Nerdinger | Unternehmensschädigendes Verhalten erkennen und verhindern | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band Band 15, 99 Seiten

Reihe: Praxis der Personalpsychologie

Nerdinger Unternehmensschädigendes Verhalten erkennen und verhindern

E-Book, Deutsch, Band Band 15, 99 Seiten

Reihe: Praxis der Personalpsychologie

ISBN: 978-3-8444-1971-9
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Unternehmensschädigendes Verhalten verletzt die legitimen Interessen einer Organisation, wobei es prinzipiell deren Mitglieder oder die Organisation als Ganzes schädigen kann. Beispiele für so ein Verhalten sind Diebstahl, die Weitergabe vertraulicher Informationen, die Abwicklung von Privatangelegenheiten während der Arbeitszeit, unentschuldigte Abwesenheit vom Arbeitsplatz, aber auch Alkoholmissbrauch und unangemessenes verbales Verhalten bis hin zu Aggressionen und sexuellen Belästigungen. Das Buch gibt zum ersten Mal in deutscher Sprache einen praxisorientierten Überblick über den Stand der Forschung zum unternehmensschädigenden, kontraproduktiven Verhalten und beschreibt Konsequenzen für die Praxis. Das Phänomen wird analysiert als Folge von Begrenzungen der Informationsverarbeitung, als Stressreaktion und als ein – vorwiegend durch das Erleben von Ungerechtigkeit – motiviertes Verhalten. Als mögliche Bedingungen kontraproduktiven Verhaltens werden Persönlichkeitsmerkmale, Merkmale der Arbeit, der Arbeitsgruppe bzw. der Organisation beschrieben, und es wird die Rolle von Kontrollsystemen und von erlebter Ungerechtigkeit thematisiert. Ein deutlicher Schwerpunkt des Bandes liegt auf Möglichkeiten der Prävention sowie der Schadensbegrenzung. Dazu zählen die gezielte Gestaltung der Organisation, der Führung der Auswahl von Mitarbeitern sowie deren Training. Das Buch gibt damit allen Interessierten einen grundlegenden Überblick über alle relevanten Fragen, die sich Personalmanagern beim Umgang mit problematischem, kontraproduktiven Mitarbeiterverhalten stellen.
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2      Modelle
Vielfalt der Modelle spezieller Verhaltensweisen Wie so häufig in der psychologischen – und allgemein der sozialwissenschaftlichen – Forschung, finden sich auch zur Erklärung kontraproduktiven Verhaltens viele verschiedene Erklärungsansätze: Psychologische Phänomene und menschliches Verhalten lassen sich eben je nach dem Blickwinkel, unter dem sie analysiert werden, unterschiedlich erklären. Betrachtet man jeweils konkrete kontraproduktive Verhaltensweisen, können entsprechend viele, sehr spezifische Modelle entwickelt werden. Zum Beispiel finden sich Modelle zur Erklärung von Absentismus (Johns, 2001), von Gewalt am Arbeitsplatz (Martinko & Zellars, 1988), von Sabotage (Klein, Leong & Silva, 1996) oder von sexueller Belästigung (Gutek, Cohen & Konrad, 1990). Im Folgenden sollen nicht solche speziellen Verhaltensweisen erklärt werden, sondern die übergreifende Klasse des kontraproduktiven Verhaltens. Dafür ist es notwendig, allgemeine Erklärungsmechanismen herauszuarbeiten. Auch auf diesem Feld finden sich unterschiedliche Herangehensweisen. Modelle allgemeinen kontraproduktiven Verhaltens Blickt man auf die Prozesse der Informationsverarbeitung, die einem solchen Verhalten vorauslaufen, erscheint die Wahrnehmung und Erklärung von erlebten Ungleichgewichten entscheidend (Martinko, Gundlach & Douglas, 2002). Stehen bestimmte auslösende Ereignisse im Zentrum des Interesses, kann kontraproduktives Verhalten als Reaktion auf Frustrationserlebnisse im Betrieb (Spector, 1978) oder allgemeiner als eine Stressreaktion betrachtet werden, die von negativen Emotionen gesteuert wird (Spector & Fox, 2005). Interessiert man sich dagegen in erster Linie für die Motivation kontraproduktiven Verhaltens, erscheint die Erklärung der Absichten, die diesem Verhalten zugrunde liegen, sehr viel wichtiger (Vardi & Weitz, 2004). Diese Blickwinkel werden im Folgenden eingenommen, um ein vollständigeres Bild des komplexen Phänomens zu bekommen. 2.1   Informationsverarbeitungsperspektive: Die Theorie kausalen Schlussfolgerns
