Niegisch / Thielgen | Einführung in die Vernehmungspraxis | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Grundlagen der Kriminalistik

Niegisch / Thielgen Einführung in die Vernehmungspraxis

Kompetenz - Konzept - Kommunikation

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Reihe: Grundlagen der Kriminalistik

ISBN: 978-3-7832-0301-1
Verlag: Kriminalistik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Für Ermittlerinnen und Ermittler von Strafverfolgungsbehörden stellen Vernehmungen und Befragungen ein zentrales Element bei der Aufklärung von Straftaten dar. Dabei wird das Grundwissen in Bezug auf diese Kernaufgabe von Polizei und Justiz im Rahmen der Berufsqualifizierung vermittelt und im Laufe des Berufslebens, in vielfältigen und komplexen Prozessen, weiterentwickelt. Innerhalb einer Vernehmung wirken die Bereiche Kompetenz, Konzept und Kommunikation zusammen und erfordern kriminalistischen und psychologischen Sachverstand. Dieses Handbuch stellt die grundlegenden Wissensinhalte kompakt und übersichtlich dar, ergänzt durch eine Vielzahl von Sachverhalten aus der Praxis, Tipps und Übungen für den erfolgreichen Einstieg in die Vernehmungspraxis.
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I. Einleitung
Ermittler[1] der Polizei sowie anderer Strafverfolgungsbehörden erwerben seit jeher ihre individuellen Vernehmungsfähigkeiten in Training und Praxis. Dabei unterliegen sie interaktionistischen und autodidaktischen Lernprozessen. Ergänzende soziodynamische Einflüsse sowie die eigene persönliche Kommunikationskompetenz sind ebenfalls wichtige Faktoren in Bezug auf Erfolg oder Misserfolg in dieser polizeilichen und justiziellen Kernaufgabe. Mit anderen Worten sind das Zusammenwirken mit der Befragungsperson, die eigenen Erfahrungen, der Kontext des Aufeinandertreffens sowie die persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten wichtige Elemente, welche eine gute Vernehmerin bzw. einen guten Vernehmer ausmachen. Der wissenschaftliche Diskurs zu diesem Themenkomplex ist in den vergangenen Jahren stark auf verschiedenen Ebenen geführt worden.[2] Primär lassen sich die Veröffentlichungen den Bereichen Recht, Taktik und Kommunikation zuordnen, wobei die Elemente häufig nur isoliert betrachtet werden. Jedoch steht dies im Widerspruch zu der praktischen Tätigkeit der Vernehmung, die alle Komponenten gleichermaßen erfassen sollte. Auch das Erlernen eigener Vernehmungskompetenzen findet ganzheitlich statt. Es erfolgt in assoziierenden sowie identifizierenden Lernprozessen. Die Beamten stehen während und nach ihrem Hochschulstudium vor der Herausforderung, Befragungen und Vernehmungen durchzuführen. Finden diese während des Studiums noch teilweise unter Begleitung eines Praxisanleiters statt, so obliegt es dem Polizisten, nach Beendigung seiner Berufsqualifizierung, als autonomer Vernehmer zu agieren. Gerade das Instrument des Praxisanleiters ist für die angehenden Polizisten ein prägendes Modell, an dem sie lernen. So identifizieren sie sich bspw. mit diesem bzw. übernehmen dessen individuelle Vernehmungsmethoden oder -techniken. Ebenfalls werden dessen Einstellungen zum Umfang der Belehrung oder der Dokumentation der Aussage übernommen. Die angehenden Polizisten assoziieren rechtliche, taktische und kommunikative Elemente, die sie im Rahmen der fachtheoretischen und berufspraktischen Qualifizierung erlangen. Ziel des Erlernens ist es, einen „guten“ Stand der Kunst der Vernehmung zu erwerben. So streben Ermittler seit jeher nach effektiven Methoden oder Techniken, die die Qualität von Zeugenaussagen fördern oder Geständnisse von Beschuldigten ermöglichen.[3] Aus dieser Motivation heraus sind zahlreiche Vernehmungskonzepte entstanden oder wurden aus der Kommunikationswissenschaft transformiert, z.B. das Erweiterte Kognitive Interview,[4] Neurolinguistisches Programmieren,[5] oder die Reid-Vernehmungstechnik.[6] Die Übernahme effektiver Modelle gelingt jedoch häufig nur in Ansätzen.[7] Auch ist die Kommunikation als Vehikel der Wahrheitsfindung von Mensch zu Mensch unterschiedlich, so dass manche Vernehmer erfolgreicher sind als andere. Nach unserer Auffassung kann es jedoch nicht die eine Vernehmungsmethode oder -technik geben. Vielmehr sehen wir die individuelle Vernehmungsfähigkeit eingebettet in einem Geflecht aus drei Komponenten. Dabei wirken die Faktoren Kompetenz, Konzept und Kommunikation wechselseitig zueinander. A. Gegenstand, Ziel und Perspektive
