Oberst | Vergiftete Saiten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 108 Seiten

Oberst Vergiftete Saiten


3. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7543-1014-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 108 Seiten

ISBN: 978-3-7543-1014-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alejandro Rubén Olívar hat sein Instrument gemeistert und erspielt sich glänzenden Ruhm bei der Bevölkerung im Süden Spaniens. Doch Geschehnisse im Dunkeln, welche sich seines Blickes entziehen, bringen ihn an seine Grenzen von Mut und Moral. Alte Wunden - ein neuer Lebensabschnitt. Alte Leidenschaften - eine neue Chance.

"Vergiftete Saiten" ist Sebastian Obersts erstes Werk und entstand während eines Zeitraumes von dreieinhalb Jahren zwischen 2009 und 2012. Seine Leidenschaft für den Süden Spaniens, verbunden mit der Liebe zur Musik, spiegelt sich in jeder Zeile virtuos wieder.

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Die Musik war schon von Weitem zu hören. Wie jedes Land seine eigene Volksmusik hat, so auch Spanien mit temperamentvollen Klängen der Iberischen Halbinsel aus den Schalllöchern der Flamenco-Gitarren. Sie bedeuteten die ausgelassene Stimmung der Musikanten auf dem Marktplatz. Zahlreiche Interessenten tummelten sich um Stände mit exotischen Gütern, um die alten Meister, die ihre Künste auf ihren Instrumenten darboten und um Händler mit verschiedensten Waren aus der Region. Eine prächtige Vielfalt bot sich den Augen der Menschen, die diesen Anblick richtig in sich aufsogen. Es war wie ein kleines Fest und von den Bewohnern Granadas jedes Jahr sehnlichst erwartet. Die Familie war zum ersten Mal in Spanien. Beladen mit unzähligen Reiseführern schlenderten Familienvater Frank mit Ehefrau Ursula und ihrem Sohn Manuel über das großzügige Marktgelände. Sie hatten gelesen, genau an dem Tag, an dem sie in Granada sein würden, sei ein Markt, der nur einmal im Jahr stattfände, und da müssten sie unbedingt hin. Manuel langweilte sich. Ein nahes Ende des Ausflugs war nicht in Sicht. Fast abwesend trottete er brav hinter seinen sichtlich angetanen Eltern her. Er schaute sich nur halbwegs die Stände an oder nahm sie überhaupt nicht wahr. Doch auf einmal riss ihn ein bestimmter aus seinen Gedanken und weckte sein Interesse. Er blickte sich um. Ursula und Frank versuchten verzweifelt, sich mit einem spanischen Verkäufer zu verständigen. »Mit Händen und Füßen...«, dachte er und war erleichtert, dass niemand ihn als deren Sohn identifizieren konnte. Er sah, dass dieser Kommunikationsversuch noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde, also nutzte er die neu gewonnene freie Zeit, um sich den Stand genauer anzuschauen. Scheinbar willkürlich zusammengestellte Sachen waren chaotisch auf einem schlichten Teppich auf der Erde ausgebreitet: Gitarrensaiten, eine kleine Engelsstatue, Tomaten aus spanischen Anbaugebieten, ein paar Flaschen Weißwein und alte Bücher. Ein kleiner, etwas gebrechlicher Mann hockte auf einem Sitzkissen und trank Tee. Neben ihm die Teekanne und die Hitzequelle. Manuel fragte sich, wie man mit so einer mickrigen Flamme überhaupt irgendetwas zum Kochen bringen konnte. Außer die Geduld. Doch was seine Aufmerksamkeit wirklich auf sich zog, waren die Bücher. Er bemerkte ein seltsames Exemplar mit einem braunen Einband, auf dem nicht ein einziger Buchstabe zu finden war. Ledrige Seiten, er blätterte ein wenig. »Aha... Eine gute Wahl...