Paretti | Die Pächter der Erde | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 525 Seiten

Paretti Die Pächter der Erde


1. Auflage 2022
ISBN: 978-87-28-46941-5
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 525 Seiten

ISBN: 978-87-28-46941-5
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Amerika während des Bürgerkrieges: zwei Familien, ein erbitterter Konkurrenzkampf. Zwischen den beiden Familienclans Matlock und Poynders spitzt sich der Wettstreit immer weiter zu. Beide Familien besitzen erfolgreiche Eisenbahngesellschaften, und niemand von ihnen will die Macht, die damit einhergeht, teilen. Der junge Craig Matlock wird mitten in diesen Streit hineingezogen, versucht jedoch, aus den Fesseln, die ihm seine Familie auferlegt, zu entkommen. Doch jeder, der es wagt, sich gegen die Familie zu stellen, ist automatisch ein Außenseiter. Ein Familienroman über Zugehörigkeit, Machthunger und Mut.-

Sandra Paretti (1935-1994) wurde als Irmgard Schneeberger in Regensburg geboren und verfasste in erster Linie Gesellschaftsromane. Parettis Werke wurden in 28 Sprachen übersetzt, wodurch sie bis heute zu einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autorinnen zählt. Ihr Werk 'Der Wunschbaum' wurde zudem als TV-Serie adaptiert.

Paretti Die Pächter der Erde jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


