Paretti | Das Zauberschiff | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Paretti Das Zauberschiff


1. Auflage 2022
ISBN: 978-87-28-46945-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-87-28-46945-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Schiffsreise, die eine überraschende Wendung nimmt!Mit einem Luxusdampfer will die Kronprinzessin Cecile im Juli 1914 von New York nach Bremerhaven reisen. Als die Fahrt beginnt, ahnt niemand, dass das Schiff niemals in Bremerhaven ankommen wird. Noch bevor es den Hafen erreicht, erfährt der Kapitän, dass in Europa ein großer Krieg ausgebrochen ist. Kapitän Polack will seine Cecile auf keinen Fall in Gefahr bringen, weshalb er im Handumdrehen umkehrt und die Passagiere nach Maine bringt. In Bar Habor angekommen verändert die Ankunft des Schiffes die ruhige Routine des Örtchens und somit auch das Leben der Bewohner für immer. Sandra Paretti erzählt die Geschichte eines Sommers, eines Krieges und des Aueinandertreffens ungleicher Menschen.-

Sandra Paretti (1935-1994) wurde als Irmgard Schneeberger in Regensburg geboren und verfasste in erster Linie Gesellschaftsromane. Parettis Werke wurden in 28 Sprachen übersetzt, wodurch sie bis heute zu einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autorinnen zählt. Ihr Werk 'Der Wunschbaum' wurde zudem als TV-Serie adaptiert.

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Erstes Kapitel
Bar Harbor, auf der Mount-Desert-Insel im Staate Maine, ist fast der nördlichste Punkt der Vereinigten Staaten, und seine »Berge« sind die höchsten an der atlantischen Küste. Selbst im Hochsommer gibt es Tage, an denen man an die Nähe der Arktis erinnert wird – aber nicht heute. Der 3. August 1914 war das, was die Einheimischen einen typischen Bar-Harbor-Tag nannten: Sonne, wolkenloser Himmel und eine Luft wie Glas. Sie hatte Pferd und Wagen am Ende des Waldwegs zurückgelassen und stieg nun die Stufen empor, die in den Küstenfelsen gehauen waren. Sie hatte von hier einen weiten Ausblick auf den Ort und die Bucht. Das Wasser war so hell und durchsichtig, als hätte der Himmel mit der Bucht den Platz getauscht; und die Luft war so klar, daß sie die Entfernungen und Farben veränderte, ja die Dinge selbst. Sie sah jede Welle, die der Wind auf der Wasseroberfläche vor sich hertrieb, sah die Schaumperlen darauf glitzern. An den Segeln der Fischerboote waren die geflickten Stellen erkennbar, an den Yachten die Namen, ebenso die Zeichen auf den Bojen, die den Wasserweg der Dampfer markierten, die Bar Harbor mit der Außenwelt verbanden. Die Felsen von Egg Rock, die den Eingang zu Frenchmans Bay bewachten, sonst eine graue Masse, schimmerten rötlich, und der Leuchtturm strahlte weiß und blau wie ein frisch angemaltes Spielzeug. Die Bäume auf den Höhenzügen, vor allem die Pappeln, Föhren und Rottannen des Mount Cadillac, standen wie ausgesägt vor dem Himmel. Im Osten, jenseits von Frenchmans Bay, lag die Schoodic-Halbinsel; sonst nur eine ungewisse Linie am Horizont, war sie heute zum Greifen nahe. Ein vollkommener Sommertag. Sommer und Bar Harbor – das waren zwei Dinge, die für sie untrennbar zusammengehörten. Soweit sie zurückdenken konnte, hatte sie jeden Sommer hier verbracht, und es waren nur gute Erinnerungen, die sie daran bewahrte. Sie hatte