«, zischelte der Alte verwunderlicher Weise auf holprigem Deutsch. Manuel stutzte einen Moment. Mit deutschen Wortfetzen hätte er nicht gerechnet ? er dachte zunächst, er hätte sich verhört. »Woher wissen sie ? « Doch der Alte symbolisierte ihm mit einer Geste, dass er schweigen solle. »Ich schenke dir das Buch, wenn du willst«, sagte er mit rauer Männerstimme. Manuel schien das Ganze ein wenig suspekt. Ein mindestens achtzig Jahre alter Mann hielt ihm ein Buch entgegen und grinste ihn fast schon glückselig mit mehr Zahnfleisch als Zähnen an. Doch nach Momenten des Zögerns beschloss er, das Geschenk anzunehmen. Er nahm das Buch genauer in Augenschein. Schlagartig fiel ihm ein, dass er seine Eltern vergessen hatte, oder vielmehr, dass sie ihn vergessen hatten. Er drehte sich um und wäre beinahe mit seinem Vater zusammengestoßen. »Junge, wo warst du denn? Deine Mutter macht sich schon Sorgen.« Manuel rollte mit den Augen. »Sie ist schon am Auto. Ich bin noch mal zurückgelaufen. Los jetzt!« Seinem Vater war das Buch gar nicht aufgefallen. Andererseits hatte Manuel von ihm auch nichts Anderes erwartet. Abends, als alle Arbeit erledigt war, machte Manuel es sich in seinem kleinen Zimmer im Ferienhaus unweit von Granada bequem. Er brannte schon richtig darauf, endlich mit dem Lesen zu beginnen. Öfters erinnerte er sich an den kleinen Mann vom Markt, und er hätte gern länger mit ihm geredet. Doch jetzt wandte er sich seinem Buch zu. Die ersten zwei Seiten waren leer. Erst auf der dritten stand etwas: »Vergiftete Saiten« Der Titel wahrscheinlich. Ein seltsam gewählter Name, unter dem man sich nur schwer oder mit viel Fantasie etwas vorstellen kann. Er blätterte nur kurz weiter und erreichte den Anfang des Buches. Ab der ersten Seite wusste er, dass er noch weit in die Nacht hineinlesen würde. Alejandro Rubén Olívar standen Schweißperlen auf der Stirn und war ganz außer Atem. Er stellte seine zwei kleinen, aber doch schweren Koffer und seine Gitarre auf den Boden ab, kramte aus der Tasche seiner ockerfarbenen Wollweste den schon leicht angerosteten Schlüssel heraus und schloss die leichte Holztür auf. Mit einem Knarzen öffnete sie sich. Fahles Dämmerungslicht fiel in das dunkle Landhaus ein. Der Geruch der Felder um ihn herum drang ein, sodass er sich mit dem Holzgeruch des Hauses zu einer angenehm würzigen Mischung zusammentat. Alejandro trat vorsichtig ein, nach dem Lichtschalter tastend. Schließlich flackerte die Lampe an der Decke auf und bestrahlte den Innenraum. Er platzierte seine Gepäckstücke. Daraufhin ließ er seinen Blick schweifen. Das Haus bestand aus einem großen Wohnzimmer mit ein paar kleinen Nebenräumen. Es war eher karg ausgestattet. In einer Nische standen ein Ofen mit Herdplatte sowie Haken aus Holz für Küchenutensilien; die Küche war ein Teil des Wohnzimmers. Sonst war noch ein braunes Sofa, ein Esstisch, zwei Stühle und Säcke mit Getreide und Gewürzen zu finden. Alejandro trat über den Steinboden, der mit Teppichen ausgelegt war, zu einem schmalen Fenster hin. Die Scheibe war schmutzig. Sie legte einen gräulichen Schleier über die Landschaft, die sich vor Alejandros Augen erstreckte. Olivenbäume säumten die Hügel. Wind kam auf, die Bäume unterwarfen sich