E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Reihe: Schneiderbuch
Noakes Cosima und das Phantom von London
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-505-15254-2
Verlag: Schneiderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Coole Mädchengang auf Verbrecherjagd im historischen London | Krimi ab 10 Jahren | sensible Repräsentation von Kindern mit Behinderung
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Reihe: Schneiderbuch
ISBN: 978-3-505-15254-2
Verlag: Schneiderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Cosima löst jeden Fall!
Im Heim zum Sterndiamanten ist endlich Frieden eingekehrt, der Schurke ist besiegt, und Cosima kann endlich Zeit mit ihrem lange verschollen geglaubten Vater verbringen. Doch das nächste Abenteuer lauert schon ... Ein weltberühmtes Gemälde wurde gestohlen und Cos' Vater wird beschuldigt und verhaftet. Cosima und ihre Freundinnen Diya, Mary und Pearl sind davon überzeugt, dass er verleumdet wird - und dass der mysteriöse Meisterdieb Der Schemen dahintersteckt. Cos darf ihren Vater nicht noch einmal verlieren, und so begeben sich die Mädchen mit Cleverness, Mut und Witz auf gefährliche Verbrecherjagd.
Verbrecherjagd in London 1900: ein weiteres Abenteuer der genialen Mädchengang
Für Krimi-Fans ab 8 Jahren
Laura Noakes ist in Bedfordshire in einem Haus voller Bücher aufgewachsen. Sie ist Doktorin der Geschichte und hat in Museen gearbeitet, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Sie teilt ihre Behinderung, das Hypermobilitäts-Syndrom, mit ihrer Hauptfigur Cosima. Laura lebt mit ihrem Ehemann und ihren frechen Katzen Scout und Sunny im schönen Cumbria im Nordwesten Englands.
Weitere Infos & Material
KAPITEL EINS
Cosima grinste in den sternenbehangenen Abendhimmel. Die Titelseite des Londoner Anzeigers hatte sie seit heute Morgen bestimmt schon tausendmal gelesen. Inzwischen zierte die Zeitung ein gewaltiger Marmeladenklecks (vom köstlichen Nachmittagstee), und die Druckerschwärze war an vielen Stellen zu düstergrauen Wirbeln verschmiert (da Cosima sie einfach nicht aus der Hand legen konnte). Als sie den Artikel jetzt erneut überflog, lief ihr trotzdem ein ehrfurchtsvoller Schauer über den Rücken.
Das Phantom. Der größte Dieb seit … na ja, seit Cosima und die anderen letztes Jahr den Palast der Schätze ausgeraubt hatten. Bloß hatte ihnen niemand einen so grandiosen Spitznamen verpasst, als die fünf Juwelen plötzlich aus der Empire-Ausstellung verschwunden waren. Cosima kräuselte die Stirn und überlegte, welcher Name dem Phantom wohl Konkurrenz machen könnte. Die Legendären Langfinger? Die Sagenhaften Stibitzer?
Sie seufzte. Diya hätte bestimmt einen tollen Einfall. Doch die fragte sie wohl besser nicht. Immerhin war die Tatsache, dass vier Mädchen mit Behinderungen und ein eigensinniger Zauberer-Schrägstrich-Taschendieb verantwortlich waren für eins der verblüffendsten kriminellen Rätsel des letzten Jahres, ein Geheimnis, das niemals jemand erfahren durfte.
Wer auch immer das Phantom war – er legte es definitiv darauf an, bemerkt zu werden. Im Augenblick war er der berühmteste Dieb der Welt. Das löste bei Cosima ein seltsames Ziehen in der Brust aus – eine Mischung aus Bewunderung und Neid. Sofort musste sie an die vielen Zeitungsartikel denken, die im Heim zerknittert zwischen ihrem Bett und der Wand steckten – mit reißerischen Überschriften wie DIADEM MIT STERNDIAMANT NOCH IMMER VERSCHOLLEN oder KOLONIALMINISTERIUM SUCHT VERSCHWUNDENE JUWELEN.
Von diesem kleinen Geheimnis ahnten nicht mal ihre Freunde etwas. Für die war die Gaunerei von letztem Jahr nämlich eine einmalige Sache gewesen.