aufgehört, die Stufen zu zählen, sie wußte auch so, daß es zweihunderteinundzwanzig waren, bis sie die Umzäunung von Onkel Sols Besitz erreichte. Es gab einen zweiten, weniger mühsamen Weg, einen Aufzug, der unmittelbar von der Küste an der Klippenwand in die Höhe führte, aber sie mochte diesen klapprigen Käfig nicht, in dem nur zwei Personen Platz fanden und dessen Geräusche sie ängstigten. Praktisch wurde er nur in Betrieb gesetzt, um einmal im Monat die Lebensmittel nach oben zu schaffen. Onkel Sol selber benützte ihn schon lange nicht mehr; seit Jahren hatte er seine Felsenburg nicht mehr verlassen, und er hatte vor, es auch in Zukunft nicht zu tun. Sie war nun bei der Umzäunung angelangt, und prompt schlug Onkel Sols Wachhund an. Mit wütendem Kläffen verfolgte er innerhalb des Zauns ihren Weg bis zum Tor. Sie zog an dem verrosteten Glockengriff, und irgendwo in der Ferne ertönte ein leises Bimmeln. Sie wartete vor dem hohen Holztor, das jeden Einblick verwehrte, auf die Schritte, auf das Klicken eines Gewehrs, das gespannt wurde, auf die rauhe, unwirsche Stimme – sie hätte etwas vermißt, wenn die Begrüßung anders ausgefallen wäre. Salomon Butler, der Bruder ihrer Großmutter, verabscheute Menschen. »Was gibt es? Was soll das? Dies ist Privatbesitz!« Da war die rauhe, unwirsche Stimme. »Ich bin es«, rief sie über das Tor. »Anne.« »Anne Butler?« »Was ist – kennst du meine Stimme nicht mehr?« »Für mich klingen alle Frauenstimmen gleich. Warte . . .« Sie hörte, wie er den Hund zu sich rief. Das Holztor lag versteckt zwischen wild wuchernden Sträuchern, und es dauerte eine Weile, bis er alle Schlösser und Riegel geöffnet hatte. Der Mann, der dann sichtbar wurde, hielt ein Gewehr in der Beuge des Armes und den Hund an der Leine. Seine nackten Füße steckten in Sandalen; die hellen Hosen waren abgetragen und so kurz, daß sie weit über den Knöcheln endeten; das karierte Flanellhemd war geflickt und stand über der Brust offen. »Na, komm schon herein. Du bist also zurück?« Er hatte breite Schultern, einen flachen Leib, und sein Gesicht war von der Sonne tief gebräunt. Nicht einmal das schneeweiße Haar, das wirr unter seinem Strohhut hervorkam, ließ sein Alter – er war sechsundsiebzig – vermuten. Anne hatte ihn nie anders als weißhaarig gekannt. Es war ein Erbstück der Familie Butler; so um das vierzigste Lebensjahr ergrauten die dunkelhaarigen Butlers und wurden innerhalb weniger Jahre weiß, und manchmal fragte sich Anne, ob es auch ihr so ergehen würde. Sie hatte zwar das helle Haar ihrer Mutter, aber der dunkle Teint und die dunklen Augen waren Butler-Erbe. Nicht, daß sie das beunruhigte; mit ihren neunzehn Jahren war vierzig ein unvorstellbares Alter . . . Onkel Sol gab dem Hund mehr Leine. »Keine Angst. Er braucht nur wieder deinen Geruch. So ein Jahr ist lang.« Er ließ den Schäferhund los, und das große schwarzbraune Tier umstrich Anne, schnupperte an ihren Schuhen, an ihrem Rock. »Siehst du! Wir Butlers scheinen einen besonderen Geruch zu haben. Er hat nie einen Butler angefallen.« Seine dunklen Augen blieben wachsam, mißtrauisch. »Ich meine einen richtigen Butler, nicht die Angeheirateten.« Hatte Anne ihren Onkel jemals lächeln sehen? Er konnte laut lachen – lachen, daß es ihn schüttelte, aber lächeln? »Wie riechen wir Butlers denn?