E-Book, Deutsch, Band 375, 115 Seiten
Palmer Seewölfe - Piraten der Weltmeere 375
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95439-783-9
Verlag: Pabel eBooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Mann wird ausgesetzt
E-Book, Deutsch, Band 375, 115 Seiten
Reihe: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
ISBN: 978-3-95439-783-9
Verlag: Pabel eBooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Martin Correa, Zweiter Steuermann auf dem spanischen Expeditionsschiff 'San Nicolas', war empört über den Schinder-Kapitän, der ihn eiskalt einem ungewissen Schicksal überließ, indem er befahl, ihn auf der Insel San Salvador - von den Indianern 'Guanahani' genannt - auszusetzen, angeblich, um das Eiland zu vermessen! Aber auf den geheimen Befehl des Kapitäns hin sollte er dort nach Gold graben. Martin Correa schwieg und gehorchte - angesichts der Tatsache, daß er anderenfalls in der nächsten halben Stunde an der Rah baumeln würde. Don Rafael, der Kapitän, hatte die absolute Macht an Bord der Galeone, unterstützt von den Seesoldaten, die er als seine Leibgarde betrachtete...
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2.
Martin Correa war ein geradliniger, tapferer und zäher Mann. Er fand sich mit dem Befehl ab und bereitete sich auf das trostlose Insulaner-Dasein vor. Während die „San Nicolas“ an der Westküste von San Salvador vor Anker ging und das Beiboot abgefiert wurde, räumte er seine Achterdeckskammer. Sorgsam schaute er sich noch einmal um, nachdem er seine Sachen zusammengepackt hatte, aber er hatte nichts vergessen. Er trug seine Habseligkeiten an Deck und ließ sie von den Decksleuten in das Boot verfrachten. Dann enterte er aufs Achterdeck und begann, sich von den Offizieren zu verabschieden. Albeniz und die anderen Achterdecksoffiziere bedauerten zutiefst, daß Correa sie verließ. Aber auch die Decksleute waren betroffen – und zum Teil sogar verärgert. Jeder mochte Correa, jeder begriff, daß diese „Sonderaufgabe“ nur eine Schikane von Don Rafael sein konnte, der an Bord der „San Nicolas“ der am meisten gehaßte Mann war. Aber niemand wagte aufzubegehren, als Don Rafael verkündete: „Señor Correa hat sich bereit gefunden, sich auf Guanahani aussetzen zu lassen, um die Insel genau zu vermessen und zu erkunden. Dieser tapfere und selbstlose Einsatz soll jedem Mann an Bord ein Beispiel sein!“ Correa verließ wortlos das Achterdeck und enterte über die Jakobsleiter in das Beiboot ab. Zwei Rudergasten und ein Seesoldat pullten ihn an Land. Als sich die Jolle mit einem leisen Knirschen in den Sand schob, sah einer der Männer zu ihm auf. Er schien etwas sagen zu wollen, aber Correa schüttelte nur kaum merklich den Kopf. Jeder Kommentar war überflüssig. Und es war widersinnig und töricht zugleich, den Anlaß für eine Meuterei zu nutzen. Jeder Versuch, den Kapitän zu stürzen, würde mit einem Blutbad enden, ganz abgesehen davon, daß Correa strikt gegen jede Art von Massenaufstand an Bord war. Er hätte – wegen des großen Vertrauens und der Sympathien, die er genoß – die Möglichkeit dazu gehabt, eine Meuterei anzuzetteln, aber es widerstrebte ihm. Er ahnte jedoch bereits, daß Don Rafael Manzano offenbar die Absicht hatte, hier sein eigenes Süppchen zu kochen. Gold für die Casa? Die Casa wußte nichts von diesem „Geheimunternehmen“, und kein Vertreter des Königs und der Admiralität würde jemals erfahren, daß Don Rafael das Gold unterschlug. Sollte es auf San Salvador Gold geben und Correas Verdacht bezüglich Don Rafaels Absichten bestätigte sich, würde Correa in Spanien Anklage gegen ihn erheben. Dies nahm er sich vor, als er auf den Strand trat und zurück zur „San Nicolas“ blickte. Er war empört über diesen Schinder, der ihn eiskalt einem ungewissen Schicksal überließ. Aber er schwieg und gehorchte – angesichts der Tatsache, daß er andernfalls in der nächsten halben Stunde an der Rah baumeln würde. Don Rafael hatte die absolute Macht an Bord der Galeone, unterstützt durch die Seesoldaten, die er als seine Leibgarde betrachtete. Martin Correas Habseligkeiten wurden an Land gesetzt: eine truhenartige Kiste, ein zugebundener Sack und eine Muskete samt Munition, Spaten, Kessel, Kleidung und anderem Zubehör, vor allen Dingen Proviant und Trinkwasser für die ersten Tage. „Beeilung!“ rief der Seesoldat den beiden Seeleuten zu. „Wir haben hier keine Zeit zu verlieren! Schnell, zurück zum Schiff!