Neuner / Catani / Schauer | Narrative Expositionstherapie (NET) | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 83, 99 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

Neuner / Catani / Schauer Narrative Expositionstherapie (NET)

E-Book, Deutsch, Band 83, 99 Seiten

Reihe: Fortschritte der Psychotherapie

ISBN: 978-3-8444-3097-4
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Narrative Expositionstherapie (NET) ist eine kurze, pragmatische, evidenzbasierte Methode zur Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Opfern komplexer Traumatisierungen, wie z.B. Überlebende von Flucht, Folter und Kindesmisshandlung. Im Unterschied zu anderen Therapieformen wird in der NET die gesamte Biografie der Patientinnen und Patienten berücksichtigt und aufgearbeitet. Der Band gibt einen Überblick über die Methode, geht auf kritische Situationen in der Therapie ein und veranschaulicht das Vorgehen anhand eines Fallbeispiels.
Grundlage des Vorgehens ist die psychobiologische Gedächtnistheorie der Posttraumatischen Belastungsstörung, die ein Verständnis für extreme Reaktionsformen ermöglicht. Darauf aufbauend wird der Therapieprozess Schritt für Schritt dargestellt und durch ein Fallbeispiel illustriert. Eingegangen wird außerdem auf die zahlreichen Herausforderungen und Fallstricke in der Therapie, wie beispielsweise den Umgang mit extremen Gefühlen und körperlichen Zuständen, Dissoziation und Vermeidungsverhalten. Der Band liefert für Therapeutinnen und Therapeuten mit Vorerfahrungen in Traumatherapie oder mit einer Fortbildung in Narrativer Expositionstherapie einen praxisorientierten Leitfaden zur Durchführung der NET.
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Zielgruppe


Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut_innen, Fachärzt_innen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinische Psycholog_innen, Psychologische Berater_innen, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Weitere Infos & Material