seiner Kraft. Es herrschte eine seltsame, nach innen gewandte Stimmung. Durch das gekippte Fenster wehte der kalte Wind in das Haus und umspielte Alejandros Gesicht. Es pfiff an den Holzbalken, die das Dach stützten. Ein fürchterliches Heulen erklang. Alejandro schauderte. Sein Blick wurde immer leerer. Er fühlte sich nicht wohl. Er tat es leichtfertig ab, schob es einfach auf seine wahrscheinliche Überanstrengung, doch tief im Inneren wusste er genau, was das war. Kein Schwächeanfall. Es wurde immer heftiger. Er konnte diese Gedanken nicht mehr länger unterdrücken. Zitternd am ganzen Körper vergrub er sein Gesicht in den Handflächen, sank auf die Knie und stieß ein leiderfülltes Schluchzen aus. Die Vergangenheit holte ihn mit einer beängstigenden Heftigkeit wieder ein. Seine alte Heimat, seine Wurzeln… Das Heulen des Windes verband er mit der schmerzlichsten Erinnerung: Er musste sie verlassen. Das Heulen klang fast genauso wie das Ihre an jenem Tag. Die wärmste Liebe der Welt konnte er vor kurzer Zeit noch an seiner Seite wissen. Bei dem Gedanken, meilenweit von ihr entfernt zu sein, erschien ihm diese Distanz wie eine unüberwindbare, dunkle Schlucht, die kein Licht aufhellen könnte. In diesen Stunden übertrug Alejandro all seinen Kummer in ein anderes Medium. In Musik. Wenn er in solchen Momenten auf seiner Gitarre spielte und die Augen schloss, tat sich vor seinem inneren Auge ein Bild auf. Er beobachtet sich beim Spielen selbst. Seine Emotionen sind blau schimmernde Fäden, die in seinem Kopf zirkulieren und nicht entweichen können. Aber sobald er zu spielen beginnt, fließen die Fäden das Gesicht hinunter, den Hals entlang. Sie wenden sich einige Male in seiner Brust; von dort teilen sich diese Emotionsstränge, rauschen durch beide Arme, gelangen zu den Fingern und erfüllen bei Kontakt die Saiten seines Instruments. Sie steigen immer weiter den Steg empor, vereinen sich wieder, bis sie aus der Spitze der Gitarre herausbrechen, und damit aus Körper und Seele. Die tiefste Nacht war schon hereingebrochen, doch im Haus brannte noch ein kleines Licht. Alejandro saß an seinem Schreibtisch, mit Papier vor sich ausgebreitet und Feder und Tinte bereitgelegt. Er wollte einen Brief schreiben. Es wäre wieder die erste Kontaktaufnahme mit ihr. Ein Lebenszeichen. Sie und er waren kurz vor dem Abschied ein Versprechen eingegangen, sich Briefe zu schreiben, um den Kontakt nie verebben zu lassen. Er hatte sich dies zu seiner Pflicht gemacht. Und so schrieb er. Im Bett liefen stille Tränen entlang seiner Wangen auf sein Kopfkissen. Die matte Morgensonne entsandte ihre Vorboten eines klaren und warmen Tages im ganzen Tal. Alejandro Rubén ließ sich sein Gesicht bescheinen. Wärme erfüllte seinen Leib. Kleine Tröpfchen benetzten das Gras, es schien über Nacht geregnet zu haben. Er nahm einen kräftigen Atemzug. Würzige Luft. Er liebte schon jetzt diese Luft in seiner Wohngegend. Dieser Morgen stand im erstaunlichen Kontrast zum vorherigen Abend, aber Alejandro machte sich darüber keine Gedanken. Zwei Dinge waren für jenen Tag geplant: Er musste das ganz in der Nähe gelegene Dorf aufsuchen und sich, am besten beim Bürgermeister höchstpersönlich, für das Haus bedanken. Es war ja schließlich nicht selbstverständlich. Als zweites natürlich...



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