E-Book, Deutsch, 337 Seiten
Nickel Partizipatives Management von Universitäten. Zielvereinbarungen
1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-86618-101-4
Verlag: Rainer Hampp Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Leitungsstrukturen - Staatliche Steuerung
E-Book, Deutsch, 337 Seiten
ISBN: 978-3-86618-101-4
Verlag: Rainer Hampp Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Was haben die Hochschulreformen der zurückliegenden zehn Jahre gebracht? Das vorliegende Buch geht dieser Frage nach, indem es einen zentralen Veränderungsprozess untersucht: Die Neukonzeptualisierung von Universitäten als zielorientiert handelnde Systeme.
Zu Beginn wird analysiert, wieso die Anforderung an Universitäten, ziel- und ergebnisorientierter zu handeln als bislang, seit Mitte der 90er Jahre vehement gestiegen ist. Dabei kommen neben dem wachsenden europapolitischen Druck vor allem die Steuerungsprobleme des Staates zur Sprache, welcher zunehmend hilfloser vor der Herausforderung steht, soziale Prozesse nachhaltig zu gestalten. In dieser Situation müssen Universitäten ihre Selbststeuerungsfähigkeit erhöhen, indem sie sich von bislang eher anarchisch agierenden Institutionen zu arbeitsteiligen Organisationen mit kalkulierbaren Leistungen weiterentwickeln. Dazu bedienen sich ihre Leitungskräfte inzwischen fast unisono des Managementkonzepts „Führen mit Zielvereinbarungen". Dieser Steuerungsansatz verspricht aufgrund seiner Beteiligungsorientierung, der in Universitäten tief verankerten partizipativen Organisationskultur in optimaler Weise entgegenzukommen.
An diese Form des Universitätsmanagements sind hochgesteckte Erwartungen geknüpft, die sich in der Praxis allerdings oft nur schwer erfüllen lassen. Dies zeigen nicht nur die Auswertungen zahlreicher Praxisbeispiele und Erfahrungsberichte in diesem Band, sondern auch die durchgeführten Langzeitstudien. Erstmals wurden zwei Hochschulen über einen Zeitraum von zehn Jahren dabei beobachtet, wie sie das Führen mit Zielvereinbarungen implementiert haben und welche Wirkungen mit dem neuen Instrumentarium innerhalb der sich ständig verändernden politischen Rahmenbedingungen erreicht werden konnten.
Die Autorin
Sigrun Nickel ist Organisationswissenschaftlerin und arbeitet als Projektleiterin beim CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh in den Bereichen Governanceforschung, Qualitätsmanagement und Personalentwicklung.
Schlüsselwörter: Governance, Hochschulsteuerung, Hochschulentwicklung, Zielvereinbarungen, Partizipatives Hochschulmanagement
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;GELEITWORT;11
2;VORWORT;13
3;INHALTSVERZEICHNIS;15
4;I. GEGENSTAND UND FRAGESTELLUNGEN;19
5;II. METHODISCHES VORGEHEN;27
6;III. UNIVERSITÄTSREFORM IM KONTEXT GESELLSCHAFTLICHER UND POLITISCHER KRISENBEWÄLTIGUNG;33
6.1;1. Konfligierende Umweltanforderungen und Veränderungsstrategien;33
6.2;2. Universitäten in der „knowledge-based economy“;36
6.2.1;2.1. Der Bologna- Prozess als Antwort auf die Krise des Wissens;36
6.2.2;2.2. Forschung als Erfolgsfaktor für den europäischen Wirtschaftsraum;44
6.2.3;2.3. Fazit: Neupositionierung der Universität zwischen Staat und Markt;46
6.3;3. Universitäten in der Zivilgesellschaft;50
6.3.1;3.1. Universitäten im Prozess gesellschaftlicher Selbstorganisation;50
6.3.2;3.2. Krise sozialer Ordnungsmodelle;53
