Nordmann | Dr. Karsten Fabian - Folge 188 | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 188, 64 Seiten

Reihe: Dr. Karsten Fabian

Nordmann Dr. Karsten Fabian - Folge 188

Heiderose
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7325-4754-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Heiderose

E-Book, Deutsch, Band 188, 64 Seiten

Reihe: Dr. Karsten Fabian

ISBN: 978-3-7325-4754-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Am Rande von Altenhagen lebt ein alter Mann in völliger Abgeschiedenheit. Er hat nur seine Katzen und 'Leuthold', einen komischen Kauz, der ihm im Garten zur Hand geht. Paulus Tüxen ist verbittert und grantig, und er geht auf Krücken. Mit keinem Menschen will er etwas zu tun haben, seit sein Sohn vor vielen Jahren nach Amerika ausgewandert ist.


Doch dann taucht plötzlich eine junge Frau in dem Heidedorf auf, und Heiderose - so heißt sie - lässt sich von der grimmigen Art des Alten nicht abschrecken. Schließlich ist sie extra aus Amerika angereist, um endlich ihren Großvater kennenzulernen ...

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In der alten Backsteinkirche von Altenhagen waren der Altar, die Kanzel und die Wände für das Erntedankfest geschmückt.

Garben und Büschel aus Getreide, Sträuße, Kränze, Kronen aus leuchtenden Herbstblumen, Kürbisse, rotbäckige Äpfel und gelbe Quitten lagen zu Ornamenten gelegt um das aus einem Findling geschlagene Taufbecken herum.

Opfergaben als Dank für eine reiche Ernte, dachte Pastor Stolzenburg, der mit vor dem Leib gefalteten Händen dastand und andächtig die Fülle betrachtete. Die Sonne warf Strahlen durch die bleigefassten, farbigen Glasfenster.

Pastor Stolzenburg runzelte die Stirn. Er dachte daran, dass die Altenhagener zum Erntedankfest in den Gottesdienst strömen würden, aber ihre Gedanken würden weit entfernt sein von Demut und Dank dem Herrn gegenüber. Sie sind eitel, und sie wollen am Ende nur ihre eigene Tüchtigkeit feiern. Nun, das werde ich ihnen in meiner Predigt schon austreiben.

Pastor Stolzenburg blickte zu Jesus hinauf, der vom Kreuz auf ihn hinabzuschauen schien.

»Ich weiß, dass du möchtest, dass ich denen, die an dich glauben, ihre Freude lasse. Aber wer von diesen Heiden hier in Altenhagen glaubt ehrlich an dich? Ich sage dir: Sie feiern nur sich selbst. Na ja, auch ein bisschen Dankbarkeit wird dabei sein, solange sie in der Kirche sind. Sobald sie sie verlassen, denken sie schon wieder nur an sich selbst, gehen hinüber in den Blechernen Krug und spülen mit Heidjer und Bier den Geschmack, der ihnen auf der Zunge liegt, hinunter. Und damit vergessen sie dich … bis Weihnachten.«

Pastor Stolzenburg wandte sich ab und ging mit bedächtigen Schritten zum Ausgang, verließ »seine Kirche« und schritt zielstrebig hinüber zu Helene, der Wirtin des Blechernen Krugs. Als er in die Gaststube trat, blieb er erstaunt an der Tür stehen.

»Was tut denn ein Tierarzt in der Kneipe?«, rief er Dr. Werner Ladewig zu, der an der Theke stand und gerade eine Flasche Heidjer in einer Aktentasche verschwinden ließ.

Bevor Dr. Ladewig antworten konnte, rief Helene, die hinter der Theke stand, zornig: »Kneipe, Pastor? Dies hier ist keine Kneipe. Dies ist ein Gasthaus.«

»Ja, ja, beruhige dich, das Wort war schlecht gewählt«, entschuldigte sich der Pastor.

