends ist wohl Wissen mit einer größern Summe von Entbehrungen, Not und Leiden erkauft; aber der menschliche Geist wird nicht rasten, ehe nicht jeder Fleck auch dieser Gegenden dem Fuße zugänglich gemacht und jedes Rätsel dort oben gelöst ist. Meile für Meile, Grad für Grad hat man sich mit Aufbietung aller Kräfte vorwärts geschlichen. Langsam tagt es; aber noch befinden wir uns mir im Morgengrauen, und Finsternis; schwebt immer noch über großen, öden Strecken dort oben am Pol. Unsere Vorväter, die alten Wikinger , waren die ersten Polarfahrer. Man hat gesagt, daß ihre Eismeerfahrten ohne Bedeutung waren, da sie keine dauernden Spuren hinterlassen haben. Dies ist jedoch nicht richtig. So gewiß wie die Fangschiffer der Jetztzeit in ihrem beständigen Kampfe mit Eis und Meer die Träger unserer Forschung dort im Norden sind, ebenso sicher sind die alten Norweger mit Erik dem Roten, Leifr und andern an der Spitze die Vorkämpfer für alle Polarfahrten künftiger Geschlechter gewesen. Man darf nicht vergessen, daß, gleichwie sie die ersten Ozeansegler waren, niemand vor ihnen den Kampf mit dem Eise aufgenommen hatte. Lange bevor andere seefahrende Nationen es gewagt hatten, das Fahrwasser längs der Küsten zu verlassen, durchstreiften unsere Vorfahren die nordischen Meere kreuz und quer, entdeckten Island und Grönland und besiedelten diese Länder, fanden später Amerika und scheuten sich nicht, quer über den ganzen Atlantischen Ozean zu segeln, von Grönland nach Norwegen. Manch harten Kampf mußten sie in ihren offenen Fahrzeugen an Grönlands Küsten mit dem Eise bestehen, und manch einer unterlag. Was sie auf diese Fahrten hinaus trieb, war wohl nicht allein die Sucht nach Abenteuern, obschon diese sicherlich einer der Grundzüge unseres Volkscharakters ist, sondern ebenso sehr die Notwendigkeit, neuen Boden zu entdecken für die vielen unruhigen Köpfe, die in Norwegen keinen Spielraum fanden. Aber auch von wirklichem Wissensdrang wurden sie getrieben. Schon Ottar, der um 890 sich am Hofe des Königs Alfred in England aufhielt, zog, wie wir wissen, hinaus, um die Ausdehnung der Länder zu erforschen oder, wie er selbst sagt: »Es regte sich in ihm eine göttliche Eingebung und der Wunsch, zu erfahren und zu zeigen, wie weit sich das Land nordwärts ausdehne, und ob sich menschliche Bewohner im Norden jenseits der Einöde fänden.« Er wohnte im nördlichsten Teile von Helgeland, wahrscheinlich auf Bjarköi, und fuhr ums Nordcap herum, sowie nach Osten bis ins Weiße Meer. Von Harald Hardraade, dem »erfahrenen König der Norweger«, erzählt Adam von Bremen, daß er eine Reise aufs Meer hinaus gegen Norden unternahm und »mit seinen Schiffen die Ausdehnung des nördlichen Ozeans untersuchte; aber Finsternis breitete sich aus vor dem Schlunde der entschwindenden Welt, und er entging mit genauer Not dem unermeßlichen Abgrunde, indem er seine Schiffe wendete«. Das war Ginnungagap, die gähnende, schreckliche Tiefe am Ende der Welt. Wie weit Harald kam, weiß niemand, aber jedenfalls verdient er Anerkennung als einer der ersten Polarfahrer, die aus reiner Wißbegierde reisten. Selbstverständlich waren diese Norweger nicht frei von den abergläubischen Anschauungen ihrer Zeit über die Polargegenden, wo sie ja ihr Ginnungagap, ihr Niflheim, Helheim und später Trollebotn hatten; aber selbst in diesen mythischen und poetischen Vorstellungen lag ein so bedeutender Kern wirklicher Beobachtung, daß man ihnen eine merkwürdig scharfe und klare Auffassung der wahren Natur der Verhältnisse nicht absprechen kann. Wie nüchtern und richtig sie sahen, zeigt sich am besten ein paar hundert Jahre später in der wissenschaftlichsten Abhandlung unserer alten Literatur, dem » Königsspiegel «, wo es heißt: »Sobald man die größte Strecke des wilden Meeres überwunden hat, so findet man in der See eine so große Eismenge, daß man nirgends in der ganzen Welt ihresgleichen gesehen hat. Einige von den Eisstücken sehen so flach aus, als wären sie auf dem Meere selbst gefroren; sie sind bald vier, bald fünf Ellen dick und liegen so weit ins Meer hinaus, daß man oft vier oder mehrere Tagereisen auf dem Eise machen muß, um ans Land zu kommen. »Aber diese Eismassen liegen mehr nordöstlich oder nördlich vom Lande als südlich und südwestlich oder westlich ... »...Diese Eismassen sind von seltsamer Natur. Sie liegen zuweilen so still wie möglich, mit abgesonderten Waken oder großen Fjorden; aber mitunter ist ihre Fahrt so stark und reißend, daß sie nicht langsamer gehen als ein Schiff, welches günstigen Wind hat, und sie treiben ebenso oft gegen den Wind als mit demselben.« Es ist dies eine Auffassung, die noch merkwürdiger wird, wenn man sie im Lichte der naiven Vorstellungen betrachtet, die die übrige Welt zu jener Zeit über fremde Erdstriche hegte. Dann siechte unser Volk dahin, und es vergingen Hunderte von Jahren, ehe die Fahrten nach den nördlichen Gewässern wieder aufgenommen wurden. Diesmal waren es andere Nationen, besonders die Holländer und Engländer, die vorangingen. Aber die nüchternen Anschauungen der alten Norweger waren verloren gegangen. An ihrer Stelle treffen wir unaufhörlich Beispiele der dem Menschen eigentümlichen Neigung zu phantastischen Ideen. Besonders im nördlichen Europa hat diese Lust einen weiten Spielraum gefunden. Da die vernichtende Kälte sich nicht vorfand, schlug die Theorie ins Gegenteil um, und sonderbar sind die falschen Vorstellungen, welche sich selbst bis auf unsere Tage erhalten haben. Es ist die alte Geschichte, daß die natürlichste Erklärung der Phänomene die am meisten gefürchtete ist; gibt es keinen Mittelweg, dann lieber die wildesten Hypothesen. Nur auf diese Weise konnte der Glaube an ein offenes Polarmeer entstehen und sich halten, obschon man überall auf Eis stieß – es mußte sich ja hinter dem Eise befinden. So konnte der Glaube an eine eisfreie Nordost- und Nordwestpassage zu den Reichtümern Kathais (Chinas) und Indiens, nachdem derselbe zuerst am Ende des 15. Jahrhunderts entstanden war, trotz Niederlage auf Niederlage immer wieder auftauchen. Da das Eis in südlichen Breiten den Weg versperrte, mußte dieser weiter nach Norden liegen; endlich suchte man die Durchfahrt über den Pol selbst. So wild diese Theorien auch waren, so haben sie doch zum Besten der Menschheit gewirkt, denn unsere Kenntnis der Erde wurde dadurch in hohem Grade erweitert. Man ersieht daraus, daß keine Arbeit im Dienste der Forschung nutzlos ist, selbst dann nicht, wenn sie von falschen Vorstellungen ausgeht. Diesen Chimären...