6.3.3;3.3. Selbsttransformation durch Selbstreflexion;55
6.3.4;3.4. Fazit: Universitäten als zentrale Lernorte der Gegenwartsgesellschaft;56
6.4;4. Staatliche Steuerung von Universitäten;59
6.4.1;4.1. New Public Management als Antwort auf die Krise des Staates;59
6.4.2;4.2. Vom New Public Management zur Public Governance;67
6.4.3;4.3. Fazit: Grundprinzipien staatlicher Hochschulsteuerung;74
7;IV. MANAGEMENT UND ENTWICKLUNG VON UNIVERSITÄTEN ALS PARTIZIPATIVER PROZESS;81
7.1;1. Auf dem Weg zur unternehmerischen Universität;81
7.1.1;1.1. Zwischen akademischer Selbstorganisation und hierarchischer Selbststeuerung;81
7.1.2;1.2. Mehr Autonomie durch mehr Organisation?;84
7.1.3;1.3. Die Entdeckung der Zielorientierung;85
7.1.4;1.4. Fazit: Die Suche nach zielorientierten Management- und Organisationsentwicklungskonzepten;88
7.2;2. Universitäten als begrenzt rationale Sozialsysteme;94
7.2.1;2.1. Sind Universitäten Organisationen?;94
7.2.2;2.2. Organisation als System;101
7.2.2.1;2.2.1. Kritik des instrumentellen Organisationsverständnisses;101
7.2.2.2;2.2.2. Organisation als Handlungssystem;103
7.2.2.3;2.2.3. Organisation als soziales System;105
7.2.3;2.3. Korporative Handlungs( un) fähigkeit von Universitäten;108
7.2.4;2.4. Universitätsmanagement als „ Sensible Foolishness“;113
7.2.5;2.5. Zielorientiertes Führen als besondere Herausforderung für Leitungskräfte;118
7.2.5.1;2.5.1. Motivation und Anreize;118
7.2.5.2;2.5.2. Selbstregulations- und Lernprozesse;121
7.2.5.3;2.5.3. Kooperative Entscheidungen;124
7.2.6;2.6. Fazit: Partizipatives Management von Universitäten;127
7.3;3. Führen mit Zielvereinbarungen als partizipatives Management von Universitäten;136
7.3.1;3.1. Zielvereinbarungen als Instrument staatlicher Hochschulsteuerung;136
7.3.2;3.2. Typologie und Anwendung universitätsinterner Zielvereinbarungen;144
7.3.2.1;3.2.1. Strategische Steuerung und Organisationsentwicklung;145
7.3.2.1.1;3.2.1.1. Zielvereinbarungen als strategische Projekt- und Maßnahmeplanung;145
7.3.2.1.2;3.2.1.2. Zielbildung und - umsetzung als partizipativer Prozess;152
7.3.2.1.3;3.2.1.3 Zielvereinbarungen und Balanced Scorecard;160
7.3.2.2;3.2.2. Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung;168
7.3.2.2.1;3.2.2.1. Zielvereinbarungen als Follow- Up nach Peer- Evaluationen;168
7.3.2.2.2;3.2.2.2. Zielvereinbarungen als Bestandteil von Qualitätsmanagementsystemen;175
7.3.2.3;3.2.3. Personalführung und Personalentwicklung;183
7.3.3;3.3. Zusammenspiel von Zielvereinbarungen mit universitären Leitungs- und Entscheidungsstrukturen;190
7.3.3.1;1. Wechsel vom monokratischen zum kollegialen Leitungsmodell:;193
7.3.3.2;2. Personalisierung der Verantwortung durch das Ressortprinzip;194
7.3.3.3;3. Stärkere Integration der Verwaltung;194
7.3.3.4;4. Erhöhung der Außensteuerung;194
7.3.4;3.4. Fazit: Führen mit Zielvereinbarungen – Managementmode oder tragfähiges Managementkonzept für Universitäten?;198
8;V. LANGZEITSTUDIEN ZUR ENTWICKLUNG, ANWENDUNG UND WIRKUNG DES PARTIZIPATIVENUNIVERSITÄTSMANAGEMENTS MIT ZIELVEREINBARUNGEN;203
8.1;1. Staatliche Hochschulsteuerung im Bundesland Hamburg 1995 – 2005;203
8.1.1;1.1. Zielvereinbarungen zwischen Staat und Hochschulen;203
8.1.1.1;1.1.1. Entwicklung und Anwendung;203
8.1.1.2;1.1.2. Wirkungen;214
8.1.2;1.2. Strukturreform durch Gesetze;217
8.2;2. Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik ( HWP) 1995 – 2005;224
