Oxford | Alles ist bestens, solange du lügst | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Oxford Alles ist bestens, solange du lügst


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-641-13062-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-13062-6
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Lügen kann so schön sein
Kelly Oxford eignet sich nur bedingt für allzu harmoniesüchtige Gemüter: wer sich von Infos über die Schambehaarung ihrer Kinder, dem Gefühl der Einsamkeit auf der Toilettenschüssel oder von Oxfords Vorliebe für Erdnussbutter mit Nutella überfordert fühlt, sollte sich gemäßigtere Gefilde suchen. Denn in ihren 16 autobiografischen Geschichten besticht Oxford mit einem Mix aus beißendem Witz, sarkastischer Selbst-Denunziation und der wahnsinnig komischen Reflektion alltäglicher Verrücktheiten ihres Familienalltags.

Kelly Oxford begann ihre Schriftstellerkarriere bereits mit fünf Jahren, als sie 'Ich hab ein Baby bekommen' in ihr Hello-Kitty-Tagebuch kritzelte. Seitdem hat sie den Stift nicht mehr zur Seite gelegt. Mittlerweile schreibt sie für Film- und Fernsehproduktionen von Warner Bros., CBS und NBC und veröffentlicht Artikel in Magazinen wie GQ. Mehr von Kelly Oxford kann man online lesen. Sie tweetet (@kellyoxford) und bloggt (kellyoxford.tumblr.com) was das Zeug hält. Ihre Geburtsstadt Edmonton hat die Kanadierin mittlerweile gegen Los Angeles eingetauscht, wo sie mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern lebt (von denen übrigens keiner in diesem Buch auftauchen wollte). Sie ist Buchautorin, schreibt Drehbücher und Blogs, daneben ist sie dreifache Mutter. Ihren Tweets folgen 560.000 Menschen.
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DER NABEL DER WELT ODER SO WAS

»DAMON!«, brüllte ich. Meine Hände, die für eine normale Sechsjährige viel zu klein waren, lagen trichterförmig um meinen Mund. Dann musste ich erst mal die verrutschte Brille auf meiner Nase zurechtrücken. Es war ein riesiges Modell mit Plastikgestell, das meine Augen monströs vergrößerte und mich wie eine Comicfigur aussehen ließ.

Damons Mom öffnete das Tor. Sie hieß Karen, war eher klein, hatte aber eine laute Reibeisenstimme, die mich total faszinierte. Meine Stimme war völlig gewöhnlich, Durchschnitt eben. Ich wollte mich auch so irre anhören wie Karen und wünschte mir, überhaupt alle Menschen hätten eine so irre Stimme.

Meine Mom, Gaye, war zwar eine ziemlich irre Person, hörte sich aber vollkommen normal an, mit einer äußerst gewöhnlichen Stimme. Auch wenn mir die Vorstellung gefällt, die Menschen würden ihre Seltsamkeiten zurückhalten und in sich verschließen können, so finde ich es doch besser, wenn sie der Außenwelt sofort ins Auge springen. Wie bei Karen eben.

»Komm doch rein, Kleine! Damon ist im Haus. Magst du vielleicht ein paar Kekse essen oder fernsehen? Ein Duke kommt selten allein läuft gerade.«

»Eigentlich wollte ich nur fragen, ob Damon zu mir nach Hause kommen kann, um für mein Stück vorzusprechen.«

»Wow, Kelly! Du hast ein Stück geschrieben? Wie heißt es?«

»Es heißt Star Wars

»Aber Kleine …«, sagte sie mit diesem freundlich gönnerhaften Lächeln auf den Lippen. »Du willst mir doch nicht erzählen, du hättest Star Wars geschrieben, oder?«

»Ich habe es adaptiert. Für die Bühne. Es ist das beste Bühnenstück, das ich bisher geschrieben habe, und ich denke, dass Damon der geborene Darth Vader ist.«

Die Haustür ging auf, und heraus trat Damon. Er wischte sich gerade mit dem Handrücken die Reste eines Erdnussbutter-Sandwiches aus dem Gesicht. An den Wirbeln auf seinem Kopf standen die Haare in die Höhe, und mit seinem braunen Velours-Trainingsanzug sah er aus wie eine Miniaturausgabe von Tony Soprano. Selbst im zarten Alter von sechs Jahren wusste ich schon, dass Damon ein geborener Entertainmentagent war, oder mindestens ein Frühstücksradiomoderator.