2
Handasyds Schrei hatte Kathleen unten am Strand erreicht, an ihrem Lieblingsplatz, und gegen jedes bessere Wissen hatte er in ihr die Vorstellung erweckt, daß mit der ganzen Matlock-Familie auch Craig nach Willowbeach gekommen sei. »Mammy, der Zug! Der Zug ist da!« Sie sah die hochaufgerichtete Gestalt des Jungen, und sie machte aus der Entfernung eine abwehrende Bewegung, als könne sie Handasyd dadurch an einer Unachtsamkeit hindern. Sie nahm den Strohhut von der Lehne des Rohrstuhls und machte sich auf den Weg zurück zum Haus. Kathleen hatte gewußt, daß der Zug heute kommen würde; der Brief, in dem Rose Matlock ihr die Ankunft mitgeteilt hatte, steckte in der Tasche ihres weißen Leinenkleids. Brief war nicht das richtige Wort. In den schmalen Kuverts aus Albany mit den aufgeprägten Initialen R. M. – ›wie ein Königswappen‹, hatte Edna gesagt und Kathleen einen Vortrag über Eitelkeit und Vergänglichkeit gehalten – steckten meist nur eilig hingeschriebene Zettel: das Rezept für eine Arznei, ein Stoffmuster mit der Frage, ob Kathleen davon ein Kleid haben wollte; ein Zeitungsausschnitt, in dem Craigs Truppenteil erwähnt wurde; Mitteilungen ohne ein überflüssiges Wort, manchmal fehlte sogar die Unterschrift; Rose Matlocks Liebe erfaßte jeden, der zu ihrem Lebenskreis gehörte, wo er sich auch gerade aufhielt; sie fand immer einen Weg, ihn spüren zu lassen, daß sie an ihn dachte. Sicher hätte sie ihr geschrieben, wenn sie neue Nachrichten von Craig, ihrem Lieblingssohn, gehabt hätte. Und wenn Rose Matlock sie nach Craig fragte – was, das sie nicht ohnedies schon wußte, hätte Kathleen ihr erzählen können? Sie hatte ja nicht einmal Antworten auf die Fragen, die sie sich selber immer wieder stellte; das Meer gab sie ihr nicht und nicht die langen Wanderungen am Strand. Ihre Gedanken waren unablässig bei Craig und damit bei den Matlocks, und immer befanden sie sich im Widerstreit. Es gab vieles, was Kathleen an den Matlocks unausstehlich fand: ihre Art, einen abschätzend anzusehen, so als zähle auf dieser Welt nur, wer als Matlock geboren war. Ihre übertriebene Selbstsicherheit, ihr spöttisches Lächeln über Schwächere, die nicht so geschickt segelten, nicht so weit ins Meer hinausschwammen wie sie. Ja, die Verachtung, die sie allen gegenüber an den Tag legten, die nicht wie sie waren, eine offene, fast herzliche Verachtung, die sie nie zu verbergen suchten. Selbst ihre Art zu gehen fand Kathleen manchmal unausstehlich: So als sei die Erde geschaffen, um nur sie allein zu tragen, und der Himmel nur, um sich über ihnen allein zu wölben. All das waren Gedanken und Gefühle, mit denen Kathleen schon vertraut gewesen war, lange bevor sie die Frau eines Matlock wurde. Craig und sie, sie hatten eine lange Geschichte, das erste Kapitel allerdings gehörte nur ihr allein. Das waren die Jahre ihrer Kindheit, als sie die Bewohner des weißen Hauses nur aus der Ferne beobachtet hatte, vom Dachfenster aus, vom Strandzelt ihrer Mutter, die damals schon krank war und die sie keine drei Schritte von ihrer Seite ließ. Ganze Nachmittage hatte sie damit verbracht, den fremden Kindern, die mit dem Sommer kamen, bei ihren wilden Spielen zuzuschauen. Da lernte sie, daß man einen Ball nicht unbedingt so werfen mußte, daß er sich ohne Mühe auffangen ließ, sondern daß es diesen Kindern offenbar darauf ankam, den anderen zu täuschen. Am besten verstand sich darauf ein Junge, den sie Craig riefen. Der Matlock-Garten, das war ein verschlossenes Paradies gewesen, bis zum Tod ihrer Mutter. Am Tag der Beisetzung auf dem Friedhof der Fischerkirche brach der Bann. Ganz überraschend war Rose Matlock bei der Beerdigung erschienen, und nachdem sie Loftus Poynder am Grab ihr Beileid ausgesprochen hatte, lud sie ihn und seine Tochter für einen der nächsten Tage ein. Kathleen erinnerte sich an alles, als sei es gestern gewesen: an die Kirche mit den leeren vorderen Bänken, die den Matlocks gehörten und wo auf jedem Platz ein gesticktes Kissen lag; an den aufgebahrten Sarg der Mutter, an die Worte des Pfarrers Yarring – und unvergessen waren Rose Matlocks Händedruck, ihre Stimme und ihre Einladung. Und als sie dann einige Tage später wirklich das Matlock-Haus betraten, hatte Kathleen, obwohl sie schon vierzehn war, die Hand ihres Vaters wie ein Kind gehalten. An jenem Tag hatte Kathleen zum erstenmal in ihrem Leben die Wärme eines Hauses empfunden, das von einer großen Familie bewohnt wurde; zum erstenmal hatte sie an einem Tisch gesessen, an dem nicht einen Augenblick Schweigen eintrat. Und Craig Matlock, ein Jahr jünger als sie, war von einem Tag zum anderen der Mittelpunkt ihres Lebens geworden. Und er war es geblieben. Inzwischen waren siebzehn Jahre vergangen. Sie war nicht mehr Kathleen Poynder, sondern Craigs Frau, eine Matlock. Sie trug den Namen, der für sie alles in sich begriff, was sie sich vom Leben gewünscht hatte.   