»Das will ich dir auch geraten haben, Pastor. Willst du deinen Viertel Roten?«

»Natürlich, Helene.« Pastor Stolzenburg ging zu Dr. Ladewig, der die Aktentasche verschloss, und gab ihm die Hand. »Willst du für schlechte Zeiten vorsorgen?«

»Die Flasche Heidjer ist für Paulus Tüxen bestimmt. Er bat mich, sie ihm mitzubringen. Ich fahre zu ihm, weil seine Katzen krank sind.«

»Der alte Tüxen«, sagte Stolzenburg. Es schwang ein bisschen Mitleid und Nachdenklichkeit darin. »Er hat sich völlig abgekapselt, humpelt auf zwei Krücken herum und will keinen Menschen sehen. Ein völlig verbitterter, alter Mann. Warst du schon mal bei ihm?«

»Nein, Pastor.«

»Du wirst dich wundern. Das Haus ist riesengroß. Ein altes Niedersachsenhaus, das vollgestopft ist mit Erinnerungen aus besseren Tagen. Früher, als Tüxens Frau noch lebte und sein Sohn noch nicht nach Amerika gegangen war, war er ein richtiges Temperamentsbündel, fuhr vierspännig, feierte Feste … Na ja, jetzt vegetiert er nur noch vor sich hin.«

»Wie lange ist denn sein Sohn schon drüben?«, wollte Dr. Ladewig wissen.

»Ich denke, so an die zwanzig Jahre.«

»Hm. Jedenfalls danke ich dir für die Hinweise, Pastor.«

***

Dr. Ladewig verließ die Gaststube, stieg draußen in sein Auto und fuhr an. Er nahm den gepflasterten Weg, der nach einigen Hundert Metern in die alte Landstraße mündete, bog kurz vor dem Wald in einen Feldweg ein und folgte ihm.

Rechts dehnte sich der dunkle Mischwald und zur linken breitete sich eine weite Heidefläche aus. Wacholderbüsche, ein paar Birken, Vogelbeerbäume und an den Feldwegrändern Brombeerbüsche. Am Ende des Waldstücks lag Tüxens Haus mit tief herabgezogenem Strohdach.

Der Tierarzt hielt vor der Haustür an der Giebelseite und stieg aus. Er las den Spruch über der Dielentür: »Der Bauer Tüxen baute das Haus – Gott halte alle Sorgen raus. Anno siebzehnhundertfünfundachtzig.«

Werner Ladewig betrat die Diele. Es war ein Gang wie durch ein Museum. Und plötzlich stand der alte Tüxen, auf zwei Krücken gestützt, in der gegenüberliegenden Tür und musterte Dr. Ladewig.

»Sie sind der Tierarzt?«, fragte er mit einer Stimme, die viel jünger klang, als Dr. Ladewig vermutet hatte.

Werner verbeugte sich knapp. »Ja, der Tierarzt. Herr Tüxen?«

»Ja. Die Katzen sind hier im Zimmer. Perserkatzen. Schon mal welche behandelt?«

»Früher, Herr Tüxen. Seit ich in Altenhagen bin, behandle ich meistens Kühe, Schafe, Heidschnucken und hin und wieder auch mal Pferde.«

Tüxen nickte, schwang sich auf den Krücken herum, die er sich unter die Achseln geklemmt hatte, fuhr fort: »Bin gespannt auf die Diagnose. Alle vier sind ganz plötzlich krank geworden.« Überraschend drehte er sich noch einmal um und betrachtete Dr. Ladewig. »Sie stehen da und staunen. Hier ist alles alt. Genau wie ich.«

Werner Ladewig nickte. »Sie haben eine Hüftluxation, nicht wahr?«

»Ja, gut erkannt, Herr Tierarzt. Ich bin ein alter, lahmer Gaul. Was tut ein Tierarzt mit so einem Tier? Erschießen? Habe schon daran gedacht, aber das ist würdelos. Kein guter Abgang.«

»Sie kennen doch Doktor Heideck und Doktor Fabian, Herr Tüxen.«

»Ja, die haben mich beide untersucht. Wollen mich operieren. Da mach ich aber nicht mit.«

»Sie schlucken lieber Tabletten, schlafen nicht, weil Sie Schmerzen haben …«

Paulus Tüxen starrte ihn an. »Sind Sie nicht hier, um die Katzen zu heilen?« Er stieß mit einer Krücke die Tür auf, vor der er stehen geblieben war. »Haben Sie den Heidjer mitgebracht? Legen Sie ihn kalt. Der Eisschrank ist da in der Küche.«

Dr. Ladewig schmunzelte. »Wird gemacht, General.«

Er ging zur Küchentür und wusste, dass der alte Tüxen hinter ihm her sah.

