E-Book, Deutsch, Band 0455, 160 Seiten
Reihe: Historical MyLady
Nichols Verwegene Sehnsucht
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-86494-542-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 0455, 160 Seiten
Reihe: Historical MyLady
ISBN: 978-3-86494-542-7
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Skandal zwingt Lady Jane, ihre Verlobung mit Harry Hemingford, dem zukünftigen Earl of Bostock, zu lösen. Fortan führt sie ein sehr zurückgezogenes Leben. Doch Harry und seine sanften Küsse bleiben unvergesslich! Kein anderer der Gentleman, die sich um Janes Gunst bemühen, vermag ihr Herz so zu berühren. Als sich ihre Wege zwei Jahre später in London erneut kreuzem, spürt Jane, dass sie nie aufgehört hat, Harry zu lieben.Aber obwohl seine Blicke von Liebe sprechen, schweigt Harry...
Mary Nichols wurde in Singapur geboren, zog aber schon als kleines Mädchen nach England. Ihr Vater vermittelte ihr die Freude zur Sprache und zum Lesen - mit dem Schreiben sollte es aber noch ein wenig dauern, denn mit achtzehn heiratete Mary Nichols. Erst als ihre Kinder in der Schule waren, fand sie genügend Zeit, sich ganz dem Schreiben zu widmen und damit ihren Traumberuf zu ergreifen. Marys Lieblingsautorinnen und Vorbilder sind Jane Austen und Georgette Heyer.
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1. KAPITEL
1811
Jane Hemingford schrieb gerade einen Brief an ihrem Schreibtisch in dem kleinen Salon, der im ersten Stock ihres Londoner Zuhauses lag, als ihre Großtante hereinrauschte, von heller Aufregung erhitzt. „Oh Jane, Mr. Allworthy ist hier!“
„Mr. Allworthy? Meinst du Mr. Donald Allworthy?“
„Allerdings. Wen sollte ich denn sonst meinen?“ Da die rundliche Harriet Lane etwas zu schnell die Treppe hinaufgestiegen war, musste sie nach Atem ringen. Sorgsam rückte sie ihr verrutschtes schwarzes Spitzenhäubchen zurecht.
„Aber es ist erst zehn Uhr, zu früh für einen Vormittagsbesuch“, wandte Jane ein. „Und ich bin nicht passend gekleidet, um ihn zu empfangen.“
„Dann solltest du sofort etwas anderes anziehen. Er ist in die Bibliothek gegangen und spricht mit deinem Papa, der zweifellos bald nach dir schicken wird.“
„Mr. Allworthy spricht mit Papa? Das heißt doch nicht – er will ihn um meine Hand bitten?“
„Doch, genau das. Beeil dich jetzt, und mach dich schön! Allzu lange wird sich Mr. Allworthy nicht mit deinem Papa unterhalten, weil es im Grunde nichts zu diskutieren gibt. Immerhin ist er eine ausgezeichnete Partie.“
Wie vom Donner gerührt saß Jane an ihrem Schreibtisch. Seit vielen Jahren verwitwet, hatte Tante Harriet ein zurückgezogenes Leben in Bath geführt und sich plötzlich entschlossen, ihrer Großnichte einen ausgedehnten Besuch abzustatten, um sie unter ihre Fittiche zu nehmen. Höchste Zeit, dass du über diesen alten Unsinn hinwegkommst und eine Ehe in Betracht ziehst, hatte sie entschieden.
