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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Org Frau Hölle

Ragnarök' Deine Mudda!
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-939239-82-6
Verlag: U-Line UG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ragnarök' Deine Mudda!

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-939239-82-6
Verlag: U-Line UG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Eingang in die Welt der Toten liegt nicht in verwunschenen Wäldern- er liegt gleich neben der Autobahnausfahrt zu IKEA Berlin- Tempelhof. Ja, ehrlich! Steht sogar bei Wikipedia!
Wobei man der "Blanken Hellen", einem unscheinbaren, völlig zugebauten und mit Hundekacke zugeschissenen Tümpel, dieser Tage nun wirklich nicht mehr ansieht, dass sich dort für die alten Germanen einst tatsächlich das Tor ins Reich der mächtigen Totengöttin Hel befand.
Und niemand weiß, dass Hel, heute besser bekannt als "Frau Holle", hier bis heute unentdeckt unter den Menschen lebt! Zusammen mit jeder Menge anderen, längst vergessenen Götterkollegen – die sich mangels ausbleibender Opfergaben allerdings mit ganz irdischen Problemen herumschlagen müssen. Als Friseurin, Steinmetz, Gelegenheitsmodel, Kneipenwirt oder Kassenwart des Behindertensportvereins fristen die einstigen Herrscher der Welt ihr trübes Dasein und wollen eigentlich nur noch eins- ihre Ruhe!

Dann aber erschüttert eine Mordserie das Viertel, gänzlich unerklärlich und bestialisch. Gemeuchelte LARP- Spieler, geköpfte Pastorinnen, fensterstürzende Pflegefall- Haustyrannen, dazu immerwährende Gerüchte über bestialische Madenmutanten aus den Tiefen des Sees. Bald schon sehen Menschen wie Götter die Tage des Endes heraufdämmern!
Und obwohl sie ganz schön aus der Übung sind – Hel und ihre Kollegen beschließen, den Kampf aufzunehmen.
Doch erweisen sich ADHS- Deathmetal, lesbischer Sex, kiffende Zwerge und die Widerstandskraft gegen das Muttermonster aus Gütersloh tatsächlich als zweckmäßige Waffen gegen alles vernichtende Metzelviecher aus Fett, stinkende Zermarterer oder die pinkfarbenen Haarsträhnen der Riesendämonin?

Aber auch die skrupellosesten Machenschaften des moralapostolischen Kongresses sind machtlos gegen wahre Elternliebe – und die Sprengkraft von Kohlensäure...