8.2.1;2.1. Einbettung der Reformen in den Gesamtentwicklungsprozess der Hochschule;224
8.2.2;2.2. Entwicklung und Anwendung neuer Leitungs- und Entscheidungsstrukturen;228
8.2.3;2.3. Entwicklung und Anwendung interner Zielvereinbarungen zur strategischen Steuerung und Organisationsentwicklung;239
8.2.4;2.4. Wirkungen;245
8.2.5;Anzahl HWP-interner ZLV in Lehre, Forschung und Verwaltung;248
8.3;3. Universität Hamburg 1994–2005;249
8.3.1;3.1. Einbettung der Reformen in den Gesamtentwicklungsprozess der Hochschule;249
8.3.2;3.2. Entwicklung und Anwendung neuer Leitungs- und Entscheidungsstrukturen;257
8.3.3;3.3. Entwicklung und Anwendung interner Zielvereinbarungen zur strategischen Steuerung und Organisationsentwicklung;267
8.3.4;3.4. Wirkungen;272
8.4;4. Fallübergreifende Ergebnisse;276
8.4.1;4.1. Staatliche Hochschulsteuerung mit Zielvereinbarungen;276
8.4.2;4.2. Universitätsinterne Zielvereinbarungen;278
8.4.3;4.3. Leitungs- und Entscheidungsstrukturen von Universitäten;282
9;VI. SCHLUSSFOLGERUNGEN FÜR DIE AUSGANGSFRAGESTELLUNGEN;289
10;VIII. MATERIALIEN UND DOKUMENTE;325
11;IX. ABBILDUNGSVERZEICHNIS;335
12;Mehr eBooks bei www.ciando.com;0
I. GEGENSTAND UND FRAGESTELLUNGEN (S. 7-8)
„Gegenüber jedem Steuerungsanspruch empfehle ich […] die Tugend der Renitenz."
Helmut Willke (1998, S.329)
„Wo niemand mehr herrscht, herrscht der Konjunktiv."
Niklas Luhmann (1992a, S. 43)
Auch wenn es inzwischen ein Allgemeinplatz ist, dass Universitäten seit Beginn der 90er Jahre verstärkt unter Veränderungsdruck stehen, ist diese Situationsbeschreibung zutreffend. Gefordert sind insbesondere die verbesserte Steuerung der Leistungsprozesse in Forschung und Lehre sowie die Fähigkeit zur systematischen Reform von Strukturen und Verhaltensweisen. Die Auseinandersetzung mit den Themen „Hochschulmanagement" und „Hochschulentwicklung" ist in den zurückliegenden Jahren weitgehend kontrovers geführt worden. Die Pro- und Contra-Argumente sind nicht nur inhaltlich breit gefächert, sondern oft auch noch ideologisch aufgeladen. KritikerInnen des laufenden organisationalen Wandels sehen die Alma mater in Richtung „McDonald´s" oder „McKinsey" abdriften, BefürworterInnen halten dagegen die Entwicklung von Universitäten zu einem professionell geführten „korporativen Akteur" für eine adäquate Reaktion auf die sich verändernde Umwelt. Die in diesem Spannungsfeld ausgetragenen Dispute sind weit mehr als nur Ausdruck eines Ringens um neue Strukturen und Managementtechniken. Sie berühren vielmehr die historisch gewachsene Identität einer der ältesten Institutionen der Welt. Gemäß des darin wurzelnden Unabhängigkeitsanspruchs haben sich Universitäten stets gegen zu starke Eingriffe von außen gewehrt. Doch seit geraumer Zeit können sie sich den Anforderungen externer, vielfach wissenschaftsfremder Anspruchsgruppen immer weniger verschließen. Als Teil eines umfassenden gesellschaftlichen Veränderungsprozesses sind Universitäten gefordert, sich selbst auf den Prüfstand zu stellen und – wo nötig – „Wissenschaft neu zu denken", um einen substantiellen Beitrag zur sozialen Orientierung in der Ungewissheit leisten zu können (vgl. Nowotny et al. 2005). Welche Rolle eine veränderte (Selbst-)Steuerung und (Selbst-)Organisation in diesem Kontext spielen, soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.