Der Gegenstand der vorliegenden Abhandlung ist die Vernehmung als polizeiliche Kernaufgabe. Sie ist ein unverzichtbares Element zur Erforschung und Aufklärung von Sachverhalten. Ziel ist es, die Frage zu beantworten, welche Faktoren eine erfolgreiche Vernehmung ausmachen. Ausgehend von rechtlichen Anforderungen, sollen nicht nur taktische Vernehmungskonzepte betrachtet werden, sondern auch die Rolle des kriminalistischen Erfahrungswissens. Auf der einen Seite der Medaille ist die fundierte Kenntnis rechtlicher Normen und das strukturierte Vorgehen bei der Vernehmung eine wichtige Grundvoraussetzung. Auf der anderen Seite erscheint das kriminalistische Erfahrungswissen ein entscheidender Erfolgsfaktor zu sein, also ein reichhaltiger Erlebensschatz über das Verhalten von Verdächtigen, Beschuldigten und Zeugen sowie ihrer Lebensumstände, mit einem Einblick in Lebenssachverhalte von Menschen. Schließlich soll die Frage beantwortet werden, welche kommunikativen Standards an „gute“ Vernehmungen gestellt werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist das vorliegende Buch in drei Hauptkapitel gegliedert: • Kompetenz Im Abschnitt „Kompetenz“ stellen wir die wichtigsten Grundlagen der polizeilichen Vernehmung im Überblick dar. Dabei gehen wir nicht nur auf grundlegende fachliche und methodische Kompetenzen ein, sondern wir thematisieren auch aus unserer Sicht notwendige soziale und personenbezogene Fähigkeiten sowie Eigenschaften eines erfolgreichen Vernehmers. • Konzept Im Abschnitt „Konzept“ geben wir einen Überblick über die wichtigsten Vernehmungsstrategien und -taktiken, die in der polizeilichen Praxis angewendet werden. Dabei gehen wir auch auf die Bedeutung der beruflichen Erfahrung und des kriminalistischen Erfahrungswissens ein, die das Vorgehen in der Praxis maßgeblich beeinflussen können. • Kommunikation Im Abschnitt „Kommunikation“ stellen wir die wichtigsten Kommunikationsmodelle und -techniken vor, über die nach unserer Bewertung ein erfolgreicher Vernehmer verfügen sollte. Die vorherige Frage ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem damit einhergehenden Generationswechsel innerhalb der Polizei von zentraler Bedeutung. Denn es gilt ein organisationales Vergessen zu vermeiden und einen Wissenstransfer von einer auf die andere Generation zu gewährleisten. Schließlich ist es unserer Ansicht nach an der Zeit, Vernehmungsmythen, die sich teilweise zu widersprechen scheinen, einer Prüfung zu unterziehen: Etwa welche Rolle die persönlichen Voraussetzungen („Ein guter Vernehmer zu sein, bekommt man in die Wiege gelegt.“), die Berufserfahrung („Man lernt nur in der Praxis und nicht in der Theorie.“) oder die Rolle von Trainings („Es gibt die eine Methode bzw. Technik, die zum Geständnis führt.“) spielen. Vernehmungsmythen: Erfolgreich vernehmen • kann man oder kann man nicht. Ein erfolgreicher Vernehmer zu sein • bekommt man „in die Wiege gelegt“. • lernt man nur in der Praxis, nicht in der Theorie. • kann man nur dann, wenn man über viel Berufserfahrung verfügt. Ein erfolgreicher Vernehmer • wendet eine bestimmte Technik/eine bestimmte Methode/Strategie an. • ist der, der über das richtige („Geheim-“)Wissen verfügt. B. Der Begriff der Vernehmung
Um einen polizeilich oder strafrechtlich relevanten Sachverhalt aufzuklären, gibt es verschiedene Mittel und Wege. Eine für das Verfahren besonders wichtige Methode ist die Vernehmung. Sie ist eine Form der verbalen Interaktion zwischen Polizist und Bürger. Die Besonderheit ist, dass sie in Form und Inhalt an rechtliche Rahmenbedingungen, d.h. die StPO und Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV), gebunden ist.[8] Die Strafprozessordnung (StPO) ist ein Normenkodex, die das staatliche Vorgehen im Strafverfahren, von der Anzeige bis zur Vollstreckung, gesetzlich regelt, wovon die Vernehmung ein wichtiges Element ist. Die ersten Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) wurden im Jahre 1977 erlassen und stellen eine Erweiterung der StPO in Form von Verwaltungsvorschriften dar. Zwar besitzen sie keinen Gesetzescharakter, jedoch dienen sie der Sicherung der Qualität im Strafverfahren. Der Begriff der Vernehmung wird aktuell verschiedenartig definiert. Die Literatur unterscheidet den „funktionalen oder materiellen“, den „formellen“ und den „kriminalistischen“ Vernehmungsbegriff:[9] • Funktionaler Vernehmungsbegriff (materieller Vernehmungsbegriff) Die Rechtsprechung arbeitet grundsätzlich mit dem materiellen Vernehmungsbegriff. Sie beschreibt die Vernehmungssituation wie folgt: „Zum Begriff der Vernehmung gehört, dass der Vernehmende dem Zeugen in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihm Auskunft verlangt.“[10] Wenn diese Konstellation erfüllt ist, sind bestimmte Form- und Verfahrensvorschriften zu beachten; so müssen etwa die Auskunftspersonen entsprechend ihres Status belehrt werden. • Formeller Vernehmungsbegriff Der formelle Vernehmungsbegriff ist eng mit dem „funktionalen“ bzw. „materiellen“ Begriff verknüpft. Vernehmung ist ein Kommunikationsprozess, in dem eine vernehmende Person der zu vernehmenden Person Fragen zu einem relevanten Sachverhalt stellt, die von der zu vernehmenden Person unter Berücksichtigung ihrer Rechte beantwortet werden.[11] Gegenüber dem „materiellen“ Begriff ist der „formelle“ Begriff erweitert. Demnach liegt eine Vernehmung vor, wenn folgende vier Elemente...


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