E-Book, Deutsch, 138 Seiten
Nawroth / Römer Diagnostik und Therapie der weiblichen Sterilität
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-11-024616-2
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 138 Seiten
Reihe: Frauenärztliche Taschenbücher
ISBN: 978-3-11-024616-2
Verlag: De Gruyter
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Unfruchtbarkeit ist ein häufiges Problem. In Mitteleuropa hat etwa jedes sechste Paar Probleme bei der Erfüllung des Kinderwunsches: 10% der Paare benötigen länger als zwei Jahre, um ein Kind zu bekommen, 3-4% der Paare bleiben dauerhaft ungewollt kinderlos.
Das neue stellt die weibliche Sterilität umfassend dar - ihre Ursachen, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.
Einzelne Kapitel gehen dezidiert auf endokrinologisch-bedingte Zyklusstörungen, Endometriose, Myome, immunologische Aspekte und psychologische Aspekte der Sterilität ein. Die gängigen Therapiemethoden werden - auch hinsichtlich ihrer Risiken und Erfolgschancen - kompakt dargestellt. Die abschließenden Kapitel enthalten rechtliche Grundlagen zur Sterilitätsbehandlung und Hinweise für das Paar.
Zielgruppe
Gynäkologen in Klinik und Praxis / Gynecologist in Private Practices and Clinics
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
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2. Sinnvolle individuelle Basisdiagnostik
2.1 Anamnese
Zur standardisierten Erfassung aller Daten ist die Erarbeitung eines Anamnesestammblattes sinnvoll, welches wenigstens die nachfolgenden Punkte enthalten sollte.
Erfassungsbogen Im Ergebnis der Anamnese steht die Beantwortung der Frage nach individuellen Risikofaktoren eines Paares sowie der Abwägung von Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen der bekannten Sterilitätsursachen. Im Sinne einer effektiven Diagnostik gilt es, frühzeitig zu entscheiden, in welchem Umfang eine Basisdiagnostik bzw. die Ergänzung von Voruntersuchungen/-befunden erforderlich ist. Ziel der initiierten Diagnostik ist es nicht mehr, bei jeder Patientin alle verfügbaren Untersuchungen inklusive Tubenabklärung durchzuführen, sondern Risikokollektive für bestimmte Probleme (Follikelreifungsstörung, tubarer Faktor etc.) zu selektieren, gezielt zu diagnostizieren bzw. bei niedrigen Risiken ggf. auch auf Teile der Diagnostik zu verzichten. Störungen der Follikelreifung und/oder Lutealfunktion
Klinischer Ausdruck einer Follikelreifungsstörung sind in aller Regel Zyklusstörungen. Berichtet eine Patientin verlässlich über eine Eumenorrhoe (ca. 28 ± 3–4 d) ohne prämenstruelle oder sonstige Schmierblutungen, werden dadurch grundlegende endokrinologische Probleme, einhergehend mit einer fehlenden Ovulation bzw. insuffizienten Lutealfunktion als Ursache des unerfüllten Kinderwunsches, eher unwahrscheinlich. Merke: Eine Eumenorrhoe ohne prämenstruelle Schmierblutungen schließt eine Follikelreifungsstörung bzw. insuffiziente Lutealfunktion mit hoher Wahrscheinlichkeit aus! Tubare Risikofaktoren
Voroperationen des weiblichen Genitale (z. B. Zustand nach Tubargravidität, Kürettagen, Myomenukleation) sowie Infektionen (z. B. Adnexitiden, vor allem aufgrund einer Chlamydieninfektion) gehen mit einem erhöhten Risiko tubarer Pathologien einher. Vor allem mit Hilfe von Vorbefunden hinsichtlich einer Chlamydieninfektion (positive Chlamydienserologie als Ausdruck einer zurückliegenden Infektion) lassen sich bereits beim ersten Gespräch bzw. nach dem Vorliegen der Befunde Risikokollektive definieren. Die PCR im Zervikalsekret oder Urin erfasst nur die akute Infektion, welche natürlich ebenfalls bedeutsam ist, aber bei Erstvorstellung einer Kinderwunschpatientin meist nicht vorliegt. Hier interessiert uns vor allem, ob in den letzten Jahren eine derartige Infektion abgelaufen ist, worauf die positive Chlamydienserologie schließen lässt, die sich daher als Risikofaktor für Tubenerkrankungen etabliert hat. 2.2 Zyklusmonitoring
