Buch, Deutsch, Band Band 229, 679 Seiten, Format (B × H): 160 mm x 230 mm, Gewicht: 1244 g
Reihe: Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz
Staat, politische Theorie und Population in der Frühen Neuzeit
Buch, Deutsch, Band Band 229, 679 Seiten, Format (B × H): 160 mm x 230 mm, Gewicht: 1244 g
Reihe: Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz
ISBN: 978-3-525-10118-6
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Die Bevölkerungsgröße wurde erst im Laufe der Frühen Neuzeit zu einem Thema der Politik. Politische Theoretiker in Deutschland übernahmen um 1600 die in Italien entwickelte Vorstellung, der Staat müsse sich um die Bevölkerungsentwicklung kümmern. Die Forderung nach einer expansiven Bevölkerungspolitik kam somit schon vor den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges auf. Diese zuerst in gelehrten Werken vertretene Idee setzte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts immer mehr durch und wurde zu einem Kernbestand des Kameralismus. Daraus entwickelte sich schließlich der Populationismus des 18. Jahrhunderts, der eine mit allen Mitteln forcierte Bevölkerungsvergrößerung forderte und den Erfolg jeglicher Politik allein am demografischen Wachstum maß. Justus Nipperdey erforscht mit seiner Arbeit erstmals die Entstehung des bevölkerungspolitischen Konzepts im Italien des 16. Jahrhunderts, seine Übernahme in die politische Theorie im Alten Reich und seine Verbreitung von den gelehrten lateinischen Politikkompendien in deutschsprachige Traktate.
Zusätzlich fragt die Studie, wie sich die Theorie auf die reale Bevölkerungspolitik auswirkte. Als die Aufnahme der Hugenotten zur Disposition stand, beförderten sich Theorie und Praxis gegenseitig: die Theorie bestärkte den Willen, die Fremden aufzunehmen und ihre erfolgreiche Integration ließ alle Kritik am bevölkerungspolitischen Modell verstummen. Daneben gab es jedoch viele Territorien wie das Kurfürstentum Bayern, wo sich das Bevölkerungswachstum als politisches Ziel nicht durchsetzen konnte. Eine systematische Untersuchung der bayerischen Bevölkerungspolitik in der Frühen Neuzeit zeigt jedoch, dass auch hier der bevölkerungspolitische Diskurs rezipiert wurde und die Bewertung der eigenen Politik veränderte.
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Einführung
1. Fragestellung
2. Begrifflichkeit und Forschungsstand
I. Voraussetzungen der Bevölkerungstheorie
A. Die Begründung der Bevölkerungstheorie im 16. Jahrhundert
1. Bevölkerung im mittelalterlichen Politik- und Wirtschaftsdenken
2. Italienische Bevölkerungstheorie im 16. Jahrhundert
2.1 Machiavelli: Bevölkerung als Machtmittel
2.2 Empirie und Landesbeschreibungen
3. Boteros Systematisierung der Bevölkerungstheorie
3.1 Bevölkerung im politisch-statistischen Vergleich
3.2 Bevölkerungspolitik als Element der Staatsräson
3.3 Delle Cause della Grandezza delle Città
3.4 Wirtschaftspolitik als Bevölkerungspolitik
3.5 Population im Staatsräsondiskurs
4. Exkurs: Bevölkerungsdenken außerhalb Italiens
4.1 Die Entvölkerungsdebatten in England und Spanien
4.2 »Census« und Bevölkerung bei Bodin
5. Zwischenfazit: Die Entstehung der frühneuzeitlichen Bevölkerungstheorie
B. Die Anfänge des Bevölkerungskonzepts in Deutschland
1. Bevölkerungsdenken in Deutschland im 16. Jahrhundert
1.1 Das Fehlen der Bevölkerung als Faktor im politischen Denken
1.2 Der ökonomische Wert der Bevölkerung
1.3 Protostatistische Bevölkerungserhebungen im 15. und 16. Jahrhundert
1.4 Landesbeschreibungen und Kartographie. Die beginnende Wahrnehmung von Bevölkerung im Raum
2. »Bevölkerungspolitik« in Deutschland im 16. Jahrhundert
2.1 Exulanten in deutschen Territorien. Von der situativen zur geplanten Aufnahme
2.2 Stadtgründungen nach 1600: Ein bevölkerungspolitisches Modell
2.3 Umgekehrte Vorzeichen: Bevölkerungsbegrenzung der Städte
3. Zwischenfazit: Bevölkerung im Alten Reich
II. Die drei Phasen des Bevölkerungsdenkens im Alten Reich
