Nordmann | Dr. Karsten Fabian 200 - Arztroman | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 200, 64 Seiten

Reihe: Dr. Karsten Fabian

Nordmann Dr. Karsten Fabian 200 - Arztroman

Ein Märchen wird wahr in der Heide
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7325-5721-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Märchen wird wahr in der Heide

E-Book, Deutsch, Band 200, 64 Seiten

Reihe: Dr. Karsten Fabian

ISBN: 978-3-7325-5721-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Was sich da neulich bei in dem Heidedorf Altenhagen zugetragen hat, das ist schon eine Geschichte wert. Es begann an einem Wintertag, und Helene Fromm wartete in ihrem Wirtshaus auf Gäste, auf eine junge Frau und ihr Töchterchen, die sich angekündigt hatten. Als die beiden zwei Stunden überfällig waren, wurde Helene unruhig und schickte die Bauern, die am Stammtisch saßen, auf die Suche nach der Frau - raus in einen wilden Schneesturm ...

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Es hatte in der Heide während der ganzen Nacht geschneit, und es schneite jetzt, am späten Vormittag, immer noch. Ein kräftiger Nordwind fegte Schneeflocken fast waagerecht über die Lüneburger Heide und türmte sie zu hohen Verwehungen auf.

Eine junge Frau verließ mit ihrem Kleinwagen an der Ausfahrt zur Heidekreisstadt die Autobahn. Auf dem Rücksitz saß ein fünfjähriges Mädchen, und die Frau fuhr vorsichtig und langsam durch die weit angelegte Kurve.

Sie hatte die Scheinwerfer und die Scheibenwischer eingeschaltet und starrte angestrengt durch die Windschutzscheibe auf die Straße und in das Schneetreiben. Am Ende der Ausfahrt bog sie in die Landstraße ein, die die Kreisstadt mit Lüneburg verband. Der Wagen glich einem rostbraunen Käfer mit weißem Rücken und zwei glühenden Augen, der zögernd und widerwillig in die veränderte Richtung kroch.

Der Wind, der auf der Autobahn von hinten über den Wagen gefegt war, packte das Auto jetzt auf der Landstraße von der linken Seite.

Erschrocken lenkte die Fahrerin den Wagen gegen diesen unerwarteten Druck. Im Nu waren die linken Seitenfenster dicht vom Schnee bedeckt. Die Frau starrte in das Schneetreiben vor sich.

Gleich darauf führte die Landstraße durch einen Wald. Der Sturm und der wilde Tanz der Schneeflocken wurden hier ruhiger. Die junge Frau atmete auf, aber sobald links von ihr eine niedrige Schonung auftauchte, stieß der Wind mit wilder Kraft gegen das Auto.

Außerdem gab es an solchen Stellen hohe Schneeverwehungen, die sie nur mühsam umfahren konnte. Ängstlich hielt sie Ausschau nach irgendwelchen Wagen, nach Scheinwerfern, nach Menschen, aber nirgendwo sah sie auch nur eine Spur von ihnen. Es war ihr, als sei sie mit ihrem Töchterchen allein in dieser kalten, stürmischen Welt.

Beruhigend wirkte nur das Geräusch des Motors. Sie blickte in den Rückspiegel. Tanja hatte sich in eine Decke gekuschelt und schlief offensichtlich.

Und dann fuhr die Frau erschrocken zusammen. Vor ihr tauchte eine riesige Schneewehe auf, aus der auch noch ein paar grüne Fichtenzweige herausragten. Ein umgestürzter Baum, eine Fichte, die quer über der Straße lag, schon tief verschneit und kaum erkennbar.

Die Frau trat auf die Bremse und schlug instinktiv beide Arme vor die Augen.

Es gab einen Ruck, ein kreischendes Geräusch, als die Fichtenzweige am Blech des Wagens entlangkratzten, eine aufstiebende Schneewolke, ein nochmaliger Ruck. Der Wagen stand. Der Motor war abgewürgt.