2  Störungsmodell der Narrativen Expositionstherapie
Die Narrative Expositionstherapie wurde auf der Grundlage von psychologischen Trauma-Theorien entwickelt, die dysfunktionale Gedächtnisprozesse als Kern der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ansehen (Elbert, Schauer & Neuner, 2015; Brewin, 2013; Brewin, Dalgleish & Joseph, 1996; Ehlers & Clark, 2000). Der Fokus auf PTBS begründet sich dadurch, dass unter allen Störungen, die mit traumatischen Erlebnissen assoziiert sind, die PTBS die häufigste Störung ist, und in der gegenwärtigen Forschung die diagnostische Grundlage für Theorien sowie Therapiestudien zu traumafokussierten Verfahren darstellt. Diese Theorien sind mit wenigen Erweiterungen (siehe Einschluss von sozialer Traumatisierung weiter unten) jedoch dazu in der Lage, auch Symptome anderer Traumafolgestörungen, vor allem auch der Depression zu erklären. Eine Erweiterung der Theorien und traumafokussierten Behandlungsmethoden auf andere Primärdiagnosen als der PTBS wird derzeit von unterschiedlichen Arbeitsgruppen versucht. Beim gegenwärtigen Erkenntnisstand kann die Durchführung einer traumafokussierten Therapie wie der NET aber nur bei einer Primärdiagnose PTBS empfohlen werden. |5|Die verschiedenen Varianten der Gedächtnistheorien der PTBS gehen davon aus, dass menschliche Erinnerungen in zwei qualitativ unterschiedlichen Gedächtnissystemen abgespeichert werden, nämlich einer assoziativen Gedächtnisstruktur und einem Kontextgedächtnis. Das assoziative Gedächtnis wird in unterschiedlichen Theorien auch als auch als situationell zugängliches Gedächtnis, heißes Gedächtnis, Furchtstruktur oder „s-rep“ bezeichnet; das Kontextgedächtnis dagegen als verbal zugängliches Gedächtnis, kaltes Gedächtnis oder „c-rep“ (Brewin, 2013; Brewin et al., 1996; Metcalfe & Jacobs, 1996). In einer integrativen Zusammenschau der verschiedenen Theorien entscheiden wir uns hier für die Formulierung Bedrohungsnetzwerk (eine ältere Bezeichnung ist auch „Furchtnetzwerk“), als Begriff für ein aus einem Trauma resultierendes assoziatives Gedächtnis, gegenüber Patienten verwenden wir hierfür auch den Namen heißes Gedächtnis. Das Kontextgedächtnis bezeichnen wir als Kontextspeicher, oder auch, als Metapher für Patienten, kaltes Gedächtnis. Während diese beiden Gedächtnissysteme bei der Kodierung und beim Abruf alltäglicher Ereignisse völlig unauffällig zusammenarbeiten, bedingen neurokognitive Prozesse, die während des Traumas ablaufen, sowie Vorgänge im Gehirn, die nach dem Trauma stattfinden, eine Aufspaltung dieser beiden Gedächtnissysteme, was letztlich zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Traumasymptomen führt. Das Störungsmodell der Narrativen Expositionstherapie unterscheidet drei Betrachtungsebenen in der Entstehung und Aufrechterhaltung der traumabezogenen Pathologie. Eine Betrachtungsebene besteht in den Erlebnissen während der traumatischen Erlebnisse, den sogenannten peritraumatischen Erfahrungen. Die extreme Belastung und Bedrohung während des Traumas führen zu spezifischen körperlichen und seelischen Reaktionen, die weit außerhalb der gewöhnlichen menschlichen Erfahrung liegen und deshalb in der Regel von den Betroffenen selbst auch in der Erinnerung als fremd und bedrohlich erlebt werden. Die zweite Betrachtungsebene beschreibt die Abspeicherung dieser Erlebnisse im Gedächtnis, die nach dem Erleben der traumatischen Erfahrungen und – beim Vorliegen mehrerer Traumata – auch zwischen den traumatischen Erlebnissen wirksam ist. Die Kodierung dieser Extremreaktionen weist pathologische Auffälligkeiten auf, die letztlich den Kern der PTBS und die Grundlage der Aufrechterhaltung der Störung begründen. In der Lebensspannenperspektive, die davon ausgeht, dass die meisten Patientinnen mehr als nur eine belastende und traumatische Erfahrung erleben, entstehen sukzessive komplexere Gedächtnisrepräsentationen, die das Erleben intensiv speichern, denen aber der räumliche und zeitliche Kontext fehlt. Die dritte Betrachtungsebene besteht in den Bewältigungsversuchen der Patientinnen. Patientinnen, bei denen über die Jahre ein stabiles Traumagedächtnis entstanden ist, entwickeln mehr oder weniger adaptive Bewältigungsstrategien rund um ihre sich aufdrängenden Erinnerungen und den daraus folgenden |6|Reaktionen. Diese Versuche, mit dem Leben danach fertig zu werden, begründen häufig die Stabilität und Chronifizierung der PTBS sowie weitere Komorbidität wie Depression und Substanzmittelmissbrauch. Für die Fallkonzeption im Rahmen der NET ist erforderlich, diese drei Betrachtungsebenen zu berücksichtigen, wobei alle Annahmen vor der Therapie hypothetisch bleiben, und im Laufe der Behandlung angepasst werden müssen. 2.1  Körper und Geist während des Traumas: Die Extreme der Verteidigungskaskade
Traumatische Ereignisse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie aufgrund der intensiven Bedrohung emotionale, kognitive und körperliche Reaktionen bewirken, die das Ausmaß gewöhnlicher Stressreaktionen bei weitem überschreiten und sich vom alltäglichen emotionalen Erleben fundamental unterscheiden.2 Ein genaues Verständnis des Verhaltens und Erlebens während der traumatischen Ereignisse, der sogenannten peritraumatischen Reaktionen, ist für eine erfolgreiche Expositionstherapie von PTBS Patienten notwendig, da diese Erlebnisweisen intensiv im Gedächtnis bleiben und das Wiedererle|7|ben dieser Inhalte den Kern der PTBS ausmacht. Derartige, teilweise sehr befremdliche Erfahrungen müssen von der Therapeutin auf der Grundlage des Wissens über extreme Stressreaktionen erkannt und verstanden werden, um wiederum der Patientin ein Verständnis für ihre eigenen extremen Erlebnisweisen zu ermöglichen. Die menschliche Stressreaktion besteht, entgegen weitverbreiteter Annahmen, nicht aus einer einheitlichen physiologischen Erregung, sondern beinhaltet eine Bandbreite von möglichen Reaktionsweisen. In der Theorie der Verteidigungskaskade (Lang, Davis & Ohman, 2000; Schauer & Elbert, 2010) wird angenommen, dass die Antwort auf eine Bedrohung sich im zeitlichen Verlauf verändert und abhängig ist von der Intensität der Bedrohung, der Nähe des Bedrohungsreizes, sowie den verbleibenden Reaktionsmöglichkeiten für die Person. Die Verteidigungskaskade besteht aus charakteristischen Reaktionsmustern die mit dem Ziel, einen Angriff abzuwehren und das Überleben zu sichern, sequenziell aufeinanderfolgen (vgl. Abbildung 2). Die erste Reaktion in der Verteidigungskaskade ist dabei die sogenannte Orientierungsreaktion (Freezing). Diese Reaktion, die nur wenige Sekunden anhält, beinhaltet ein kurzes Erstarren bei der plötzlichen Wahrnehmung einer möglichen Bedrohung. Physiologische Studien haben gezeigt, dass diese erste Phase der Stressreaktion nicht mit einer Zunahme, sondern mit einer zeitlich begrenzten Abnahme der Herzrate einhergeht. Dieses kurze Innehalten erlaubt eine maximale äußere Aufmerksamkeit und dient der fokussierten Einschätzung der Situation bis zur Entscheidung, ob eine Bedrohung vorliegt, die eine Flucht erfordert (vgl. hierzu auch die Karte „Verteidigungskaskade der menschlichen Stressreaktion“ am Ende des Buches). Die zweite Phase der Verteidigung ist ein Reaktionsmuster, das allgemein als die typische Stressantwort der Kampf-Flucht-Reaktion bekannt ist. Wie bei allen Fluchttieren ist auch beim Menschen die primäre Reaktion auf eine Bedrohung die Flucht, die durch die Emotion Furcht gekennzeichnet ist. Sie geht einher mit einer Zunahme der physiologischen Erregung wie Herzfrequenzbeschleunigung, Blutdruckerhöhung und Gefäßverengung. Der Organismus wird so auf die unmittelbare Mobilisierung von Ressourcen für eine schnelle körperliche Reaktion vorbereitet. Wenn eine Flucht nicht gelingt, oder wenn der Angreifer als bewältigbar erscheint, erfolgt der Kampf als weitere Form der Verteidigung. In der physiologischen Reaktion besteht die Kampfreaktion ebenfalls aus einer physiologischen Erregung, im Verhalten wird aber die Annäherung statt der Entfernung vom Angreifer gesucht, und emotional wird der Zustand als Wut und Ärger wahrgenommen. Die sogenannte Kampf- und Fluchtreaktion wird seit Cannon (1915) als der Standard der Stressreaktion angesehen, und bildet die biopsychologische Grundlage für alltägliche Belastungserfahrungen. Eine extreme und anhaltende Bedrohung, wie sie während traumatischer Ereignisse...


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