Nixon | Rocking Horse Road | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 109 Seiten

Nixon Rocking Horse Road


1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-944818-03-0
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 109 Seiten

ISBN: 978-3-944818-03-0
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
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»Rocking Horse Road« stand 4 Monate auf der KrimiZEIT-Bestenliste. Am Strand einer schmalen Landzunge vor Christchurch wird 1980 die Leiche der 17jährigen Lucy Asher gefunden. In der Mitte dieser schmalen Landzunge vor Christchurch verläuft die Rocking Horse Road. Lucys Eltern haben ein Milchgeschäft an dieser Straße, und Lucy arbeitete oft dort, angeschwärmt von einer Gruppe 15jähriger Jungen. Lucy wurde erwürgt. Für die Jungen ist damit ihre Kindheit zu einem traumatischen Ende gekommen. Die Suche nach dem Mörder schweißt sie zusammen. Im Jahr nach dem Mord, 1981, touren die Springboks, das südafrikanische Rugby-Team, durch das Land. Protest gegen das Apartheidsregime erhebt sich. Es kommt zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. Die Jungen sind Rugby-Fans und erleben das Geschehen hautnah mit: »Wir hatten das Gefühl, dass da vor unseren Augen etwas sehr Wichtiges zerbrach. Wir konnten es nicht benennen, es war etwas, das uns zuvor selbstverständlich gewesen war und das, wie wir instinktiv wussten, niemals würde repariert werden können.« Das Buch stand 4 Monate auf der KrimiZEIT-Bestenliste. »Carl Nixon ist mit der spröden Poesie von ?Rocking Horse Road? ein atmosphärisch dichtes Debut gelungen, eine intensive Milieustudie und ein Roman über das Ende der Kindheit. Stefan Weidle hat den Text sorgfältig ins Deutsche übertragen.« Deutschlandradio Kultur

Carl Nixon, geboren 1967 in Christchurch, ist ein neuseeländischer Autor von Romanen, Kurzgeschichten und Dramen. Er gewann mit seinen Werken viele Preise, darunter den Katherine Mansfield Short Story Contest. 2007 war Nixon der Ursula Bethell/Creative New Zealand Writer in Residence an der University of Canterbury. Dort vollendete er seinen ersten Roman »Rocking Horse Road«, der äußerst erfolgreich war -das Buch stand 4 Monate auf der KrimiZEIT-Bestenliste. »Settlers Creek« erschien 2010 im englischen Original, 2013 auf Deutsch und war nominiert für den International IMPAC Dublin Literary Award 2012.