»Kelly, ich will mit Mädchen nichts mehr zu tun haben!«, erklärte er. »Ich spiel nicht mehr mit dir.«

Karen stiefelte die Treppe zur Haustür hinauf und versetzte Damon einen Klaps auf den Hinterkopf. »Damon! Was habe ich dir zum Thema Benehmen gesagt? Damon?! Guck mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«

Damon schaute zu seiner Mom auf, die allerdings nur ein kleines Stück größer als er selbst war. »Was denn?«, fragte er schulterzuckend und spielte den Ahnungslosen.

Karen schaute mich an, seufzte und schüttelte den Kopf. »Mein Junge hat wirklich null Benimm, Kelly. Wirklich N.U.L.L. Benimm!« Sie drehte sich wieder zu Damon. »Was ist bloß los mit dir?«

»MÄDCHEN SIND KACKE! DIE BILDEN SICH DIE GANZE ZEIT EIN, DASS SIE WAS BESONDERES SIND!«

Karen fuhr ihren Zeigefinger wie ein Klappmesser aus und fuchtelte Damon damit drohend vor seiner erdnussbutterverschmierten Visage herum. »Wenn du weiter so einen Quatsch redest, wirst du eines Tages aufwachen und SELBST EIN MÄDCHEN SEIN, Damon! DANN WACHST DU AUF UND HAST EINE VAGINA!«

»Okay!«, sagte ich, ließ mein Fahrrad fallen und rannte die Auffahrt zur Haustür hinauf. Oben angekommen, kramte ich einen Flyer aus meinem Rucksack und drückte ihn Damon in die Hand. »Wenn du deine Meinung über Mädchen doch änderst, dann komm zum Vorsprechen vorbei. Um zwei Uhr bei mir.«

»Er wird kommen. Ganz bestimmt.« Karen lächelte und legte ihren Arm um Damons Schulter. »Er wird kommen.«

Wie auf Kommando rollte Damon mit den Augen.

»Damon«, rief ich, als ich mich wieder auf den Bananensattel meines Fahrrads setzte, »du würdest einen unglaublichen Darth Vader abgeben.« Um die Wirkung meiner Worte zu verstärken, legte ich eine kleine Pause ein und schaute an ihm vorbei auf einen weit entfernten Punkt am Himmel. »Ich weiß allerdings nicht, wie viele Kids sich auf diese Rolle bewerben werden. Wahrscheinlich eine ganze Menge. Wäre also gut, wenn du nicht zu spät kommst.«

Als ich von Damons Haus wegfuhr, malte ich mir den Premierentag aus: Morgens würden wir einen Penny Carnival veranstalten, mit jeder Menge Attraktionen für ein wenig Kleingeld. Spiele, Essen und Trinken und vielleicht sogar ein paar sexy Cancan-Tänzerinnen. Mittags würden die Kids dann Star Wars aufführen. Zum Abschluss würde ich den Penny Carnival noch einmal öffnen, damit sich die Sache auch lohnte. Die Einnahmen waren mir dabei ziemlich egal, aber sie würden der skeptischen Erwachsenenwelt doch handfest beweisen, was für ein Naturtalent ich war, welch aufgehender Stern in der Unterhaltungsbranche.

Vorerst plagten mich allerdings andere Sorgen. Ich hatte ein Stück, aber keine Schauspieler.

Es war an der Zeit, die Sache ernst zu nehmen.

Nach meinem Besuch bei Damon und seiner Mom war meine nächste Station das Haus von Jordan und seiner Familie. Jordan war ganz okay und hatte jede Menge Spielzeug. Erstaunlicherweise bekamen wir uns aber nie wegen seiner Spielsachen in die Haare – das Fundament für eine funktionierende Freundschaft! Jordans Mom stammte aus Venezuela, und sein Zuhause schien für mich wie ein fabelhaftes Fantasieland, in dem Träume wahr wurden. Jordans Mom hatte ihren Kindern tatsächlich erlaubt, Kakao in Flaschen abzufüllen und dann DIREKT AUS DEN FLASCHEN ZU TRINKEN! Sie besorgte ihnen einen Easy Backofen – einen tatsächlich funktionierenden Spielzeugherd! –, einen Hamster, ein Eisbärfellteppich und eine Platte mit dem »Chicken Dance« drauf. Jordan und seine Geschwister hatten sogar ein Aquarium voller Guppys. Im Haus meiner Eltern war das alles nicht erlaubt. Bei anderen Leuten war es meiner Mom egal, aber in ihren eigenen vier Wänden hatten solche Widerlichkeiten nichts zu suchen. »Hamster sind nichts als gefräßige Fellkugeln, die nach Urin stinken und Krankheiten verbreiten.« Sie mochte zwar auf einer Farm aufgewachsen sein und das Leben einer gewöhnlichen Mittelklassefamilie in einer gewöhnlichen Stadt in Kanada führen, aber sie tat so, als wären wir Töchter aus besserem Hause und mein Vater der Herzog von Wellington.