»Kann ich die Funzel jetzt wegtun, Cos?«, fragte Dolly. »Meine Hand tut schon ganz weh, und ich hab doch nur eine …«
Cosima nickte und murmelte eine Entschuldigung, während Dolly die Flackerfunzel wieder an den Griff von Diyas Rollstuhl hängte.
Ganz vorsichtig faltete Cosima den Anzeiger zusammen und schob ihn zurück in ihre Tasche.
In der Ferne erklang ein Donnergrollen. Der kühle Wind frischte auf, der Himmel verdunkelte sich, und ein Wirbel aus grauen und violetten Sturmwolken kündigte die Dämmerung an. Schnell zog Cosima ihren Regenmantel enger zu. Hoffentlich würde der Nieselregen bald aufhören.
Die große Gruppe in den bunten Uniformen vom Heim zum Sterndiamanten, die so gar nicht zu diesem schrecklichen Frühlingswetter passen wollten, stand schon eine ganze Weile in der Warteschlange. Langsam kam allerdings das Ende in Sicht und damit auch der Eingang zu einem Jahrmarkt. Cosima stützte sich auf ihren treuen Gehstock und beobachtete die unzähligen eleganten Damen und Herren mit Hut, die um sie herum ebenfalls warteten. Sie alle rümpften die Nasen und flüsterten leise, wenn sie das Grüppchen von Kindern mit Rollstühlen, Gehstöcken und Hörtrichtern entdeckten.
Doch heute Abend war Cosima viel zu aufgeregt, um sich darüber zu ärgern.
Hoch über ihrem Kopf ragte ein schillerndes Schild mit der Aufschrift
DAS SPEKTAKULUM
in der diesigen Dunkelheit auf. Hinter dem Schild leuchteten Hunderte goldene Lichter über etlichen Fahrgeschäften und Schaubuden. In Cosimas Ohren surrte es.
»Elektrizität ist wirklich wundervoll«, hauchte Diya.
Neben Cosima umklammerte Mary einen bebilderten Plan vom Gelände des Spektakulums, den man ihnen beim Einreihen in die Warteschlange ausgehändigt hatte. Mary liebte nichts mehr als einen perfekt ausgearbeiteten Plan. Sich für die verschiedensten Möglichkeiten zu wappnen, half ihr beim Durchstehen ihrer Panikbeben, einem Symptom, das Erwachsene gern ihrer sogenannten Hysterie zuschrieben. »Hier gibt es so viele Fahrgeschäfte!« Sie zog einen Stift aus der Tasche und fing an, sich auf der Karte Notizen zu machen. »Wenn wir alle Attraktionen sehen wollen, müssen wir unsere Zeit gut einteilen.«
Auf Cosimas anderer Seite malte Pearl sich gerade einen rot gestreiften Jahrmarktwaggon auf die Hand. Er passte bestens zu den schimmernden Fahrgeschäften, den flatternden Zeltbahnen und dem leuchtenden Riesenrad, die bereits ihren Unterarm zierten. Cosima wusste genau, wie vielschichtig Pearls Genialität war. Sie konnte zwar bestimmte Geräusche und Gerüche nur schwer ertragen und vermied direkten Augenkontakt, doch sie schuf auch die erstaunlichsten Kunstwerke, die Cosima je gesehen hatte. Und sie verließ das Heim niemals ohne einen Pinsel.
»Ich freue mich so auf das Gemälde«, murmelte sie nun verträumt und verpasste einem Akrobaten, der auf ihrem Handgelenk ein Rad schlug, den letzten Schliff. »Könnt ihr euch das vorstellen? Jemand wie wir, auf einem echten Gemälde?«
Vor zwei Wochen war Pearl in den Schlafsaal gestürmt, die Abendausgabe des Anzeigers fest an die Brust gepresst. Viel zu aufgeregt, um sich zu erklären, hatte sie nur die Titelseite hochgehalten:
SELTENES GEMÄLDE STEHT BALD ZUM VERKAUF
DAME IM BETT
BEGEISTERT DIE KUNSTWELT
Vincent & Söhne, Londons führende Kunsthändler, geben voller Freude bekannt, dass ihr neu erworbenes Gemälde von Ambrosius van Hackenboeck diesen Frühling bei einer Auktion angeboten wird. Für das Kunstwerk, das im Spektakulum ausgestellt ist, solange der Jahrmarkt in London residiert, wird ein astronomischer Verkaufserlös erwartet.