Erklärung von Ereignissen durch Schlussfolgerungen Wie der Name Theorie kausalen Schlussfolgerns (causal reasoning theory) andeutet, steht im Kern dieses Ansatzes die Erklärung von Ereignissen durch Schlussfolgerungen, speziell durch die Zuschreibung von Ursachen (Martinko et al., 2002). Diesem Vorgang liegt ein allgemeines menschliches Merkmal zugrunde: Menschen suchen grundsätzlich für subjektiv wichtige Ereignisse nach Erklärungen, zu diesem Zweck schreiben sie den für sie wichtigen Ereignissen bestimmte Ursachen zu. Dieser Vorgang wird daher auch als Attribution, das heißt als Zuschreibung, bezeichnet (Nerdinger, 2003a). Internale und externale Attribution Die für Menschen wichtigen Ereignisse lassen sich prinzipiell auf zwei Klassen von Ursachen zurückführen – Faktoren, die in der Person und solche, die in der Umwelt liegen (Heider, 1958). Die Zuschreibung von Ursachen auf die Person wird als internale Attribution, die Zuschreibung auf Merkmale der Umwelt als externale Attribution bezeichnet. Streicht zum Beispiel ein Vorgesetzter seinem Mitarbeiter eine Prämie, wird dieser vermutlich intensiv über die Ursache dieses für ihn ebenso wichtigen wie unerfreulichen Ereignisses nachdenken. Schreibt er sich die Ursache selbst zu, möglicherweise seiner Unfähigkeit oder seinem mangelndem Engagement in der Arbeit – eine Erklärung, die ihm vermutlich auch sein Vorgesetzter nahegelegt hat –, attribuiert er die Ursache internal. Erklärt er sich das Ereignis dagegen durch Umstände der Umwelt, zum Beispiel durch die Ungerechtigkeit des Vorgesetzten oder durch die ungünstige Konjunktur, die ein besseres Abschneiden verhindert hat, attribuiert er external. Zeitliche Stabilität der Attribution Die Unterscheidung in internale und externale Ursachen wird der Komplexität möglicher Zuschreibungen allerdings noch nicht völlig gerecht. Die genannten Ursachen lassen sich auch danach unterscheiden, ob sie zeitlich stabil sind oder ob sie sich ständig verändern, das heißt zeitlich variabel sind (Weiner, 1994). Eine internale Zuschreibung kann auf stabile Faktoren wie die Persönlichkeit, die eigene (Un-)Fähigkeit oder andere Merkmale erfolgen, die sich in der Zeit kaum wandeln. Internal variabel wäre dagegen eine Zuschreibung auf das eigene Engagement, da man allgemein davon ausgeht, dass dieses vom Willen abhängt und daher gewissen Schwankungen unterliegt. Entsprechend können auch externale Attributionen zeitlich stabil oder variabel sein: Erlebt der Mitarbeiter den Vorgesetzten immer als ungerecht, wird er dies als kaum veränderbares, das heißt stabiles, Merkmal ansehen. Erklärt er dagegen ein Ereignis mit Pech, so ist das – sofern er sich nicht als „Pechvogel“ sieht, d. h. als einen Menschen, der immer Pech hat – ein zufälliges Ereignis, das sich in der nächsten vergleichbaren Situation nicht wiederholen muss. Entstehung negativer Emotionen durch Attributionen Vor allem zeitlich stabile Attributionen zur Erklärung negativer Ereignisse können zu Emotionen führen, die wiederum in der Lage sind, kontraproduktives Verhalten auszulösen: Erklärt sich der Mitarbeiter im Beispiel die Streichung seiner Prämie mit seiner eigenen Unfähigkeit (internal-stabile Attribution), so löst das mit größter Wahrscheinlichkeit negative Gefühle wie Schuld oder Scham aus. Solche Gefühle können wiederum Formen unternehmensschädigenden Verhaltens auslösen, die Martinko et al. (2002) als selbstzerstörerisch bezeichnen: Dazu zählen Alkoholmissbrauch, Absentismus (weil man damit längerfristig seine Entlassung provoziert), andauernde Unzufriedenheit und andere Verhaltensweisen, die