Nur zwei schwache Lichtpunkte schimmerten unter einem Berg von Schnee, sonst war es dunkel. Die junge Frau lehnte sich entsetzt in ihrem Fahrersitz zurück, startete nach einer kleinen Weile den Motor und ließ ihn im Leerlauf laufen. Schließlich legte sie den Rückwärtsgang ein, fuhr an, aber die Räder griffen nicht auf dem glatten Straßenbelag. Sie versuchte es immer wieder und wurde immer nervöser, bis ihr Tränen der Verzweiflung über die Wangen liefen.

»Sind wir schon da, Mutti?«, fragte ihr Töchterchen Tanja hinter ihr verschlafen.

»Nein, mein Schatz, aber es wird sicher bald ein Auto kommen, das uns hier herauszieht. Wir sitzen nämlich in einem Schneeberg fest.«

»In einem Schneeberg, Mutti?«, fragte Tanja ängstlich.

»Du brauchst keine Angst zu haben. Leg dich ruhig wieder hin.«

Sie tätschelte, indem sie sich halb herumdrehte, ihrer Tochter die Wange. Dann aber wandte sie sich energisch der Tür neben dem Fahrersitz zu und öffnete das Schloss.

Es schnappte zwar auf, aber dennoch ließ sich die Tür nicht öffnen, obwohl sie sich mit ganzer Kraft gegen sie lehnte. Erschöpft holte sie Atem und versuchte es an der Beifahrertür. Hier konnte sie die Tür einen Spaltbreit öffnen. Mehr nicht.

Schnee rieselte durch den schmalen Schlitz am oberen Türrand in den Wagen. Die junge Frau überlegte, ließ den Motor wieder an, legte erneut den Leergang ein, sodass wenigstens die Heizung im Wagen lief.

Dann saß sie still da. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Wie symbolisch, dachte sie verzweifelt. Immer, wenn ich versuche, mich zu befreien, bleibe ich irgendwo stecken. Wann war mein Leben eigentlich noch in Ordnung gewesen? Peer wollte mich nicht heiraten, auch nicht, als Tanja geboren worden war. Er verschwand einfach und ließ mich mit unserem Kind allein. Alles, was ich anfasste, misslang, sogar der Versuch, mich mit meinem Vater auszusöhnen, der nichts mehr von mir wissen wollte, als ich zu Peer gezogen war. Er ist nicht einmal zu Tanjas Taufe erschienen.

Die Frau schniefte leise auf.

»Weinst du, Mutti?«, fragte Tanja hinter ihr.

»Ach wo, ich habe mir nur einen Schnupfen geholt«, log sie. »Bist du auch warm zugedeckt?«

»Ja, Mutti. Kommt bald jemand, der uns aus dem Schneeberg befreit?«

»Ganz bestimmt.« Tanjas Mutter lächelte und lauschte auf das leise Winseln des Sturmes, der durch den oberen Türspalt an der rechten Wagenseite pfiff.

***

In der Gaststube »Zum blechernen Krug« in Altenhagen stand die Wirtin Helene Fromm hinter der Theke und sah zu ihrem einzigen Gast, der am Stammtisch Platz genommen hatte und gedankenversunken in sein Glas Rotwein schaute.

»Wenn das da draußen so weitergeht, ist morgen früh ganz Altenhagen eingeschneit«, krähte Helene mit ihrer hellen Stimme. »Du hast Glück gehabt, dass du über die Straße gekommen bist, Pastor.«

»Zu Fuß ist das kein Problem. Aber ob der Bus von der Kreisstadt kommen wird, bezweifle ich. Wahrscheinlich muss er warten, bis die Straße geräumt ist.«

»Ach, du lieber Himmel, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht«, stieß Helene erschrocken hervor.

»Woran hast du nicht gedacht?«, fragte Pastor Stolzenburg aufhorchend.

»Gestern Abend rief eine junge Frau aus Hamburg an. Eine Frau Tönjes. Sie bestellte ein Zimmer für sich und ihr Kind. Sie sagte, sie würde um zehn Uhr hier sein. Jetzt ist es schon nach zwölf Uhr. Wenn sie bei dem Wetter gefahren ist …«

»Sie kann sich verspätet haben, Helene. Das kann viele Ursachen haben«, versuchte der Pastor Helene zu beschwichtigen.