Ärztliche Möglichkeiten zur Zyklusüberwachung stellen die Vaginalsonographie sowie Hormonbestimmungen dar. Ob letztere –ergänzend zum Ultraschall – erforderlich sind (Östradiol (E2) und Luteinisierendes Hormon (LH) präovulatorisch, E2 und Progesteron etwa eine Woche postovulatorisch), muss dabei individuell entschieden werden (Abb. 2.2.1). Grundsätzlich erlauben die Beurteilung der Folllikelgröße sowie der Endometriumdicke und -struktur neben der Zyklusanamnese in aller Regel eine valide Beurteilung der Follikelreifung. Generell gilt es, mit dem geringsten Aufwand eine effektive Aussage über die Dynamik der Follikelreifung und den Zeitpunkt der Ovulation zu treffen. Alternativ kommt auch die Kombination aus Sonographie und LH-Messung im Urin in Frage. Bei Zyklusstörungen ist eine Follikelreifungsstörung bzw. Anovulation bereits primär wahrscheinlich. In diesen Fällen erscheint eine Zyklusüberwachung meist nicht erforderlich, da das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostizierbar ist. Hier wäre nach erfolgter Basisdiagnostik (z. B. Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS) mit Oligomenorrhoe) eher z. B. eine sofortige ovarielle Stimulation zu überlegen. Abb. 2.2.1: Sonographisches und hormonelles Zyklusmonitoring. Merke: – selektierter Leitfollikel (Durchmesser > 10 mm) wächst etwa (1–)2 mm/Tag – Wahrscheinlichkeit einer befruchtungsfähigen Eizelle (Metaphase II) in einem Follikel mit einem Durchmesser von 13–15 mm ca. 30%, 16–18 mm ca. 60%, > 18 mm ca. 100% – spontane Ovulationsauslösung durch E2-Anstieg sowie endogenen LH-Peak bei einem Follikeldurchmesser von durchschnittlich etwa 20 mm (individuell aber überaus variabel!) – LH-Peak der Ovulation ca. 24 Stunden vorausgehend – Einschätzung der Suffizienz der Lutealfunktion durch die kombinierte Bestimmung von E2 und Progesteron im Serum etwa eine Woche postovulatorisch (E2 > 100 pg/ml, Progesteron > 8 ng/ml, keine prämenstruellen Schmierblutungen) in Kombination mit einem sonographisch darstellbaren, hoch aufgebauten (> 8–10 mm doppelte Endometriumsdicke) und homogenen Endometrium – Monitoring mittels Basaltemperatur (BT) > 3 Monate nicht sinnvoll – keine alleinige BT-Messung zum Monitoring im Rahmen der ovariellen Stimulation (Überstimulation!, Mehrlingsgravidität! mögliche antiöstrogene Effekte bei Clomifenstimulation!). 2.3 Effektive endokrinologische Basisdiagnostik
Bei der Vielzahl endokrinologischer Störungen, die zu einer Einschränkung der Fertilität führen können, stellt sich die Frage nach einem effektiven „Screening“. Bei vorhandenem Zyklus sollte eine sogenannte basale Diagnostik in der frühen Follikelphase (2.