« fragte sie. Er zuckte mit den Achseln, während er vorausging. »Jedenfalls anders als gewöhnliche Leute.« Er musterte sie von der Seite. »Was ist mit deinem Haar?« Sie fuhr unwillkürlich mit der Hand zum Kopf. »Mein Haar?« »Früher war es länger.« »Ach so, ja.« Zum Ball der Debütantinnen, dem großen Ereignis für ein junges Mädchen aus einer der ersten Familien Bostons, hatte sich Anne im Winter vorher das lange Haar abschneiden lassen. Onkel Sol schüttelte den Kopf. »Die Röcke werden immer kürzer, die Haare werden immer kürzer . . . Wie nennt sich denn diese neumodische Frisur?« »Es war mal ein Gibson-Girl. Seit einem halben Jahr lasse ich es schon wieder nachwachsen.« »Es war noch kürzer?« »So eine Art Pagenkopf.« Annes Haar wuchs schnell, aber es dauerte einfach seine Zeit, und am Wirbel oberhalb der Schläfe war es immer noch etwas zu kurz und so störrisch, daß sie meist eines der Stirnbänder aus ihrer College-Zeit tragen mußte. »Grünweiß«, sagte er, »das sind die Farben von Oldfields College, nicht wahr?« »Daß du so was überhaupt bemerkst . . .« Als habe er bereits zuviel Interesse und Herzlichkeit gezeigt, brummte er etwas Unverständliches und beschleunigte seine Schritte. Das Haus, auf das er zustrebte, lag am Ende des Hochplateaus; aus einer gewissen Entfernung schien es ein Teil der Felswand zu sein, vor der es stand, eigentlich nur durch die funkelnden Fenster vom grauen Stein zu unterscheiden. Es gab noch ein zweites Gebäude vorne am Rand der Klippe, ein nüchterner Würfel, über dessen Dach ein hoher Antennenmast aufragte. Diese komplizierte technische Konstruktion wirkte fremd und unpassend an diesem Ort, wo sonst alles wild und ursprünglich war, und verkörperte genau die moderne Welt, vor der Onkel Sol sich zurückgezogen hatte. Er hatte viel Geld aufwenden müssen, um diese Klippe überhaupt zugänglich und bewohnbar zu machen. Allein die Trinkwasserleitung hatte ein kleines Vermögen verschlungen. Wasser, das vom Mount Kebo, viele Meilen entfernt, in Holzrohren herangeführt und in einem Brunnen vor dem Haus gefaßt wurde. Ein Haufen frisch gespaltenes Holz lag um einen Hackstock, in dem ein Beil steckte. Es roch nach Kiefernharz. Vermutlich hatte sie ihn beim Holzhacken unterbrochen; das war eines seiner Gesundheitsrezepte, jeden Tag eine Stunde Holz zu hacken. Er hatte Dutzende solcher Spezialrezepte für Gesundheit und ein langes Leben; sie wechselten von Monat zu Monat, nur am Holzhacken hielt er schon seit Jahren fest. Er hing das Gewehr an einen Haken neben der Haustür und wies auf eine grobgezimmerte Gartenbank. »Seit wann bist du in Bar Harbor?« »Dies ist mein erster Tag.« »Kommst du direkt von Boston?« »Von New York. Wir – Edith Connors und ich – haben Großmutter begleitet und sie aufs Schiff gebracht.« »So – ist es mal wieder soweit. Jedes Jahr nach Europa! Das ist ja schon eine Krankheit!« Er hatte sich neben sie gesetzt, aber jetzt sprang er wieder auf und ergriff das Beil. Er stellte ein Holzstück auf den Hackstock und starrte es an wie einen Verurteilten, den er hinrichten sollte. »Zum Teufel mit den Weibern!« Er schlug zu . . . »Meine liebe Schwester. Sonst ist Temperence eine so vernünftige Person, aber da setzt auch bei ihr der Verstand aus. Europa!...



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