Jener „alte Unsinn“ war Janes frühere Verlobung mit Harry Hemingford, ihrem Vetter zweiten Grades, die mit einem schrecklichen Skandal geendet hatte. Daran wollte Jane nicht denken, geschweige denn darüber reden. Inzwischen waren zweieinhalb Jahre verstrichen, und sie hatte ihren Kummer einigermaßen verwunden, was jedoch keineswegs bedeutete, dass sie sich in eine neue Verlobung stürzen würde. Ganz sicher nicht, um Harriet Lanes Wünsche zu erfüllen …
Seit ihre Tante zu Beginn der Saison in London eingetroffen war, gingen sie unentwegt aus, nahmen an Soireen, Bällen, Picknicks und Teepartys teil. Bei einer der Letzteren hatte man Jane mit Donald Allworthy bekannt gemacht. Schon vorher hatte sie ihn mehrmals in Gesellschaft junger Leute gesehen. Sie fand ihn attraktiv und aufmerksam. Aber die Aufmerksamkeit, die er ihr zeigte, hatte sie niemals auf seine ernsthafte Absicht hingewiesen, ihr einen Antrag zu machen. „Um Himmels willen, Tante, ich kenne ihn kaum. Und ich hatte keine Ahnung, dass er mich heiraten will.“
„Warum solltest du auch? Er ist ein perfekter Gentleman. Ohne die Erlaubnis deines Vaters würde er dir niemals den Hof machen.“
Mit anderen Worten, er benahm sich nicht so wie Harry. Donald Allworthy war – das musste Jane zugeben – tatsächlich eine gute Partie. Warum hatte er ausgerechnet sie gewählt? Für eine strahlende Schönheit hielt sie sich nicht, denn sie fand ihre Nase etwas zu groß, ihre Brauen zu hell. In einem gewissen Licht schimmerte ihr braunes Haar fast kastanienfarben, und ihr rosiger Teint rötete sich, wenn sie verlegen oder ärgerlich war. Jetzt ärgerte sie sich eigentlich nicht, sie war nur verwirrt. „Muss ich ihn wirklich begrüßen?“
„Führ dich nicht wie eine dumme Gans auf, Jane! Du bist kein albernes Schulmädchen mehr, sondern zwanzig Jahre alt, und du müsstest längst verheiratet sein.“
Das wäre ich, hätte ich die Verlobung mit Harry nicht gelöst, dachte Jane. „Deshalb muss ich nicht in die Arme des ersten Mannes sinken, der um mich anhält.“
„Der erste ist er nicht, oder?“
„Oh Tante, warum erinnerst du mich daran? Das alles will ich vergessen.“
„Tut mir Leid, Liebes. Trotzdem muss ich meine Gedanken aussprechen. Du hast damals keine vernünftige Wahl getroffen. Aber nun bist du älter und klüger, und wenn du meinen Rat befolgst, wird deinem Wohl nichts im Wege stehen.“
Am liebsten hätte Jane erwidert, solche Ratschläge brauche sie nicht. Doch sie war ein gutherziges, fügsames Mädchen, und sie ertrug es nicht, die Gefühle ihrer Mitmenschen zu verletzen. „Natürlich weiß ich deine Sorge um mich zu schätzen, Tante Harriet. Es ist nur – Mr. Allworthys Interesse an mir verblüfft mich. Bist du sicher, dass er Papa aufgesucht hat, weil er mich heiraten möchte?“
„Völlig sicher. Auf Lady Pontefracts Ball fragte er mich, ob Mr. Hemingford ihn empfangen würde, und ich stimmte zu. Allerdings versprach ich ihm nicht, er dürfe auch dir seine Aufwartung machen. Das sollst du selber entscheiden.“ Harriet klang, als wäre sie beleidigt, weil die Nichte all die Mühe nicht würdigte.
„Dann muss ich wohl oder übel mit ihm reden“, seufzte Jane.
„Braves Mädchen. Geh jetzt, und zieh dir etwas Hübsches an.“
Im Erdgeschoss des gemieteten Hauses an der Duke Street gab es außer der Eingangshalle nur einen kleinen Empfangsraum und die Bibliothek, wo Janes Vater den Großteil seiner Zeit verbrachte, um an einem philosophischen Buch zu arbeiten. Davon erhoffte er sich die Anerkennung der wissenschaftlichen Welt. Die Küchen- und Wirtschaftsräume befanden sich im Souterrain, der Salon und das Speisezimmer im ersten Stock, die Schlafgemächer in der zweiten Etage. Da James Hemingford und seine Tochter allein lebten, beschäftigten sie nur zwei Dienstboten – Hannah, die Köchin und Haushälterin, und Bromwell, der als Butler und Lakai fungierte.
Harriet hatte ihre Chaise und Pferde mitgebracht, die in einem Mietstall versorgt wurden, und ihr Kutscher Hoskins wohnte außerhalb des Hauses. Nach ihrer Ansicht brauchte die Nichte eine Zofe, obwohl Jane beteuerte, ihr Vater könne sich keine leisten. Für ihre schlichten Bedürfnisse könne Hannah sehr gut sorgen. Das hinderte die Tante jedoch nicht daran, ihr die eigene Zofe Lucy zu schicken, wann immer sie glaubte, die Situation würde es erfordern.