“ Sie verabschiedeten sich von Correa, stiegen wieder ins Boot und pullten zurück zur „San Nicolas“. Correa stand am Strand und sah ihnen nach. Der Seesoldat saß jetzt im Bug des Bootes. Die beiden Rudergasten waren ihm, Correa, zugewandt. Sie schnitten verdrossene Mienen. An seinem verbissenen Gesicht konnten sie leicht erkennen, daß hier von „freiwillig“ keine Rede sein konnte. Aber niemand wagte, Fragen zu stellen oder sich über das Unternehmen kritisch zu äußern. Das Boot ging bei der „San Nicolas“ längsseits und wurde wieder an Bord gehievt. Die „San Nicolas“ ging ankerauf, um die nächste Insel anzusteuern – Santa Maria de la Concepción beispielsweise, Fernandina oder Ymey. Martin Correa blickte ihr nach, hob aber nicht die Hand zum Gruß. Niemand winkte ihm zu. Don Rafael Manzano hatte den Befehl gegeben, solche „Rührseligkeiten“ gefälligst zu unterlassen. Correa drehte sich langsam um. Sein Blick wanderte über den Strand und die Hügel im Inneren der Insel. „Einen schönen Tag wünsche ich“, sagte er zu nicht vorhandenen Zuhörern. „Hoffentlich bin ich hier auch willkommen. Ich bin gewissermaßen als Nachhut des Señor Kolumbus hier.“ Reiner Galgenhumor, aber irgendwie mußte er sich selbst bei Laune halten, sonst scheiterte er schon in den ersten Tagen an der Einsamkeit und dem Problem der Nahrungsmittelbeschaffung. Mit grimmiger Miene begann er, sich mit seinen Sachen zu beladen und sie zu den Palmen zu tragen, die freundlich zu ihm herüberzugrüßen schienen. Es war ein sonniger Tag, und die Palmenwipfel spendeten nur wenig Schatten. Martin Correa ließ sich auf seiner Kiste nieder, wischte sich den Schweiß von der Stirn und verfluchte Don Rafael, die Casa de Contratación, den König von Spanien, Kolumbus und alle, die entfernt mit der ominösen „Expeditionsreise“ zu tun hatten. Die Mastspitzen der „San Nicolas“ waren an der Kimm verschwunden. Jetzt halfen weder Humor noch Selbstironie, das Gefühl des Alleinseins zu übergehen. Er war auf sich allein gestellt und den Unbilden der Natur ausgeliefert. Das Wetter konnte umschlagen, sozusagen von einem Moment zum anderen. Im Dickicht lauerten Gefahren mannigfacher Art: Giftschlangen, giftige Pflanzen und Insekten, um nur einige zu nennen. Vielleicht war Guanahani inzwischen auch wieder bewohnt. Wer sagte ihm denn, daß in den Büschen nicht bereits braunhäutige Gestalten lauerten, die nur darauf warteten, ihn umzubringen? Er schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Zweck, sich selbst verrückt zu machen. Er mußte sich im Zaum halten und methodisch und mit äußerster Disziplin vorgehen. Er stand auf und sah sich erneut um, diesmal aufmerksamer. Was war seine vordringliche Aufgabe? Die Suche nach einem Unterschlupf oder die Erforschung der Insel? Hier war es die Logik, die zur Entscheidung führte. Es war bereits Nachmittag, der Tag würde rasch zur Neige gehen. San Salvador war zu groß, er würde mehr als einen ganzen Tag brauchen, um die neue Umgebung zu erforschen. Viel wichtiger war, eine behelfsmäßige Behausung zu finden oder zu errichten und das „Gepäck“ zu verstauen. Wenn es in der Nacht regnete, mußte er einen Platz zum Unterkriechen haben, nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch wegen des Pulvers und des Proviants, die nicht naß werden durften. Correa bewaffnete sich und betrat den Urwald. So dicht und verfilzt, wie er auf den ersten Blick wirkte, war er nicht an allen Stellen. Correa entdeckte eine Passage, eine Art natürlichen Pfad zwischen Mangroven, Lianen und Pflanzen mit schweren, feuchten Blättern. Er folgte seinem Verlauf und erreichte nach einem Marsch von schätzungsweise einer halben Stunde den ersten der über zwei Dutzend Binnenseen. Hier wählte er auf einer leichten Anhöhe am nördlichen Ufer einen Platz zwischen zwei uralten, knorrigen Mangrovenbäumen aus, der ihm für eine erste Hütte geeignet erschien. Geschützt im Inneren der Insel lag dieser Ort. Die Bäume vermittelten ein Gefühl der Sicherheit, aber vielleicht war das auch nur eine Illusion. Correa holte seine Habseligkeiten. Er mußte den Weg dreimal zurücklegen, um die Kiste, den Sack, die Werkzeuge, den Proviant und das Trinkwasser zum Ufer des Sees zu tragen. Dann hatte er es geschafft. Wieder wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht. Es war ein warmer Tag. Schwül, drückend und lähmend war die Luft auf Guanahani. Correa hoffte inständig, daß es nicht immer so war. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatte er aus Ästen und Zweigen der Urwaldbäume, die er mit einem Säbel abhieb, ein Schutzdach geflochten, das er zwischen den Stämmen der beiden alten Mangrovenbäume errichtete. Vorerst genügte ihm dies als Unterschlupf. Er ließ sich erneut auf seiner Kiste nieder, wartete noch ein wenig und verzehrte dann etwas von dem Dörrfleisch und dem Schiffszwieback, die er aus dem Sack hervorholte. Eine frugale Mahlzeit. Aber besser als gar nichts, dachte er und spülte mit etwas Wasser nach. Das Wasser würde als erstes zur Neige gehen. Am Morgen, so nahm er sich vor, würde er nach einer Quelle suchen, dann nach jagdbarem Wild, Beeren und Wurzeln. Erst danach würde er beginnen, nach dem Gold zu forschen, das es angeblich auf San Salvador geben sollte. So gesehen, war das Gold das Unwichtigste. Correa versuchte sich vorzustellen, wie es gewesen wäre, wenn ihn ein Sturm als...