C. Die gelehrte Bevölkerungstheorie
1. Die Einführung der Bevölkerung in den deutschen politischen Diskurs
2. Bevölkerung in der ersten Blütezeit der politischen Theorie in Deutschland
2.1 Bevölkerungsvergrößerung zur amplificatio reipublicae
2.2 Die Abwägung von Nutzen und Gefahren. Bevölkerungspolitik in den politischen Kompendien des frühen 17. Jahrhunderts
2.3 Bevölkerungsvermehrung zur Erhöhung der Steuerbasis
2.4 Bevölkerungstheorie im traditionalen politischen Denken: Beschweigen und Ablehnung
3. Die Diffusion des Themas Bevölkerung
3.1 Die gelehrte Theorie: Bevölkerungspolitik als theoretische Option
3.2 Staatenkunde. Die Institutionalisierung des Kräftevergleichs
3.3 Das utilitaristische Argument für religiöse Toleranz
3.4 Die politica christiana der zweiten Jahrhunderthälfte
3.5 Seckendorff: Bevölkerungsvermehrung als Gemeinwohlförderung
4. Zwischenfazit: Bevölkerungspolitik als Aufgabe der Obrigkeit
D. Die ökonomische Bevölkerungstheorie
1. Die Entstehung der ökonomischen Bevölkerungstheorie
1.1 Die Übersetzung der gelehrten Theorie
1.2 Die Vermehrung der »nahrhaften« Handwerker bei Johann Joachim Becher
1.3 Die ökonomische Bevölkerungstheorie des späten 17. Jahrhunderts: Gewerbeförderung als Bevölkerungspolitik
2. Die Durchsetzung der ökonomischen Bevölkerungstheorie
2.1 Die Hugenottenaufnahme als Katalysator des Bevölkerungsdiskurses
2.2 Konfession und Bevölkerungspolitik
3. Zwischenfazit: Vermehrung der Nahrung zur Vermehrung der Menschen
E. Die Entstehung der Bevölkerungspolicey
1. Die Stränge des bevölkerungspolitischen Denkens nach 1700
1.1 Der ökonomische Bevölkerungsdiskurs des frühen 18. Jahrhunderts
1.2 Weltbevölkerung, Sterbetafeln und die Anfänge der demographischen Statistik
1.3 Polygamie und Hagestolzenrecht – Abseitige Themen vor der Etablierung der Bevölkerungspolicey
1.4 Die theoretische Grundlegung der Bevölkerungspolicey durch Christian Wolff
2. Die Bevölkerungspolicey des 18. Jahrhunderts
2.1 Die Überwölbung der ökonomischen Bevölkerungspolitik durch die Policey
2.2 Süßmilchs statistische Durchdringung der Bevölkerungsentwicklung
2.3 Der Hoch-Populationismus nach 1750
3. Zwischenfazit: Von der ökonomischen zur policeylichen Bevölkerungslenkung
Fazit: Kontinuität und Diskontinuität des Bevölkerungsdenkens
III. Die Theorie auf dem Prüfstein – Wie weit trägt der populationistische Diskurs?
F. Praxis der Bevölkerungspolitik: Das Beispiel Bayern
1. Das Instrumentarium der bayerischen Bevölkerungspolitik
2. Die Herausbildung des bevölkerungspolitischen Systems
2.1 Die Wahrnehmung der Überbevölkerung und ihre Begrenzung
2.2 Die Ursachen der bayerischen Ehe- und Hausbaupolitik
2.3 Zusammenfassung der Maßnahmen in der Landesordnung von 1616
3. Politik im Sinne der Staatsräsonautoren
3.1 Landesdefension und Statistik: Die Schaffung einer homogenen Untertanenschaft
3.2 Die aktivierende Wirtschaftspolitik unter Maximilian I.
3.3 Die bevölkerungspolitische Debatte der 1620er Jahre
3.4 Entwicklung und Widersprüche der bayerischen Bevölkerungspolitik
4. Landwirtschaft oder Manufakturen? Bevölkerungspolitik als Grundsatzfrage
4.1 Kriegsfolgenbewältigung in Bayern
4.2 Die Wiederkehr der Vorkriegspolitik:
Ehebeschränkungen und Söldenbau
4.3 Landesausbau als konservative Wachstumspolitik
4.4 Das Wirken Bechers in München
4.5 Streit um Gewerbe:
Stellenschaffung oder Vermehrung der Bettler?
5. Der bayerische Weg im 18. Jahrhundert: Bauernstellen statt Peuplierung
5.1 Doppelstrategie nach 1715: Ehebeschränkungen und Landesausbau
5.2 Die »Abnahme der Population in Bayern«
5.3 Indirekte Bevölkerungspolitik: Landverteilung und Wirtschaftsförderung
5.4 Direkte Bevölkerungspolitik: Eherecht und Auswanderung
5.5 Die Quadratur des Kreises
6. Fazit
Ausblick
Anhang
Abkürzungen, Quellen und Literatur
1. Abkürzungen, Siglen
2. Ungedruckte Quellen
3. Gedruckte Quellen
4. Sekundärliteratur
Personenregister