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Eins
Es war Pete Marshall, der Lucys nackte Leiche am Strand fand, nicht weit vom Ende der Rocking Horse Road entfernt. Auch wenn seit diesem Morgen fast drei Jahrzehnte vergangen sind und ein Jahrtausend geendet hat, können wir noch immer ganz präzise sagen, wo Lucy gelegen hat. Ihre Leiche lag am Fuß der Dünen, dort, wo die Flut sie hingespült hatte, nahe dem Schild mit der Warnung vor Kabbelwellen und der Aufforderung, nicht zu dem tiefen Kanal zu schwimmen, der die Flußmündung mit dem Meer verbindet und das Ende von The Spit markiert. Sofort war klar, daß keine dieser alltäglichen Gefahren Lucy Ashers Tod verursacht hatte. Es war der 21. Dezember 1980, ein Sonntag vier Tage vor Weihnachten. Morgens um halb acht. Der Sommer schickte sich bereits dazu an, einer der heißesten seit Menschengedenken zu werden. Der Himmel war wolkenlos, der Sand bereits warm. Von Anfang an stand fest, daß es ein verdammt heißer Tag werden würde. Die Dünen waren (und sind es noch) von einem Netz an Pfaden durchzogen: öffentliche Wege wie Trampelpfade. Aber Pete ignorierte sie alle und rannte auf dem kürzesten Weg zur Straße. Er hielt sich an die Dünenkämme, sprang über Löcher, pflügte durch Lupinen und japste wie ein Hund, als er endlich am Haus von Jase Harbidge ankam. Jases Vater war Senior Sergeant Bill Harbidge, der schon ein paar Minuten später hinter Pete über die Dünen rennen würde, in verwaschenen Shorts, mit offenen Schnürsenkeln und einem flatternden weißen Hemd, das er im Vorbeilaufen von der Wäscheleine gerissen hatte. »Wie ein großer weißer Albatros«, so beschrieb Pete ihn Jahre später. »Ich erinnere mich, wie er die letzte Düne hinuntersprang und es mir vorkam, als würde er gleich davonfliegen. Ich glaube, ich war ganz schön neben der Spur.« Wir haben oft darüber gesprochen, daß in der Nacht davor die Flut sehr hoch gewesen war. Keine Sturmflut, aber höhere Wellen als normal. Gewaltige Wassermassen hatten sich nachts im Südpazifik aufgetürmt und waren Welle auf Welle auf Welle am Strand aufgeschlagen. Jede von einem scharfen Ostwind getrieben. Im Rückblick ist es natürlich leicht, Ereignissen eine Bedeutung zu verleihen, die sie ursprünglich nicht hatten, doch in den ersten Tagen nach der Entdeckung von Lucys Leiche erinnerten sich einige von uns, wie wir in dieser Nacht in unseren Betten gelegen und dem Anbranden der Wellen gelauscht hatten. Wir hatten uns vorgestellt, wie sie an den Dünen fraßen, dem einzigen Schutz unserer Häuser gegen das Meer. Wir waren mit dem ständigen Rauschen der Brandung aufgewachsen, und doch konnten wir es nie ganz ausblenden. Wir hörten es über die Stimmen der Lehrer hinweg, wenn wir Unterricht hatten, und auch, wenn wir auf dem sandigen Gelände der South Brighton High School unseren Lunch verzehrten. Das Geräusch erhob sich über das Geschwätz unserer Brüder und Schwestern, wenn wir in unseren Küchen aßen. Es war der Soundtrack, der unser kompliziertes Erwachsenwerden begleitete. Aber für mehr als einen von uns, die wir in der Nacht von Lucys Ermordung in unseren Zimmern lagen, schien das Geräusch der Wellen einen tieferen und klagenden Ton angenommen zu haben. Ein endloser Zug, der in der Dunkelheit vorbeifuhr, dazu verdammt, ewig zu fahren und nie anzukommen. Als er mit Bill Harbidge vor dessen Haustür stand, erzählte Pete ihm, daß er an diesem Morgen schon um halb acht am Strand gewesen war, um seinen Hund auszuführen. Keine besonders überzeugende Geschichte – schon deshalb, weil Petes Familie keinen Hund hatte. Während des offiziellen Polizeiverhörs später an diesem Tag änderte Pete seine Geschichte. Was aber niemandem auffiel, schließlich war Pete kein Verdächtiger. Wir besitzen eine Kopie des Polizeiberichts (Exponat 2). Pete gibt da zu Protokoll, er sei am Strand joggen gewesen, um für die Rugby-Saison in Form zu kommen. Diese revidierte Version hielt mancher Prüfung stand, insofern als Pete in der U16-Mannschaft unserer Schule spielte. Doch niemand begann so spät im Jahr mit dem Training. Vermutlich würde nicht einmal ein Spieler unserer Nationalmannschaft morgens um halb acht schon über den Sand hetzen, und das vier Tage vor Weihnachten. Ein paar Tage später gestand uns Pete, er sei in den Dünen gewesen, um ein Penthouse-Heft zu holen, das er seinem älteren Bruder geklaut hatte (Tony Marshall, der ein paar Monate später zur Marine gehen und von The Spit und aus unserem Leben verschwinden sollte). Pete hatte das Magazin in einem Werkzeugkasten aus Metall versteckt – zusammen mit einer halben Tafel Vollmilchschokolade, die er im Laden von Lucys Eltern gestohlen hatte, und Sonnenöl. Den Kasten hatte er in einem natürlichen Amphitheater zwischen den Dünen vergraben. Der Ort war von hohen Lupinen umgeben und für Uneingeweihte praktisch nicht zu finden, es sei denn, sie stießen zufällig darauf. Einige von uns