letztlich der eigenen Person schaden. Erklärt der Mitarbeiter dagegen das Ereignis mit der permanenten Ungerechtigkeit seines Vorgesetzten (external-stabil), wird er Ärger oder Frustration erleben und möglicherweise nach Vergeltung trachten. Diese negativen Emotionen können zu kontraproduktivem Verhalten führen, das gegen die Umwelt gerichtet ist – Diebstahl (Greenberg, 1997), Sabotage (Berndsen, 1997) oder Betrug (Pearce & Henderson, 2000) wären extreme Folgen. Das vollständige Modell der Theorie kausalen Schlussfolgerns zeigt die Abbildung 2. Ausgangspunkt: Wahrgenommene Ungleichgewichte Ausgangspunkt der beschriebenen Attributionen sind nach dieser Theorie wahrgenommene Ungleichgewichte: Demnach bewerten Menschen die Qualität von Ergebnissen, die sie persönlich betreffen, zum Beispiel hinsichtlich der wahrgenommenen Fairness, der erlebten Gerechtigkeit, ob es sich um einen Erfolg oder einen Misserfolg handelt etc. Gewöhnlich wird das eingetretene Ereignis mit einem erwünschten verglichen, was zur Wahrnehmung eines Ungleichgewichtes zwischen Wunsch und Wirklichkeit führen kann. Das Erleben von Ungerechtigkeit ist ein spezieller und – wie noch gezeigt wird (s. u. Kap. 3.6) – für die Erklärung kontraproduktiven Verhaltens besonders wichtiger Fall eines solchen Ungleichgewichtes (Cropanzano, Rupp, Mohler & Schminke, 2001). Abbildung 2: Die Theorie kausalen Schlussfolgerns (nach Martinko et al., 2002, S. 43) Situative Bedingungen Diese Prozesse der Informationsverarbeitung, die Bewertung und die kausale Erklärung, werden durch Ereignisse ausgelöst, die Martinko et al. (2002) auf Merkmale der Situation, in der sich Menschen befinden, und auf individuelle Unterschiede in der jeweiligen Persönlichkeit zurückführen. Merkmale der Situation, das heißt situative Bedingungen können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Mitarbeiter negative Ereignisse erleben, die zu wahrgenommenen Ungleichgewichten führen. Hat zum Beispiel ein Vorgesetzter einen sehr autoritären Führungsstil, so führt das bei seinen Mitarbeitern leicht zu Gefühlen ungerechter Behandlung, da sie in Entscheidungen des Vorgesetzten nicht einbezogen werden. Eine hochgradige Bürokratisierung des Arbeitslebens löst – ironischerweise – ebenfalls leicht solche Bewertungen aus: Ausgangspunkt der Bürokratie ist ja nicht zuletzt das Bestreben, möglichst eindeutige, jedem Fall entsprechende und damit in höchstem Maße gerechte Bedingungen in der Arbeit zu schaffen. Die dazu eingesetzten Mittel – Vorschriften und Regeln – haben aber die Tendenz, sich ständig zu vermehren, was ein Zeichen dafür ist, dass man auf diesem Wege eben nicht jedem individuellen Fall gerecht werden kann. In der Folge können gerade die Mittel zur Herstellung von Gerechtigkeit zu verstärkten Gefühlen der Ungerechtigkeit führen (weitere Beispiele finden sich in Abb. 2). Individuelle Bedingungen Individuelle Unterschiede sind nach der Theorie kausalen Schlussfolgerns Neigungen der Menschen, Ungleichgewichte wahrzunehmen bzw. Voreingenommenheiten in der Attribution der Ursachen für diese Ungleichgewichte. Eine Tendenz, Ungleichgewichte wahrzunehmen, kann zum Beispiel durch das Personmerkmal der Negativen Affektivität entstehen. Darunter versteht man die Neigung, regelmäßig hohe Grade an unangenehmen Gefühlen wie Ärger, Furcht, Feindseligkeit oder Angst zu erleben. Menschen unterscheiden sich in dieser Neigung – wer eine entsprechende Disposition hat, ist weniger zufrieden mit seinem Leben, konzentriert sich mehr auf negative Aspekte der Umwelt und wird von anderen eher als fordernd und feindselig erlebt (vgl. Amelang & Bartussek, 2006). Attributionsstile Voreingenommenheiten in der Erklärung von Ereignissen können durch verschiedene Attributionsstile zustande kommen. So lassen sich zum...


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