Neuschaefer | Die Nordischen Sagen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Reihe Hanser

Neuschaefer Die Nordischen Sagen

Thor, Odin, Loki und der Kampf der Welten - Neu erzählt von Katharina Neuschaefer
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-423-41428-9
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thor, Odin, Loki und der Kampf der Welten - Neu erzählt von Katharina Neuschaefer

E-Book, Deutsch, 200 Seiten

Reihe: Reihe Hanser

ISBN: 978-3-423-41428-9
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Endlich Ordnung am nordischen Götterhimmel Über die nordischen Göttermythen weiß man hierzulande meist deutlich weniger als über die griechischen und römischen. Dabei tummeln sich dort gewaltige Riesen, Zwerge, Schlangen, Walküren, achtbeinige Pferde. Gar nicht zu reden von Odin, dem Göttervater, vom hammerschwingenden Thor oder dem gütigen Balder. Und was ist eigentlich mit Loki, der charmanten Kanaille, dem Zerstörer und seinen drei furchtbaren Kindern: dem Fenriswolf, der Midgardschlange und Hel? Wie hängen Niflheim und Asgard zusammen, und was ist mit Midgard? Fragen über Fragen! Katharina Neuschaefer erzählt die Geschichte all dieser Wesen und Götter, damit Klein und Groß es jetzt endlich mal ganz genau wissen.

Katharina Neuschaefer studierte Musikwissenschaften und Germanistik, ist Moderatorin und Journalistin beim BR. Sie hat zahlreiche Hörspiele für Kinder geschrieben und umgesetzt und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
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Von Riesen und Göttern

Es gab eine Zeit vor der Zeit, da herrschte das Nichts. Es gab nicht Sand noch See noch kalte Woge oder Himmel. Die Leere war endlos, und es gab nur Stille und Dunkelheit. Es gab weder Götter noch Menschen, keine Zwerge und keine Riesen. Nicht ein einziges lebendes Geschöpf. Es gab nur das Nichts, die gähnende Leere: Ginnungagap.

So war es lange. Dann aber erwärmte sich das Nichts im Süden. Am Anfang nur ganz wenig, dann wurde es immer wärmer, dann heiß, und schließlich schlugen sogar Funken in die Leere, und es qualmte und schwelte. Aus diesen Flammen formte sich das Land des ewigen Feuers, das Land Muspellheim.

Es gibt keinen Ort, der mit Muspellheim vergleichbar wäre. Eine Insel aus Feuer mitten in der schwarzen Nacht der Vorzeit. So hell und glühend, dass nichts dort existieren konnte außer dem, was das Feuer selbst hervorbrachte. Zunächst gebaren die Flammen immer nur weiteres Feuer. Muspellheim wuchs und wucherte in die Dunkelheit hinein wie ein Geschwür, das sich andauernd veränderte. Das sich ausdehnte und größer wurde. Es hatte weder Grenzen noch Konturen, ein lodernder Organismus, pulsierend und furchterregend. Dort, wo das Feuer sich zurückzog, ließ es eine Landschaft aus schwarzem Lavagestein zurück. Endlose Geröll-Steppen, über denen die Hitze flimmerte. Wüsten aus schwarzem Sand, aus Asche und Staub, die von heißen Windstößen aufgewirbelt wurden und die Luft verdunkelten. Und dann auch wieder Gebirgszüge aus aufgetürmter Magma, die in den Himmel wuchsen und sich gegen den orangeroten Horizont abhoben wie schwarze Städte. Glühende Lava brach in Fontainen aus den Berggipfeln hervor und durchzog das Land als brennende Ströme. Ja, Muspellheim brannte. Und sein Schein leuchtete hinaus in die Leere Ginnungagap und erhellte sie.

So geschah es im Süden.

Im Norden jedoch wurde das Nichts kalt. Die Dunkelheit zog sich zu einem Ort der Finsternis zusammen und gebar das Land Niflheim, das Reich der Nebel. Niflheim war riesig, es wuchs zu einer gewaltigen Fläche heran, vielfach so groß wie das benachbarte Feuerland. Über dem Boden lagen weißgraue Nebelschwaden wie schwere Wolken. Dann kamen Stürme auf. Orkanböen trieben Sand und Schneekristalle vor sich her und schufen aus dem Nichts eine Landschaft. Weite Schneefelder, schwarze Gebirge voller Schluchten und Spalten und in ihrem Schatten Eis. Überall Eis. Höhlen aus Eis, Grotten, gigantische Dome und bizarre Säulen.