»Ja, ja, das weiß ich natürlich«, gab die Wirtin wenig überzeugt zu. »Aber wenn sie gefahren ist …«

»Machst du dir Sorgen, sie könnten einen Unfall haben?«, fragte Pastor Stolzenburg.

»Ja. Sie schien noch sehr jung zu sein. Sie sagte, sie sei vor Jahren schon einmal mit ihren Eltern hier bei mir gewesen.«

»Es hilft nichts. Du musst abwarten, Helene.«

Helene seufzte. »Wenn der Bus wenigstens kommen würde, dann wüsste ich, dass die Straße passierbar ist.«

»Du kannst ja in der Kreisstadt anrufen und fragen, ob er überhaupt fährt«, riet der Pastor.

»Daran habe ich auch schon gedacht. Aber was ist mit unseren Bauern, die verpflichtet sind, die Straße schneefrei zu halten? Da rührt sich bis jetzt gar nichts.«

»Du weißt, dass sie erst das Ende des Schneesturms abwarten müssen. Wenn sie vorher anfangen, wehen die Straßen höher zu, als sie es vorher waren.«

»Höher als vorher? Wieso denn das?«

»Beim Räumen schieben sie den Schnee zu Wällen an den Straßenrändern zusammen. Und der Sturm weht den Schnee sehr rasch über die Wälle, sodass die Straße bis in Wallhöhe zuweht, Helene.«

Helene schwieg, aber dann griff sie entschlossen nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer des Bürgermeisters von Altenhagen, Gottlieb Fiedler. Und als er sich meldete, erzählte sie ihm, dass sie befürchte, ihre angemeldeten Gäste könnten irgendwo auf der Landstraße zur Kreisstadt in einer Schneewehe stecken geblieben sein, und schloss: »Auf der Autobahn wird wahrscheinlich laufend geräumt, Gottlieb, aber die Landstraße ist sicher schon zugeschneit. Und die junge Frau mit ihrem fünfjährigen Kind sitzt fest. Wenn sie darauf warten muss, bis die Straße geräumt wird … Das kann ja bis morgen früh dauern! Bis dahin können sie erfrieren!«

»Du siehst zu schwarz, Helene«, erwiderte der Bürgermeister zögernd.

»Ich sehe doch die Verwehungen hier vor dem Haus, Gottlieb. Der Pastor sitzt hier bei mir. Er musste durch knietiefen Schnee waten. Und so eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen …«

»Also gut, ich werde sehen, was ich tun kann, Helene. Ich rufe dich wieder an.«

»Na endlich«, krähte Helene und legte zufrieden den Hörer auf.

***

Das Erste, was Gottlieb Fiedler erfuhr, als er in der Kreisstadt anrief, war, dass der Busverkehr vorläufig eingestellt worden sei. Man müsse abwarten, bis die Räumfahrzeuge die Straßen freigemacht hätten. Das aber könne dauern, weil man befürchte, dass der Sturm Bäume geknickt habe, die über die Straße gestürzt seien.

Gottlieb rief danach den Oberförster Sperber an, erfuhr von ihm, dass es sogar direkt vor der Oberförsterei umgeknickte Bäume gäbe und dass es sehr gut angehen könnte, dass dort, wo der Sturm keinen Widerstand fände, noch mehr Schaden entstanden sei.

Jetzt wurde Gottlieb Fiedler energisch. Er rief bei den Bauern an, die zum Katastrophendienst gehörten und die mit ihren Treckern mit vorgebauten Schneeschiebern zum Räumdienst verpflichtet waren.

Er telefonierte mit dem Leiter der Freiwilligen Feuerwehr, die mit Räumgerät und Baumsägen ausrücken sollten. Und er sprach mit dem Landarzt Dr. Fabian, seinem Schwiegersohn, erzählte von Helenes Befürchtungen und bat ihn, sich zur Verfügung zu halten.

»Ist es denn erwiesen,...



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