E-Book, Deutsch, 216 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Neises Nachhaltigkeit lernen
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-648-16880-6
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie Unternehmen Bewusstsein und Strukturen für verantwortliches Wirtschaften schaffen
E-Book, Deutsch, 216 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-16880-6
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Armin Neises glaubt daran, dass mehr Transparenz in Bezug zur Nachhaltigkeit die Entscheidungen von verantwortungsbewussten Fach- und Führungskräften beeinflussen wird. Deshalb setzt er sich als Keynote Speaker, Nachhaltigkeits-Experte und Geschäftsführer eines Software-Unternehmens intensiv dafür ein, Nachhaltigkeit unter Nutzung der großen Möglichkeiten der Digitalisierung sichtbar zu machen. Damit wird ein Wirtschaften im Sinne hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften ermöglicht. Er ist Dipl.-Ing. Maschinenbau und verfügt über langjährige Erfahrung als Experte, Manager, Managementberater, Trainer und Coach. Darüber hinaus ist er begeisterter Musiker sowie Meditationslehrer.
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3 Das Konzept der Nachhaltigkeit verstehen
In diesem Kapitel möchten wir Leserinnen und Lesern unabhängig vom momentanen Wissensstand einen Überblick über das Thema Nachhaltigkeit geben und Zusammenhänge erläutern. Im Besonderen geht es darum, die Erkenntnisse auf das betriebliche Umfeld zu beziehen, um daraus abzuleiten, welche konkreten Anwendungsfälle im jeweiligen Kontext möglich sind.
Dabei werden für die eine oder den anderen vielleicht ganz neue Aspekte erkennbar oder aber bekanntes Wissen vergegenwärtigt und vertieft. Mit diesem Überblick ist der Grundstein gelegt für die Verbindung mit den in Teil II aufgeführten Anwendungsbeispielen.
Wir starten mit dem Überblick über die historische Entwicklung des in diesem Buch im Vordergrund stehenden Begriffes der »Nachhaltigkeit«. Es ist keineswegs ein neues Phänomen, sondern hat eine lange Tradition und fußt auf tiefgehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese Betrachtung beinhaltet auch Hinweise auf die neuesten Entwicklungen aus der Wissenschaft, die im »Klimabuch« von Greta Thunberg im Jahr 2022 festgehalten wurden, mit dem besonderen Augenmerk auf die Klimakipppunkte.
Danach gehen wir auf die »Game-Changer«-Entwicklungen in der EU ein, die einen entscheidenden Einfluss insbesondere auf Unternehmen haben werden. Hierbei geben wir Einführungen in die EU-Taxonomie, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie die mitgeltenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD).
Zum Abschluss des Kapitels greifen wir internationale und etablierte Regelwerke auf, die alle die gleiche Absicht verfolgen, nämlich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in den Unternehmen zu schärfen, die Vielfältigkeit der Aspekte abzubilden und den Unternehmen ganz praktisch zu helfen, ihre Bemühungen in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu steuern und nachzuweisen. Die Auflistung ist nicht vollständig, ermöglicht aber eine erste Auswahl und gibt einen Einblick in den Umfang der Betrachtungsobjekte, die mit dem Thema Nachhaltigkeit zusammenhängen.
3.1 Ein Blick in die Geschichte der Nachhaltigkeit
Schon 1713 stellte Hannß Carl von Carlowitz ein Konzept für nachhaltiges Wirtschaften vor. In seinem Buch »Sylvicultura oeconomica« beschrieb er die Grundlagen für eine nachhaltige Forstwirtschaft. Darin wies er darauf hin, dass für einen langfristig rentablen Silber- und Erzabbau Holz als wichtige Ressource nicht ausgebeutet werden dürfe. Er wollte damit eine drohende Rohstoffkrise verhindern, da die Minenbetreiber den Fokus auf schnelle Gewinne legten und so die langfristigen Konsequenzen von massiver Abholzung außer Acht ließen. Konkret legte er dar, dass für die langfristige Rentabilität der Silber- und Erzgewinnung in seiner Region in Deutschland die natürliche Ressource Holz für den Bergbauprozess eine entscheidende Grundlage sei. Er verwies darauf, dass nur dann Bäume gefällt werden dürften, wenn das ökologische Gleichgewicht durch die Anpflanzung neuer Bäume sowie das Wachstum des Bestands wiederhergestellt sei (von Carlowitz, 1713). Mit seiner Schrift ging er als Schöpfer des Begriffes der Nachhaltigkeit in die Geschichte ein.
3.2 Der Anfang der sozialen Verantwortung
Nach dem Boom der industriellen Revolution etwa 150 Jahre später wurde schnell sichtbar, dass die Art und Weise, wie Unternehmen die Menschen und Ressourcen ausbeuteten, der Gesellschaft eher schadete als nutzte. Daher wurden schon im 19. Jahrhundert Stimmen laut, die die Aufmerksamkeit auf die Verantwortung lenkten, die Unternehmen und die Wirtschaft für das Wohlergehen der Gesellschaft haben. Dazu gehörten Forderungen nach neuen Vorschriften für das Arbeitsrecht, bessere Sicherheitsstandards für die Arbeitenden und eine soziale Verantwortung für die Umwelt und das unmittelbare Umfeld, auf das die Unternehmen Einfluss haben, z. B. durch die Lage einer Fabrik nahe einer Stadt, durch die Abholzung von Wäldern oder die Schürfung von Kohle. Die Forderung lautete nun, dass sich Unternehmen der Verantwortung bewusst sein sollten, die sie für ihre Umwelt trugen.