Der Weg vom Strand zum Haus führte im Zickzack durch einen künstlich angelegten Felsengarten. Mit seinen wildromantisch aufeinandergetürmten Felsbrocken, seinem Wacholder- und Ginstergestrüpp verdankte er seine Existenz ebenso der Phantasie von Kathleens Mutter wie der Verstiegenheit des Architekten. Die Anlage war sündhaft teuer gewesen, ließ sich, in diesem Klima, kaum pflegen und verbaute den direkten Zugang zum Meer. Edna Child hatte mit Müh und Not verhindern können, daß die Zwillinge ihrer Mutter auf dem steilen Küstenpfad entgegenliefen, aber als Kathleen jetzt den Garten betrat, waren sie nicht mehr zu halten: »Ich habe ihn zuerst gesehen! Diesmal habe ich ihn zuerst gesehen!« Sinclair, der Zärtlichere der beiden, drängte sich an seine Mutter. Handasyd fragte ohne Umschweife das, worauf es ihm ankam: »Dürfen wir hinüber? Jetzt schlafen wir doch nicht mehr!« Aber noch ehe Kathleen etwas sagen konnte, mischte Edna Child sich ein. »Diese rohe Matlock-Brut! Nach einer Stunde werden sie zerschunden zurückkommen, und wir können froh sein, wenn sie noch heile Knochen haben.« »Du bist doch sonst immer für Abhärtung, Edna. Wenn ich daran denke, wie du mich als Kind mit deinen kalten Wikkeln und Abreibungen gequält hast, und daß ich sie ohne Schaden überstanden habe . . .« Sie wandte sich an die beiden Jungen: »Geht nur schon.« »Du solltest sie wenigstens auch ermahnen, sich von dieser Frau nicht so unsinnig mit Süßigkeiten vollstopfen zu lassen.« Es verging keine Stunde, in der Edna nicht auf die Gefahren hinwies, die überall auf die Gesundheit lauerten. Süßigkeiten, Alkohol, Tabak, Fleisch und gebleichtes Mehl waren für sie die schlimmen Erreger all der Krankheiten, die ihre Phantasie ununterbrochen beschäftigten. Sie hatte früher zusammen mit ihrem Bruder ein Journal für Wasserkuren herausgegeben, und lange Zeit hatte sie davon geträumt, ein Heim für alle jene irregeleiteten Menschen zu eröffnen, die durch falsche Ernährungs- und Lebensweise ihre Gesundheit ruiniert hatten. Nachdem sie diesen Traum begraben hatte – zusammen mit dem anderen großen Traum ihres Lebens, die zweite Frau von Loftus Poynder zu werden –, konzentrierte sich ihr missionarischer Eifer nur noch auf ihre nächste Umgebung. Im Grunde waren ihr gesunde Menschen von Herzen zuwider, während die Vorstellung, in einem verdunkelten Zimmer an einem Krankenlager zu wachen, sie beflügelte. So hatte sie auch sofort Kathleens nackte braungebrannte Füße bemerkt; die vom Salzwasser gebleichten Sohlen mit den Spuren rötlichen Sandes waren ein Bild von so aufreizender Gesundheit, daß es sie wie eine persönliche Beleidigung traf. »Ich nehme an, du wirst auch zu ihnen hinübergehen«, sagte sie spitz. »Ich kann es mir dann wohl sparen, ein Abendessen zu richten.« »Warum kommst du nicht auf einen Sprung mit?« Kathleen sagte es keineswegs spöttisch. »Ich? Zu Leuten, die deine Mutter zeit ihres Lebens nicht empfangen haben?« »Das ist viele Jahre her.« »Für mich nicht lange genug, um es zu vergessen. Gib dir keine Mühe. Mich haben sie mit all ihrem Reichtum nicht verblendet. Eines Tages werden dir die Augen aufgehen . . .« »Bitte, Tante Edna, lassen wir das. Wenn du mich brauchst – ich bin drüben.« Edna wandte sich stumm ab und ging ins Haus, um zu tun, was sie für das Vordringlichste hielt. Sie holte Verbandsmull, Pflaster und Salben aus dem Apothekenschrank und trug alles in die Küche; der Gedanke, daß sie diese Dinge von nun an bis zur Abfahrt der Matlocks im Herbst Tag für Tag brauchen würde, erfüllte sie mit einer bitteren Genugtuung.   Im Gegensatz zu dem Zug zeigte das Matlock-Haus wenig vom Reichtum seiner Bewohner, und es geschah immer wieder, daß Lieferanten, die zum erstenmal einen Auftrag von den Matlocks bekommen hatten, zunächst bei der mächtigen grauen Burg des Nachbarn, bei Loftus Poynder, vorfuhren. Handasyd und Sinclair waren in...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.