Van Hackenboeck ist einer der angesehensten niederländischen Künstler des 17. Jahrhunderts und bekannt für seine Porträts von Salondamen, Adeligen und Angehörigen des Königshauses. Die Dame im Bett, ein eindrucksvolles Porträt, zeigt eine magere Frau, ans Bett gebunden und auf Genesung hoffend. Wie bei da Vincis Mona Lisa ist auch die Identität dieser bemerkenswerten Porträtierten nicht bekannt.
Sir Theodore Vincent, Sohn des Firmengründers, hat als Schirmherr des Spektakulums dafür gesorgt, dass bei dieser Veranstaltung – neben dem ansonsten oberflächlicheren Unterhaltungsangebot – vor allem Kunst im Mittelpunkt steht. Denn es ist ihm schon immer ein Anliegen, auch den ungebildeten Massen Zugang zu wahrer Schönheit zu ermöglichen. Der Van Hackenboeck wird daher gemeinsam mit anderen prächtigen Kunstwerken in der eigens hierfür errichteten Gemäldegalerie zu bewundern sein.
Van Hackenboeck war zwar einer von Pearls Lieblingskünstlern, doch diesmal war der Grund für ihre Aufregung eher die Person auf dem Gemälde: eine Frau mit Behinderung. Seither hatte Pearl von nichts anderem mehr gesprochen und das gesamte Heim mit ihrer Vorfreude angesteckt.
»Uns steht ein unterhaltsamer und lehrreicher Abend bevor«, sagte Miss Gutmut jetzt und holte Cosima damit wieder in die Gegenwart zurück. »Die ideale Ablenkung von meinen Vorbereitungen für die Inspektion diese Woche.«
Miss Gutmut hatte erst vor Kurzem die Leitung des Heims zum Sterndiamanten übernommen, in dem Cosima und all ihre Freundinnen lebten. Davor hatten sie unter der mit Gin getränkten und knauserigen Fuchtel von Miss und Mr. Makel gestanden. Erst als Cosima und die anderen zusammen mit der unvergleichlichen Reporterin Agatha de la Dulce die Grausamkeit und das finanzielle Versagen der Geschwister aufgedeckt hatten, waren sie ins Gefängnis gewandert. Als die Makels schließlich weg waren, wollte die Aufsichtsbehörde für die Heimunterbringung Minderjähriger genauer untersuchen, in wessen Obhut die Kinder gut aufgehoben wären – zum ersten Mal in Cosimas Leben. Und zum ersten Mal machte Cosima sich keine Sorgen. Miss Gutmut war wie ein warmer Becher Kakao an einem trüben Tag. Ihre Verbesserungen im Heim waren unglaublich. Trotzdem hatte die Behörde ihr noch vor dem eigentlichen Kontrollbesuch einen ganzen Dokumentenstapel zum Ausfüllen zukommen lassen. Fast die gesamte letzte Woche hatte Miss Gutmut über ihrem Schreibtisch gebrütet, und die Ringe unter ihren Augen waren dunkel wie Gewitterwolken.
Cosima seufzte. »Ich wünschte, Aggie wäre mit uns hier. Sie würde es lieben.«
Die Augen der Heimleiterin funkelten verschmitzt, als sie Cosima sanft den Arm drückte. Miss Gutmut und Aggie waren beste Freundinnen, und wenn Aggie nicht gerade bis zum Hals in einer Ermittlung steckte, verbrachten die beiden jede freie Minute miteinander. »Bei ihr weiß man nie, vielleicht wartet sie ja schon hinter der nächsten Ecke.«
Das Spektakulum kam also genau zur richtigen Zeit: Die Weihnachtsdekoration war schon eine ganze Weile wieder auf dem Dachboden, und der triste März konnte ein bisschen Magie gut gebrauchen. An jedem Laternenpfahl und Schaufenster hingen Plakate, um den Jahrmarkt und seinen berühmten Illusionisten anzukündigen, den Einmaligen Illusario. Über Nacht waren unzählige rot-weiß gestreifte Zelte aufgetaucht, schon bald war aufgeregtes Flüstern in Kensington laut...