Hätte Muspellheim die Leere Ginnungagap nicht erhellt wie eine Sonne aus Feuer, wäre all diese böse Schönheit wohl für immer im Dunkeln geblieben. So aber fiel ein matter Schein auch auf das kalte Land. Das Zwielicht ließ die Eismassive Niflheims türkisgrün leuchten, und die Schneefelder glühten wie hellblaue Dünen vor dem schwarzen Himmel.

Hier im Lande Niflheim, zwischen Eis und Schnee, gab es einen Brunnen. Einen Schacht im Fels, der so tief war, dass nicht einmal die Götter, wenn es sie schon gegeben hätte, bis auf seinen Grund hätten blicken können. Aber das Murmeln der Quelle tief unten drang hinauf bis an die Oberfläche, und so trug sie den Namen Hvergelmir, der brausende Kessel.

Das Wasser dieser verborgenen Quelle war pechschwarz und so giftig, dass es sich durch den Felsen fraß und ins Freie drängte. Schäumend und gurgelnd ergoss es sich in elf schwarze Flüsse, die von nun an die Ödnis Niflheims durchzogen wie hässliche Adern, bevor sie sich in einem donnernden Wasserfall sammelten und hinabstürzten ins Nichts. Aus den Flüssen stieg übel riechender Nebel auf, und auf dem Wasser trieb ätzender Schaum, der zu Eis erstarrte und bald ganz Niflheim bedeckte. Der Nebel gefror zu Reif, und im Norden der Leere Ginnungagap herrschte nun ewiger Winter.

Mit der Zeit jedoch wuchsen die Elemente aufeinander zu, und der Wind trug die Funken aus dem brennenden Land Muspellheim hinüber in das Reich der Kälte. Dort, wo sich Feuer und Eis berührten, zischte und dampfte es, und es bildeten sich Tautropfen. Diese Tautropfen waren der Anfang des Lebens. Aus ihnen entstand das erste atmende Wesen: der Urriese Ymir, was so viel heißt wie: Zwitter oder der gewaltig Rauschende.

Ymir war ein sehr eigenartiges Geschöpf. Er war zugleich Mann und Frau, war groß wie ein Berg und hatte langes zotteliges Haar. Weil Ymir ziemlich dumm war und weil es um ihn herum nichts zu sehen gab, das ihn interessierte, schlief er die meiste Zeit. Er ließ sich einfach in den Schnee fallen, und kaum hatte sein riesiger Schädel den Boden berührt, da schnarchte er auch schon so laut, dass selbst die Leere Ginnungagap davon widerhallte.

Ymir bemerkte nicht, dass es wärmer wurde. Die heißen Winde von Muspellheim erwärmten nach und nach die Luft, und es begann zu tauen. Ymir aber störte sich nicht am Knacken und Plätschern um ihn herum. Er schlief auch weiter, als ganze Eisberge donnernd auseinanderbrachen, und er grunzte nur, als er bereits in einem See aus Schmelzwasser lag. Dann endlich öffnete er ein Auge, aber auch nur eine Handbreit und sagte mit gewaltiger Stimme die ersten Worte, die je gesprochen wurden:

»Äh ... nass ... äh ... schlafen ...«

Schon war das Auge wieder zu, und Ymir löste mit seinem Schnarchen eine Lawine aus.

Die Temperaturen in Niflheim stiegen weiter, und der schlafende Ymir schwitzte. In der linken Achsel war es besonders schlimm, und während ein kleiner Schweißbach seinen Arm hinunterlief, entstanden in der Achselhöhle ein Mann und eine Frau.

Ein derartiges Wunder ist nur mit Riesenschweiß möglich, aber Ymir bemerkte auch davon nichts.

»Äh.... kitzelt ...«, sagte er und schlief weiter.

Seine Beine hingegen schliefen nicht. Sie fanden Gefallen aneinander und bekamen bald einen gemeinsamen Sohn, einen Riesen mit sechs hässlichen Köpfen. Thrudgelmir, der vor Kraft Schreiende.

Etwas Vergleichbares ist später nie wieder passiert, aber in jenen Tagen geschahen die merkwürdigsten Dinge. So ist es überliefert, seit Tausenden und Abertausenden von Jahren.

Aus dem Urriesen Ymir gingen die ersten Lebewesen hervor, und alle Riesen sind seine Nachkommen, auch die Reifriesen, die Sturmriesen und die gewalttätigen Bergriesen. Das Geschlecht der Riesen ist das älteste Geschlecht überhaupt und sogar noch älter als die Götter selbst. Auch wenn das im Götterreich Asgard niemand zugeben würde.