–5. Zyklustag) erfolgen. Diese Untersuchung sollte Marker der hypophysären, ovariellen, adrenalen und Schilddrüsenfunktion umfassen. Die WHO hat die verschiedenen Ursachen der Ovarialinsuffizienz klassifiziert (Abb. 2.3.1). Eine Diagnostik – ausgehend von einer alleinigen Prolaktinbestimmung – stellt für die meisten Patientinnen aber keine effektive Vorgehensweise in der Routine dar. Mit den heutigen Möglichkeiten einer zeitnahen Labordiagnostik lässt sich die Ursache der Problematik in aller Regel schnell abklären, und eine Stufendiagnostik ist nicht immer erforderlich. Abb.2.3.1: WHO-Klassifikation der Ovarialinsuffizienz. Die Basisdiagnostik sollte bei vorhandenen Zyklen zwischen dem 2.–5. Zyklustag erfolgen. Liegt eine Oligo- oder Amenorrhoe vor, kann sie jederzeit erfolgen, wenn das Endometrium schmal (< ca. 5 mm) ist. Bei einem höher aufgebauten Endometrium oder erkennbarem Follikel oder Ovarialzysten >10 mm ist die vorheriger Induktion einer Abbruchblutung durch die Gabe eines Gestagens über 10–12 Tage in Transformationsdosis und die erst danach erfolgende Basisdiagnostik zu empfehlen. Im Rahmen einer endokrinologischen Basisdiagnostik ist folgendes Vorgehen empfehlenswert: Hormonelle Basisdiagnostik bei Kinderwunsch-Patientinnen zwischen dem 2.–5. Zyklustag oder jederzeit bei bestehender (Oligo-)Amenorrhoe: E2 LH FSH Prolaktin Testosteron DHEAS SHBG Androstendion TSH ggf. AMH Eine derartige Diagnostik erlaubt – in Kombination mit den eingangs diskutierten anamnestischen und klinischen Daten (Zykluslänge, Habitus etc.) – eine Einschätzung relevanter hormoneller Störungen sowie die Initiierung einer eventuell weitergehenden Diagnostik (Stimulationstests etc.). Ovarielle Reserve
Ein basaler FSH-Wert > 8 IU/l (2.–5. Zyklustag) weist – unabhängig vom Alter sowie der Zykluslänge – auf eine verminderte Fertilität hin (Van der Steeg et al. 2007). Bei Patientinnen mit einem solchen Wert und/oder einer verkürzten Zykluslänge (als Ausdruck einer vorzeitigen Follikelreifung, die häufig erster Hinweis auf eine nachlassende ovarielle Reserve ist) bzw. generell ab einem Alter von >30 Jahren sowie vor ovariellen Stimulationen ist die Bestimmung des Anti-Müller-Hormones (AMH) sinnvoll. Dieses wird von den primären bis frühen antralen Follikeln (Durchmesser 2–5 mm) synthetisiert, korreliert mit der histologischen Dichte der Primordialfollikel und ist daher Ausdruck des vorhandenen (noch nicht FSH-sensitiven) Follikelpools. Die nachfolgende Zusammenfassung zur ovariellen Reserve wurde kürzlich publiziert (Nawroth et al. 2013). Merke: – Die AMH-Werte sollten im Kontext mit dem Alter individuell interpretiert werden. Die übrigen Hormonwerte sind weniger aussagekräftig. – Als Indiz für eine verminderte ovarielle Reserve ist ein FSH-Wert im oberen Referenzbereich (>8 mIU/ml) in der frühen Follikelphase (Zyklustag 2–5) zu werten. – Das AMH kann die auffällige basale Bestimmung von Östradiol und FSH am Zyklustag 2–5 (Östradiol > 80 pg/ml und/ oder FSH > 8 IE/l) bestätigen oder entkräften und erhöht somit die diagnostische Sicherheit. – Unter kombinierten hormonalen Kontrazeptiva – unabhängig von deren Applikationsart und Ethinylöstradiol-Dosis – ist das AMH um bis zu 30% niedriger zu erwarten als ohne eine solche Medikation. Das muss bei der Interpretation in dieser Situation erhobener AMH-Werte berücksichtigt werden. – Ohne die Anamnese eines unerfüllten Kinderwunsches ist die Beurteilung des AMH nach aktuellen Daten nicht oder nur sehr bedingt aussagekräftig. Ein generelles Screening von Frauen ist abzulehnen, ebenso ein individuell veranlasster „Fertilitäts-Check“. Bei Frauen ohne entsprechende Kinderwunschanamnese lässt ein niedriges AMH nicht die Aussage zu, dass die Fertilität aufgrund dessen tatsächlich eingeschränkt ist. – Eine Bestimmung von AMH...