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2. Leni öffnete erst um zehn. Und während Robert die Tür von «Alboin-Bestattungen» aufschloss, nutzte er den Moment olfaktorischen Wohlbefindens, um noch einmal kurz innezuhalten. Voller Vorfreude betrachtete er die Reflexion des grauen Gestrüpps auf der Teichoberfläche, sog den Morgendunst ein und entließ genüsslich den weißen Dampf seines Odems in die noch eisige Märzluft, bevor er den Laden betrat, ohne das Licht anzuschalten. Auf dem großen Eichenholzschreibtisch dämmerte im Halbdunkel sein Laptop vor sich hin. Dem feierlichen Anlass angemessen langsam senkte Robert eine Hand auf das Notebook, klappte es auf und ließ mit dem Antippen der Space-Taste den Bildschirm aus dem Stand-by erwachen. Die Messingurnen-Ansichtsexemplare auf dem Regal schimmerten auf, angestrahlt vom Facebook-Profil einer Frau. Zumindest war als Geschlecht «weiblich» eingetragen – auch wenn der Vorname Hel ebenso wenig aussagekräftig klang wie das als Nachname angegebene Wort «Holle» oder das dazugehörige Bild: die stilisierte Zeichnung eines zur Hälfte schwarzen und zur Hälfte weißen Gesichts. Versonnen betrachte Robert den Bildschirm. Nie hätte er gedacht, dass eine so schnöde diesseitige Einrichtung wie Facebook ihm zu seinem mit Abstand größten Magierabenteuer verhelfen würde. Kein Rollenspielchen nach immer demselben Schema, erdacht von ein paar missgünstigen Wichtigtuern bei ein paar Bechern Met zu viel. Oh nein, das hier – war Realität! Ein weiteres magisches Temakel, gefolgt von einem kurzen Moment geistiger Fokussierung, dann ließ Robert – Raduart – Bassman alias «Hel Holle» erste Buchstaben im «Was machst du gerade»-Feld des Profils erscheinen. «N… o… c… h… m… e… h… r…» Er brauchte eine Weile, um auf der unbeleuchteten Tastatur alle Buchstaben zu finden, aber seine Schreibtischlampe anzuschalten schien ihm ob der Tragweite des Augenblicks zu profan. «R… a… c… h… e…» Über dem Laptop kreisend suchte Hel Holles Zeigefinger jetzt eine Weile nach dem Fragezeichen, bevor er schließlich wie ein Raubvogel darauf stürzte. Dann hielt Robert inne. Sollte er es wirklich tun? Zum ersten Mal befiel ihn ein leiser Anflug von Zweifel. Hatte Leni wirklich dieselbe Strafe verdient wie die beiden anderen, die vor ihr hatten sterben müssen? Sollte man nicht möglicherweise angesichts ihres hohen Alters …? Nein, kein Mitleid! Mit einem entschlossenen Schnaufen schnellte Roberts Mittelfinger auf die Enter-Taste. Zack, das war’s! Er hatte es getan! Und fühlte sich mit einem Mal regelrecht aufgekratzt. Erfüllt von Vorfreude begann er, sich leise summend durch einen Ordner mit Bilddateien zu scrollen. Darstellungen von Frauenköpfen mit in der Längsachse zweigeteiltem Gesicht, entweder je zur Hälfte schwarz und weiß, jugendlich schön und greisenhaft oder sogar totenköpfig skelettiert. Robert entschied sich für ein aus verschiedenen Fotos zusammenmontiertes Junge-Frau-alte-Frau-Portrait, auf dem der Gegensatz von samtig glänzender Haut, rosig-aufgeworfenen Lippen und üppig bewimperten Kulleraugen zu runzelbedeckten, grauhäutigen Wangen, trübem Blick und hängenden, roten Lidern besonders gut zur Geltung kam. Noch einmal die Enter-Taste und Hel Holles neues Profilbild erstrahlte über der Pinnwand. Viel war dort in der letzten Zeit nicht passiert. Ein paar kurze Kommentare einer gewissen «Pagan Goddess» gab es – und drei Einträge von Hel Holle selbst: «Rache?» «Mehr Rache?» Beide Male hatte Pagan Goddess mit einem «;-)))))!» reagiert. Auch auf «Noch mehr Rache?», Hel Holles Posting von gerade eben, trudelte nun ein «;-))))))!» als Kommentar ein. Roberts Herz schlug bis zum Hals. So schnell war es noch nie gegangen … «Machst’n da?» Er fuhr entsetzt herum und blickte verdattert in das von der Kälte rot angelaufene, sommersprossige Gesicht eines Riesen, dessen massige, schnaufende Gestalt wie aus dem Nichts hinter Robert aufgetaucht war. Ein kurzer Moment Schreckstarre, dann erleichtertes Aufatmen. Thorsten Donner, Steinmetz des an den Alboinplatz grenzenden Friedhofs Schöneberg Zwo, sah ebenso grobschlächtig aus, wie er hieß, und trotzdem hatte Robert ihn nicht kommen hören. Er hätte abschließen sollen! «Ich … ich habe noch zu …» Der Steinmetz überging den wohl nicht eindeutig genug ausgesprochenen Hinweis und beugte sich zum Bildschirm des Laptops hinunter. Zwei hammelkeulengroße Schulterblätter nahmen Robert die Sicht. «Is’n