Als er kurz darauf den Raum betrat, in den Tüxen gegangen war, fand er den alten mit einem völlig anderen Gesichtsausdruck vor. Er saß in einem Lehnstuhl. Vier Katzen lagen zu seinen Füßen und auf seinem Schoß.

»Meine liebsten Freunde. Alles Persönlichkeiten. Kratzen, wenn sie ärgerlich sind, und schnurren, wenn sie schmusen. Aber sie sind krank, fressen nicht.«

»Zwei Schildpatt-Perser und zwei Balinesen«, stellte Dr. Ladewig ruhig fest.

»Richtig«, sagte Taxen, »fangen Sie hier bei dieser an.« Er hielt dem Tierarzt eine Balinesekatze entgegen. »Sie heißt Miriam.«

Dr. Ladewig hob die Katze auf den Tisch, tastete ihren Bauch ab und schaute ihr in die Augen. Die Pupillen waren unnatürlich weit geöffnet.

»Sie hat wahrscheinlich etwas Giftiges gefressen«, stellte Dr. Ladewig fest, nachdem er mehrere Male sanft und mit leichtem Druck über ihren Rücken gestrichen hatte, ohne dass Miriam mit Katzenbuckel oder aufgestelltem Schwanz reagierte.

Er legte das Tier vorsichtig auf die Seite.

»Es gibt kein Gift im Haus«, empörte sich der alte Tüxen.

»Aber vielleicht gibt es Ratten oder Mäuse, die Gift gefressen hatten«, erwiderte Dr. Ladewig, nahm die Katze und setzte sie auf den Boden. Dann untersuchte er die drei anderen Tiere. »Es sind bei allen die gleichen Symptome vorhanden, Herr Tüxen. Fressen sie gemeinsam?«

»Immer. Was jetzt?«

»Ich gebe allen eine kreislaufstützende Injektion, dazu ein Abführmittel.«

»Kein Gegengift, Doktor?«

»Da wir das Gift nicht kennen, das sie aufgenommen haben, verzichte ich lieber darauf.«

»Ich dachte, es gibt ein Gegengift gegen alle Giftarten.«

»Sicher, aber kennen müssen wir sie. Ich gebe Ihnen eine Schachtel mit Abführmittel. Die Katzen mögen es. Für sie schmeckt es wie Kindern Schokolade.«

Dr. Ladewig reichte ihm die Packung, die er seiner Arzttasche entnahm, und injizierte dann das Kreislaufmittel.

»Rufen Sie mich an, wenn sich die Tiere übermorgen immer noch so apathisch verhalten. Übrigens: Wer sorgt hier für Sie, Herr Tüxen? Sie können das Haus doch unmöglich in Ordnung halten. Haben Sie Angehörige, die nach Ihnen sehen?«

»Angehörige!«, stieß der alte Mann verächtlich hervor. »Habe einen Sohn. Der wollte eine Zietz heiraten. Habe ihn deshalb nach Amerika geschickt. Annegret Zietz folgte ihm ein halbes Jahr später. Ich habe nie wieder was von den beiden gehört. Nur, dass sie geheiratet haben.«

»Zietz? Es gibt doch in Altenhagen ein Textilgeschäft«, sagte Dr. Ladewig nachdenklich.

»Ja. Das gehört Dora Zietz, Annegrets Tante. Auch so eine Person …«

»Und wer also pflegt Sie?«, fragte der Tierarzt ärgerlich.

»Leuthold«, knurrte Tüxen.

»Leuthold Böken? Aber das ist …« Dr. Ladewig brach ab.

Alle Altenhagener kannten Leuthold Böken. Er hatte das Gemüt eines fünfjährigen Kindes, aber die Kraft von zwei ausgewachsenen, kräftigen Männern.

Tüxen kicherte. »Der tut alles für mich.«

Er hielt Miriam ein Stück des Abführmittels vor die Nase. Sie nahm es sofort und zerkaute es.

»Das schmeckt ihr«, stellte Tüxen verwundert fest und fügte hinzu: »Finden Sie...



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