Die Hitze Muspellheims schickte weiter warme Luftströme in die weiße Wüste des Nebelreichs. Und als das Gewimmel aus neugeborenen Lebewesen um den schlafenden Riesen zunahm, erwachte Ymir.

»Äh ... Hunger!«

Ohne seine Nachkommen auch nur anzusehen oder sich über ihre Existenz zu wundern, richtete er sich auf und stieg über den Mann, die Frau und Thrudgelmir, seinen sechsköpfigen Sohn, hinweg. Er stapfte durch den sulzigen Schnee und hob witternd die Nase.

»Äh ... Essen ...«

Und tatsächlich, vor Ymirs Augen entstand aus dem Schmelzwasser eines gigantischen Eisbergs eine Kuh. Ihr Fell war so glänzend weiß wie der Schnee, und ihre großen blauen Augen blickten den Urriesen sanft an. Langsam ging Ymir auf die Kuh zu und streichelte ihren hornlosen Kopf.

»Äh ... Milch ...«

Dann legte er sich unter die Kuh, und aus ihrem Euter flossen vier fette Milchströme in den Mund des Riesen. Die Milch war so nahrhaft, dass Ymir zu noch gewaltigerer Größe heranwuchs und bald so groß war wie ein Gebirge. Als er satt war, stand er auf, streichelte die riesige Kuh nochmals und gab ihr einen Namen: »Audumla.«

Die Kuh Audumla war von nun an Ymirs Gefährtin. Sie nährte ihn und blieb bei ihm, wenn er schlief. Ymir dagegen schleppte salzige Eisblöcke als Futter heran, die Audumla gierig ableckte.

Als sie den ersten Eisblock schon zu einem Drittel verzehrt hatte, kamen plötzlich die Haare eines Mannes zum Vorschein. Audumla leckte weiter, und am zweiten Tag erschien sein ganzes Haupt. Die Kuh störte sich an seinem Erscheinen genauso wenig wie Ymir, der alles gleichgültig beobachtete, Audumla knabberte weiter, bis der Mann am dritten Tag schließlich ganz vom Eis befreit war. Sein Name war Buri, was so viel heißt wie Vater, und es ist überliefert, dass er schön war und groß und stark, ganz so, wie man es von den Göttern weiß.

Buri, der Mann aus dem Eis, gebar sich selbst einen Sohn und nannte ihn Bur. Auch Bur war so schön wie ein Gott, wenn es die Götter schon gegeben hätte. Selbst im Zwielicht Niflheims schimmerte sein Haar wie flüssiges Gold. Und seine Augen überstrahlten sogar die türkisfarbenen Eisberge in ihrem Glanz.

Der Urriese Ymir glotzte, zuckte die Achseln und legte sich neben seiner Kuh schlafen.

Bur, der Sohn des Eismannes, aber machte sich auf die Reise und durchquerte die Wüsten Niflheims. Eis und Schnee schmolzen auf seiner glatten Haut, und sein lockiges Haar wehte in der milden Luft, die von Muspellheim herüberströmte. Tag und Nacht wanderte er, bis er zum Lager der Nachkommen Ymirs gelangte. Die Riesenkinder hatten sich inzwischen vermehrt, waren viele geworden und hatten sich bequeme Höhlen in den Schnee gegraben. Als sich der schöne Bur näherte, ging ihm eine junge Riesin entgegen, um ihn zu begrüßen.

»Willkommen bei Ymirs Kindern, Fremder. Mein Name ist Bestla, Tochter des Bölthorn.«

Bur verliebte sich sofort in Bestla, denn auch sie hätte eine Göttin sein können, wenn es die Götter schon gegeben hätte. Ihr Haar glänzte. Es war so hellblond, dass es fast weiß...


Wiesmüller, Dieter
Dieter Wiesmüller ist Illustrator, Umschlaggestalter für Bücher, Zeitschriften und Magazine und einer der großen deutschen Bilderbuchkünstler.

Neuschaefer, Katharina
Katharina Neuschaefer studierte Musikwissenschaften und Germanistik, ist Moderatorin und Journalistin beim BR. Sie hat zahlreiche Hörspiele für Kinder geschrieben und umgesetzt und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

Katharina Neuschaefer studierte Musikwissenschaften und Germanistik, ist Moderatorin und Journalistin beim BR. Sie hat zahlreiche Hörspiele für Kinder geschrieben und umgesetzt und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.



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