Als ich ankam, spielten ein paar Kids im Garten vor dem Haus: Jordan, Ian und Troy. Ich balancierte auf meinem Rad und fischte ein paar Flyer aus meinem Rucksack.

»Jungs, wollt ihr vielleicht berühmt werden?«

»Wofür sind die denn?«, fragte Jordan und griff sich einen der Zettel.

»Für den RUHM, JORDAN! Ich habe ein Theaterstück geschrieben, und jetzt suche ich Leute, die bei der Aufführung in meinem Garten mitmachen. Einen Penny Carnival gibt es auch. Also kommt zum Vorsprechen! Bei mir zu Hause, um zwei Uhr!«

»Star Wars?!« Ian, ein Knirps mit vielen Sommersprossen und vorstehenden Zähnen, schaute von dem Flyer auf. »Das ist der beste Film aller Zeiten und kein Theaterstück. Wie soll das zum Beispiel mit den Lichtschwertern funktionieren?!«

Ich trat einen Schritt zurück und streckte meine Arme nach vorn aus, als würde ich einen großen Säbel halten. »Ich nehme einfach die beste Pappe, die ihr je gesehen habt, und bastele daraus ein Lichtschwert«, erklärte ich und schwang dabei meinen imaginären Säbel hin und her. »Meeerrrrrr! Merrrrrrrr! Merrrrrrrrr!«, brummte ich und ließ die Waffe an den dünnen Hälsen von Ian, Troy und Jordan entlangschwingen, um ihre Köpfe vom Rumpf zu trennen.

»Sollen so etwa die Lichtschwerter klingen?!«, krittelte Jordan. »Du Amateur! Wie viele Stücke hast du überhaupt schon geschrieben?« Er sah wirklich nicht beeindruckt aus. Dabei war mein Lichtschwertbrummen – im Gegensatz zu meinen Fähigkeiten als Theaterautorin – legendär. Ich versuchte, Jordan umzustimmen. »Ich habe schon ein anderes Stück geschrieben. Es hieß Die Kinder des verwunschenen Astlochs. Das war aber nicht so gut wie Star Wars. Dieses Mal habe ich die besten Teile aus dem Film genommen und anständig aufgepeppt. Die Sachen mit Jabba The Hutt und dem Todesstern und so. Daraus können wir echt was machen! Für den Metallbikini von Prinzessin Leia habe ich auch schon eine Idee: Den bastele ich aus Thunfischdosen.«

Tatsächlich schrieb ich auch andere Sachen, zum Beispiel wahre Geschichten vom Leben mit meiner Familie. Sie handelten von meinem Vater, dem Immobilienverwalter mit dem Winnie-Puuh-Gemüt, von meiner schrecklich süßen kleinen Schwester und den neurotischen Eskapaden meiner liebenswert überbesorgten Mutter, die mich mindestens einmal pro Woche zum Arzt brachte. Entweder hatte ich garantiert Leukämie, oder ich litt wegen einer nicht diagnostizierten...


Oxford, Kelly
Kelly Oxford begann ihre Schriftstellerkarriere bereits mit fünf Jahren, als sie „Ich hab ein Baby bekommen“ in ihr Hello-Kitty-Tagebuch kritzelte. Seitdem hat sie den Stift nicht mehr zur Seite gelegt. Mittlerweile schreibt sie für Film- und Fernsehproduktionen von Warner Bros., CBS und NBC und veröffentlicht Artikel in Magazinen wie GQ. Mehr von Kelly Oxford kann man online lesen. Sie tweetet (@kellyoxford) und bloggt (kellyoxford.tumblr.com) was das Zeug hält. Ihre Geburtsstadt Edmonton hat die Kanadierin mittlerweile gegen Los Angeles eingetauscht, wo sie mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern lebt (von denen übrigens keiner in diesem Buch auftauchen wollte). Sie ist Buchautorin, schreibt Drehbücher und Blogs, daneben ist sie dreifache Mutter. Ihren Tweets folgen 560.000 Menschen.



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