Trotz der zum Teil massiven Kritik an den Zielen und Verfahren der laufenden Hochschulreform hat es in den vergangenen zehn Jahren einen relativ schnellen Umbruch sowohl im Management als auch in der Organisation von Universitäten in Richtung „Unternehmensförmigkeit" gegeben. Das bedeutet nicht, dass Universitäten zu Wirtschaftsunternehmen mutiert sind, sondern es wird stärker unternehmerisch gedacht und gehandelt. Ziel ist, die organisationale Handlungsfähigkeit von Universitäten so zu stärken, dass sie ihre speziellen Aufgaben in Forschung und Lehre besser erfüllen und neue Aufgabengebiete strategisch erschließen können. Aus diesem Grund hat sich die bislang eher lose verbundene Gemeinschaft wissenschaftlich tätiger Individuen auf den Weg gemacht, sich zu einer zielorientierten, arbeitsteiligen Organisation weiterzuentwickeln. Als Motor dafür haben vor allem zwei Faktoren gewirkt:
Auf der einen Seite haben die Universitäten in den zurückliegenden Jahren vehement mehr Autonomie vom Staat gefordert. Sie wollen weitgehende Entscheidungsfreiheiten in Bezug auf die Gestaltung ihrer internen Prozesse. Um dieser Eigenverantwortung gerecht werden zu können, ist es notwendig, dass Universitäten sich deutlicher als bisher zu korporativen Akteuren formieren, d.h. zu handlungsfähigen Organisationen entwickeln. Nur dann sind sie auch in der Lage, sich in den gesellschaftlichen Aushandlungs- und Diskussionsprozessen ausreichend Gehör und Geltung zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund sind innerhalb der Universitäten massive Veränderungsprozesse angelaufen, die vor allem auf die Herausbildung geeigneter Leitungs- und Entscheidungsstrukturen und Steuerungsinstrumente gerichtet sind. Diese Reformvorhaben werden inzwischen von den meisten Hochschulen aktiv betrieben, wobei es universitätsintern umstritten ist, ob darin echte Chancen liegen oder ob es sich nur um ein getriebenes Umsetzen von Managementmoden handelt.
Auf der anderen Seite hat der Staat, unterstützt von der (Medien-)Öffentlichkeit, den Hochschulen sein Misstrauen ausgesprochen. Nicht nur die Leistungsfähigkeit der Hochschulen wird massiv angezweifelt, auch deren mangelhafte internationale Wettbewerbsfähigkeit steht immer wieder im Mittelpunkt der Kritik. Vor diesem Hintergrund hat die politische Seite ihr Steuerungsverhalten grundlegend verändert. Durch Methoden und Instrumente, welche vorwiegend dem New Public Management (NPM) entlehnt sind, sollen die bislang als „anarchisch" geltenden Hochschulen dazu gebracht werden, Leistungen in einer bestimmten Quantität und Qualität erwartungssicherer zu produzieren und damit politische Vorstellungen stringenter umzusetzen. Um das erreichen zu können, wendet der Staat nicht nur ein Set neuer Steuerungsinstrumente und -verfahren an, sondern benötigt darüber hinaus AnsprechpartnerInnen innerhalb der Hochschulen, welche ähnliche Ziele verfolgen und diese auch organisationsintern durchsetzen können. Vor diesem Hintergrund hat der Staat durch entsprechende Gesetzesnovellierungen die Etablierung von professionellen Hochschulleitungen gefördert, welche gegenüber Politik und Öffentlichkeit für den Erfolg ihrer Organisationen verantwortlich und rechenschaftspflichtig gemacht werden können.