ditte?» Eingeklemmt zwischen der Lehne seines Schreibtischstuhls und Donners gigantischer Rückenpartie schielte Robert auf den babyblauen Fleecestoff, der sich, aufdringlich nach Weichspüler duftend, an das meterbreite Kreuz des Steinhauers schmiegte. Donners auffälliger Vorliebe für pastellfarbene Trainingskleidung lag zwar – wie der Hüne Robert im Suff mal gestanden hatte – die Absicht zugrunde, durch freundliche Farben weniger Furcht einflößend zu erscheinen, doch auch in der Tarnfarbe Bleu wirkte das dampfende, leise vor sich hin grunzende Fleischmassiv alles andere als einnehmend, selbst wenn man nur die Hinterseite sah. Von vorne war es ohnehin aussichtslos, trieb doch der wirre Silberblick aus Donners stechend wasserhellen, wegen seines rotblonden Haars wimpernlos scheinenden Augen jedem, der den Steinmetz zum ersten Mal traf, den Angstschweiß auf die Stirn. Und auch noch vielen, die den Muskelklotz seit Jahren kannten. Wie jetzt Robert, dem das Herz bis zum Hals schlug, obwohl er es doch eigentlich besser wusste. «Hel Holle …?! Is’n dit für ’n bekloppter Name? Keen Wunder, dasse nur vier Freunde hast!», gurgelte es aus den Tiefen des babyfarbenen Flauschgebirges. «Ich … ähm … das, das ist …» Nie zuvor hatte Robert sich so entsetzlich ertappt gefühlt. Zumal der fleischerne Gigant dummerweise empathisch genug schien, genau das zu bemerken, und gleich noch ein wenig interessierter hinsah. «Moooment ma …», grollte es jetzt von hinter der Rückenwand. «Als enge Freude haste Ro-bert-Bass-man und Ra-du-art? Biste … nur mit dir selber befr…?!» «Ich … äh … nein … also … die zwei anderen Freunde … das sind», begann Robert zu stammeln. Bis er begriff, wie dämlich er sich anstellte. Was bitte hatte er zu befürchten? Mal abgesehen davon, dass der Steinhauer-Klops ganz offensichtlich nicht den geringsten Verdacht schöpfte, ging «Mord durch Facebook-Magie» doch wohl bei keinem Gericht der Welt als Straftatbestand durch. Roberts Erstarrung löste sich. Mit neu erwachtem Selbstbewusstsein schlängelte er sich an der linken Hammelkeule vorbei zum Schreibtisch und klappte direkt vor Donners Nase den Laptop zu. «Das … das ist nur … so’n Rollenspiel-Zeugs. Findest du sowieso blöd.» «Nu mach da nich gleich ins Hemd, hab’s nur jut jemeint!», knurrte der Steinhauer. «Hel Holle … da kannste ja gleich Leichenheini nehmen als Name!» Robert versuchte seine Fassung zu wahren, indem er mit dem Zeigefinger ein winziges magisches Temakel in die Luft hinter Donners Rücken zeichnete. Donners von der Winterluft spröde Lippen zogen einen unpassend kindischen Flunsch. Dann griff eine seiner sommersprossigen Pranken ins Regal mit den Ausstellungsurnen über Roberts Schreibtisch und zog das größte Behältnis heraus. «Scheiße!» Unter zusammengezogenen Augenbrauen begutachtete der Riese das Bandornament aus Dreifaltigkeitssymbolen auf dem Messinggefäß seiner Wahl. «Ham ja wirklich nur drei Ecken, die Dinger …» «Was dachtest du denn?» «Na, vier. Hätte doch sein können.» «Wenn es Drei-Faltigkeit heißt?» Robert entfuhr ein mitleidiger Seufzer. Wie es aussah, hatte der hellblaue Muskelklumpen sich bei der Herstellung eines Grabsteins wieder einmal verhauen – im wahrsten Sinne des Wortes … Gleich würde er Robert eröffnen, dass ein Ausbessern bis zur Beerdigung nicht zu schaffen war und Alboin-Bestattungen hatte den Ärger – wie die letzten fünf Male. Wirklich erstaunlich, dass Muskel- und Gehirnzellen in ein und demselben Körper derart unverhältnismäßig verteilt sein konnten. «Is halt … nich so jut für’n Kopp, dit Jekloppe …», hob der Rotbart brubbelnd zu seiner Verteidigung an. Verlegen pulte er dabei mit der linken Hand in seinem rechten Ohr, dessen Blumendraht dicke Behaarung ebenso rostfarben glimmte wie die kurz geschorenen Borsten auf dem flachstirnigen Schädel. Seine andere Pranke pendelte hilflos vor und zurück, die klumpigen Finger fest um das stattliche Urnenexemplar geschlossen wie um eine Nuss. Ein elender Anblick. Und auch wenn es nach dem, was Hel Holle gerade wieder getan hatte, nicht unbedingt naheliegend war – Robert hatte ein Herz! Ein empfindsames, geschundenes, noch immer waidwundes Herz!...


Die Mehrzweckentertainerin Jahrgang 1971 war in ihren frühen 20ern mal Popstar, schreibt seit ihren frühen 30ern Bücher, Kurzgeschichten, Kolumnen und Drehbücher und reist mit diesen kreuz und quer durchs Land.



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