Weitere Bedenken gegen gängige Geschäftspraktiken kamen im 20. Jahrhundert auf, als Wissenschaftler auf die negativen Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten auf die Umwelt hinwiesen. Als entscheidendes Werk hierbei ist »Limits to Growth« von Meadows et al. (1972) zu nennen, die mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen im Club of Rome darauf verwiesen, dass das derzeitige und prognostizierte Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum nicht durch die auf diesem Planeten vorhandenen natürlichen Ressourcen getragen werden kann.
3.3 Das »Limits to Growth«-Modell von 1972
Dieses Modell, das Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in einer Studie auf einer Computersimulation basierend entwickelten, nimmt die folgenden Faktoren in die Berechnung auf:
- die Zunahme der Weltbevölkerung,
- den Grad der Industrialisierung,
- die steigende Umweltverschmutzung,
- die globale Nahrungsproduktion und
- die momentane und zukünftige Ausbeutung der Ressourcen, die mit dem Anstieg in den anderen Variablen verbunden ist.
Anhand von zwölf unterschiedlichen Szenarien wollten die Forschenden die Interaktion dieser Faktoren verstehen. Für jede Ausgangssituation wurden Veränderungen der Variablen errechnet, die durch unterschiedliches Eingreifen der Politik potenziell möglich seien oder die – z. B. durch eine höhere Nahrungsproduktion durch landwirtschaftliche Weiterentwicklung, einen höheren Grad an Ressourcenvorkommen, Schwankungen in der Geburtenrate und unterschiedliche technologische Fortschritte – die Umweltauswirkungen der industriellen Produktion beeinflussen. Durch diese Manipulationen der Daten konnten die Wissenschaftler realistische Szenarien simulieren, von Worst Case bis Best Case. Der Worst Case stellte zugleich auch den damaligen Status quo dar und beschrieb die zu erwartende Situation, wenn keine entsprechenden Gesetze erlassen würden, um die Umwelt zu schützen und um die Ressourcenausbeutung zu regulieren. Er zeigte auf, was passieren würde, wenn Politiker auf der ganzen Welt 1972 beschließen würden, so weiterzumachen wie bis dahin.
Die Status-quo-Simulation des Limits-to-Growth-Modells führte zu einem vernichtenden Ergebnis, da sie auf der Grundlage der damaligen Daten und Annahmen zeigte, dass die unaufhaltsame Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und das kontinuierliche Bevölkerungswachstum zu einer globalen Krise führen würden. Die Simulation prognostizierte, dass ohne signifikante Veränderungen in der Art und Weise, wie Gesellschaften Ressourcen verbrauchen und wirtschaftliche Aktivitäten betreiben, ein Ende des Wirtschaftswachstums und ein starker Rückgang des Bevölkerungswachstums ab Mitte des 21. Jahrhunderts eintreten würden.
Alle folgenden Simulationen gingen von strikterem Eingreifen der Politik oder dem doppelten Ressourcenvermögen sowie von Eingriffen in die Geburtenrate aus. Dass es sich dabei durchaus um realistische Überlegungen handelte, zeigte der deutliche Rückgang des Bevölkerungswachstums, als die chinesische Regierung 1980 die EinKind-Politik einführte. Zu diesem Zeitpunkt lag die Wachstumsrate der Weltbevölkerung bei rund 1,7 % jährlich, als China die Ein-Kind-Politik 2015 außer Kraft setzte, war die jährliche Rate auf 1,1 % gesunken.
In Abb. 2.1 sieht man die anfängliche Computersimulation des Worst Case. Ganz besonders zeigt sich das Zusammenspiel zwischen dem Ressourcenvorkommen und der industriellen Produktion und damit der Zunahme der Lebensmittelproduktion pro Kopf. Ein hohes natürliches Ressourcenvorkommen bedeutet also einen hohen Output der Industrie und der Lebensmittelhersteller. Wenn die natürlichen Ressourcen kontinuierlich ausgebeutet und verschwendet werden, bricht damit früher oder später auch die industrielle und die Lebensmittelproduktion ein. Eine geringere Lebensmittelproduktion unterstützt wiederum das Bevölkerungswachstum nicht. Jedoch konnte im Zusammenhang mit dem massiven Einbrechen der industriellen Produktion eine deutliche Minderung der Umweltverschmutzung vorhergesagt werden, weil die Industrie ohne ausreichende Ressourcen zur Verarbeitung ihre Produktion verlangsamen oder gar stoppen muss. Dadurch entstehen weniger Emissionen und Abfälle.
Abb. 2.1: Das Limits-to-Growth-Modell (Abbildung in Anlehnung an »Limits to Growth«)
Auch wenn 1972 noch niemand mit Sicherheit sagen konnte, was im nächsten Jahrhundert passieren würde, ist das »Limits to Growth«-Modell heute aktueller denn je und seine Annahmen haben sich angesichts der aktuell bestehenden...