nutzten ihn als Treffpunkt, doch an diesem Morgen war Pete allein gewesen. Warum ist er dann auf die Dünen hochgegangen? Als wir ihn danach fragten, wußte er keine Antwort. Er wollte einfach nur schauen. Die Wellen anschauen? Den Sonnenaufgang? Die ersten Surfer, die beim Surfclub weiter oberhalb am Strand wie dunkle Seehunde aufs Meer hinauspaddelten? Ein Achselzucken. Offenbar einfach nur, um zu schauen. Da ist also Pete, fünfzehn Jahre alt, den Kopf voller Airbrush-Fantasy-Motive, auf dem Weg die Dünen hinauf, er kämpft sich durchs Tussockgras und durch Lupinen und schaut über den leeren Strand. Die Flut hatte den Sand umgeschichtet, wie sie es immer tat, also erblickte Pete eine Landschaft, die sich ganz leicht verändert hatte, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. »Was glaubtest du, was sie da machte?« (Das ist jetzt aus dem offiziellen Polizeiverhör.) »Ich dachte, sie würde sich sonnen.« »Morgens um halb acht?« Und dann sagte Pete etwas zu dem Beamten, das weit mehr Einsicht verriet, als die meisten ihm zutrauten: »Wenn man fünfzehn ist und ein nacktes Mädchen am Strand liegen sieht, dann denkt man nicht mehr sehr klar. Ich dachte, sie nähme ein Sonnenbad.« Lucy lag leicht auf der Seite, den Kopf von ihm weggedreht. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen. Er erkannte sie nicht. Arm und Schulter rechts waren teilweise im Sand vergraben, doch Pete konnte das nicht gleich sehen. Ihr Kopf ruhte knapp unterhalb der Flutmarke, wo der dunkle, nasse Sand an die von Gras und Lupinen überwucherten Dünen grenzte. Ihre Arme und Beine waren gespreizt – »auf dem Sand ausgebreitet wie ein Seestern«, schrieb ein Reporter (unzutreffend) auf der Titelseite von The Press am nächsten Tag. Ein Bein streckte sich ein wenig weiter zum Wasser als das andere, wie wenn sie erstarrt wäre, als sie ihre Zehen ins Wasser hielt, um die Temperatur zu prüfen. Von seiner Position aus konnte Pete ihre gebräunten Beine sehen, die Rundung ihrer Hüften und dann den steilen Abfall zu ihrer Taille. Und, ja, ihre prallen Hinterbacken, die Pete bisher nie an einer lebenden Frau gesehen hatte (und, rein formal betrachtet, auch jetzt nicht sah). Und ihren Rücken. Lucy war Schwimmerin und Lebensretterin und hatte einen breiten Rücken mit ein paar Sommersprossen, aber Pete hatte Lucys Rücken nicht erkannt. Pete wußte noch immer nicht, wen er da anstarrte. Und hier wollen wir uns von allen Verhörprotokollen und offiziellen Verlautbarungen lösen, um zu spekulieren. Für Pete Marshall muß die Erscheinung am Strand ausgesehen haben wie die Erfüllung all seiner Wünsche. Namenlos und nackt im klaren Morgenlicht; eine Seite aus den Magazinen seines Bruders, die für ihn allein lebendig geworden war. Dieser Gedanke kann nicht allzuweit von seinem Horizont entfernt gewesen sein (nicht vergessen: Pete war fünfzehn!). Oder vielleicht stellte er sich etwas noch Exotischeres vor. Falls er je in diesen ersten berauschenden Augenblicken an Meerjungfrauen oder verbannte Töchter aus Atlantis gedacht hat, hat er das nicht verraten. Gewiß nicht der Polizei und nicht einmal uns. Erst als Pete sich vorsichtig näherte, sah er, daß der linke Arm der Frau seltsam gefleckt war. Noch näher, und er konnte sehen, daß ihre Haut schlaff wirkte und nicht zu den Schultern einer Schwimmerin paßte. Ihr Haar war verfilzt, und ein verblichenes Stückchen Treibholz steckte darin. Lucy Asher hatte etwa fünf Stunden im Wasser gelegen, bevor sie an Land gespült wurde, heißt es im Bericht des Gerichtsmediziners (Exponat 5). Spuren am Leichnam deuteten darauf hin, daß er, von den Wellen herumgeworfen, wiederholt auf dem Grund aufgeschlagen war. Pete sagte der Polizei, er konnte aus noch größerer Nähe sehen, daß etwas »komisch« war an dem Winkel, den ihr Kopf mit dem Sand bildete. Es gibt ein Foto des Polizeifotografen (Exponat 7), auf dem man einen Fußabdruck im Sand sieht, unmittelbar bei Lucys ausgestreckter Hand. Die Hand liegt mit der Handfläche nach oben, die Finger leicht gekrümmt, als ob sie einen Ball gehalten hätten, den das Meer ihr irgendwann in dieser Nacht entwunden hat. Der Fußabdruck befindet sich knapp unterhalb der Leiche, Richtung Wasser, und berührt fast ihren kleinen Finger. Er stammt von einem Converse-Schuh, einem Basketball-Modell mit Stoffoberteil, das es in Blau oder Rot gab, mit einem Stern auf der Seite über dem Knöchel. Zu der Zeit trugen wir alle solche Schuhe. Doch alles, was Pete je dazu sagte, war, daß er nahe genug kam, um in der Frau Lucy Asher zu erkennen. Sie trug ein Halsband von Blutergüssen, ein Abschiedsgeschenk desjenigen, der sie in dieser Nacht vergewaltigt und erwürgt und ihren Leichnam dann in das tiefe Wasser des Kanals geworfen hatte. Das war der Moment, als Pete »ausflippte«, sich umdrehte und über die Dünen zurückrannte, um Jase Harbidges...



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