Offenbar traf dies jetzt zu, denn das Mädchen wartete bereits in Janes Schlafzimmer, ein hellgrünes Musselinkleid mit hoher Taille und kleinen Puffärmeln über dem Arm. „In so kurzer Zeit kann ich nicht viel aus Ihrem Haar machen, Miss Jane“, klagte Lucy. „Hätte der Gentleman seinen Besuch bloß angekündigt!“
„Auch mir wäre das angenehmer gewesen, Lucy“, gestand Jane. „Bürsten Sie mein Haar einfach nur und binden Sie es mit einer grünen Schleife zusammen.“
Während sie in leichte Glacélederschuhe schlüpfte, klopfte Harriet an die Tür und trat ein. „Bist du fertig, Liebes?“ Kritisch musterte sie ihre Nichte. „Sehr hübsch. Ein bisschen farblos … Nun, vielleicht ist eine gewisse Zurückhaltung angemessen, bis du den Geschmack deines Bräutigams kennst.“
„Meines Bräutigams? Noch hat er mich nicht gefragt, ob ich seine Frau werden will, und ich habe seinen Antrag ebenso wenig angenommen.“
„Nein, aber er wird dich fragen, und wirst nicht so dumm sein und ihn abweisen.“
„Ich werde ihn anhören. Mehr kann ich nicht versprechen.“ Jane folgte ihrer Tante in den Salon hinab. Nach der Übersiedlung mit ihrem Vater nach London hatte sie den Raum stilvoll eingerichtet. Der Hausherr und Mr. Allworthy standen vor dem Kamin.
Untadelig gekleidet – in dunkelblaues feines Tuch und biskuitgelbe Breeches, die in glänzend polierten Reitstiefeln steckten –, wirkte der hoch gewachsene, schlanke Donald Allworthy elegant, jedoch nicht dandyhaft. Im sorgfältig geschlungenen Krawattentuch glänzte eine Diamantnadel, die Brokatweste war eng anliegend. Lächelnd verneigte er sich. „Ihr Diener, Miss Hemingford.“
„Mr. Allworthy …“ Sie knickste und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Hastig wandte sie sich zu ihrem Vater, der wesentlich kleiner als der Besucher war und eindeutig weniger Wert auf seine Kleidung legte. Das schüttere graue Haar stand nach allem Seiten von seinem Kopf ab, als wäre er mit den Fingern hindurchgefahren. „Du hast mich hierher bestellt, Papa?“
„Ja, in der Tat.“
Schweren Herzens betrachtete sie seine zufriedene Miene. Also freute er sich, weil sich endlich jemand gefunden hatte, der ihn von der Sorge um seine närrische Tochter befreite. Der Skandal um ihre gelöste Verlobung war ihm sehr nahe gegangen. Trotzdem hatte er ihr keine Vorwürfe gemacht und es ihr überlassen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Und so wäre es unrecht, wenn sie dem lieben, guten Mann Schwierigkeiten bereiten würde.
„Mr. Allworthy möchte mir dir sprechen“, verkündete er. „Gewiss wirst du ihm aufmerksam zuhören.“
„Natürlich, Papa“, antwortete sie und wagte den jungen Mann nicht anzuschauen.
„Dann werde ich dich mit dem Gentleman allein lassen.“ Er winkte Tante Harriet zu sich, und sie gingen hinaus.
Lauter denn je tickte die Uhr auf dem Kaminsims. Oder war es ihr Herz, das ihr bis zum Hals schlug? Jane setzte sich auf das Sofa und faltete die Hände im Schoß. „Nehmen Sie bitte Platz, Mr. Allworthy.“
Nach einer weiteren Verbeugung ließ er sich an ihrer Seite nieder. „Hoffentlich geht es Ihnen gut, Miss Hemingford.“
„Sehr gut, Mr. Allworthy. Und Ihnen?“
„Nun, körperlich bin ich bei bester Gesundheit, danke. Was jedoch meinen Gemütszustand betrifft … Das habe ich nämlich noch nie getan.“
„Was, Mr. Allworthy?“
„Eine junge Dame zu bitten, sie möge meine Gemahlin werden. Noch nie empfand ich diesen Wunsch – bis jetzt.“...