E-Book, Deutsch, Band 1, 234 Seiten
Reihe: Geliebte Caroline
Paretti Rose und Schwert
1. Auflage 2022
ISBN: 978-87-28-46936-1
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 234 Seiten
Reihe: Geliebte Caroline
ISBN: 978-87-28-46936-1
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es gibt ein neues Mädchen in der Stadt, über das sogar in den Pariser Salons geflüstert wird! Caroline de la Romme Allery ist jung, schön und hungrig nach Abenteuern. In Paris macht sie sich durch ihre heißen Affären und Liebschaften einen Namen. Insbesondere ihre Beziehung zu Kaiser Napoleon ist in aller Munde. Mit ihrem Liebreiz und Charme verdreht sie den Männern, denen sie begegnet, den Kopf. Eine Geschichte über eine junge Frau, die sich nimmt, was sie will.-
Sandra Paretti (1935-1994) wurde als Irmgard Schneeberger in Regensburg geboren und verfasste in erster Linie Gesellschaftsromane. Parettis Werke wurden in 28 Sprachen übersetzt, wodurch sie bis heute zu einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autorinnen zählt. Ihr Werk 'Der Wunschbaum' wurde zudem als TV-Serie adaptiert.
Autoren/Hrsg.
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1
Das glühende Holzscheit brach prasselnd entzwei. Funken sprühten auf, flogen über die Esse, fielen auf die Reitstiefel des Mädchens und sengten schwarze Flecken in das hellgraue Wildleder. Caroline achtete nicht darauf. Gedankenverloren starrte sie in das Feuer und schlug mit dem schmiedeeisernen Schürhaken weiter auf den glühenden Strunk ein. Ihre schlanke Gestalt in dem enganliegenden Reitkostüm aus silbergrauem Samt warf einen langen Schatten auf den hellen Steinboden der Schloßküche von Rosambou. Diese mächtige Feuerstelle hatte sie schon als Kind magisch angezogen. Abends, wenn es ruhig wurde, hatte sie stundenlang vor dem Feuer gehockt: wenn die frisch gescheuerten Steinplatten des Bodens noch vor Feuchtigkeit glänzten, wenn die Kupferkessel wieder blitzend an der Wand hingen und die zwei Kerzen auf dem Tisch so tief heruntergebrannt waren, daß man meinen konnte, das grüne Blattwerk auf den Kacheln sei wirklicher Efeu, der die Wände überwachse... Mit dem Feuer konnte sie besser reden als mit den Menschen; das Feuer verstand sie besser als die Menschen. Das Feuer war ihr Element – wild und verzehrend. Aber heute versagte der geheimnisvolle Zauber. Die leisen Stimmen des Feuers gingen unter in dem dumpfen Donner der Kanonen und dem harten Geknatter der Gewehre, das der Ostwind vom Schlachtfeld herübertrug. Seit dem Morgen tobte an diesem 21. März 1814 die Schlacht bei Arcis-sur-Aube zwischen Napoleon und den Alliierten; den Preußen, den Österreichern und den Russen. Der Graf Romme Allery hatte seine Bauern unter Waffen gestellt, sein ganzes Zinn eingeschmolzen und zu Kugeln gegossen. Simon hatte eine Fuhre nach der anderen zur Front gebracht. Die letzte vor einer Stunde. Im Hof standen die Kutschen und Karren, vollbepackt, bereit zur Abfahrt. Noch diese Nacht würden sie Rosambou verlassen – vielleicht auf immer. Marianne, die Beschließerin, wirtschaftete an dem großen Tisch in der Mitte der Küche. Vor ihr aufgetürmt lag ein Berg von Lebensmitteln: Schinken, Würste, getrüffelte Pasteten in Steingutnäpfen, geräucherter Aal, ein Korb Eier, silberne Dosen mit Kaffee und Tee, Zucker und Mehl in roten Leinensäckchen, Fladenbrote, flache Käselaibe, Kristallschalen mit Konfekt und Backwerk – und auf einer Silberplatte türmten sich frisch gebackene Kapaune. Marianne verpackte alles sorgfältig in die zwei riesigen Waschkörbe, die neben ihr am Boden standen. Sie war eine mittelgroße, rundliche Frau von fünfzig Jahren. Die weiße Schürze, die sie über dem apfelgrünen Hauskleid trug, war steif gestärkt. Marianne war eine flinke Person – aber heute schien sie bei jedem Handgriff zu zögern. Immer wieder lief sie zur Tür, spähte in den Hof und lauschte in die Nacht hinaus und kam schließlich atemlos zurück: »Caroline! Es ist Ruhe! Mein Gott, wäre das ein Glück. Vielleicht überlegt es sich der Herr Graf jetzt doch noch anders, und wir bleiben. Das Schloß und alles im Stich lassen! Es wäre Wahnsinn! Das schöne Schloß.« Caroline blickte über die Schulter. »Packen Sie fertig, Marianne.« Die Beschließerin blieb mit offenem Mund an der Tür stehen. »Ja, gehen Sie denn so leicht von hier weg?« fragte sie fassungslos. Ohne ein weiteres Wort hing Caroline den Schürhaken an den Halter neben dem Kamin, ging zum Tisch und begann einzupakken. Marianne stützte die Hände in die Hüften. »Mein Gott! Ihre Mutter hat es kommen sehen. Gut, daß ihr das erspart geblieben ist. – Was ist das für eine Zeit, in der wir Frauen unsere Söhne nur noch fürs Sterben gebären! – Und alles wegen diesem –« Sie verschluckte das Schimpfwort, das sie auf der Zunge hatte, denn im selben Augenblick war die Küchentür aufgeflogen. »Man hört dich bis nach Arcis-sur-Aube für unseren Kaiser beten, Marianne!« Caroline sah kurz auf – aber Simons Gesicht verriet nichts. Und wenn der Feind schon vor dem Tor stünde, Simon würde immer noch Witze reißen. Lachend warf er den schwarzen Umhang auf einen Stuhl und nahm den schwarzen Schlapphut ab. Simon Valmon war nicht nur der kräftigste und größte Kerl weit und breit, er war auch der verschwiegenste – und treu, wie es nur die Bretonen sein können. Seit mehr als zwanzig Jahren war er im Dienst des Grafen Frédéric Auguste de la Romme Allery. Als dessen Bursche hatte er den italienischen und den ägyptischen Feldzug mitgemacht. Er hatte sich ausgezeichnet, aber er war kein Soldat geworden – und auch kein Höfling, obwohl er dem Grafen Sekretär, Vertrauter und Gutsverwalter in einer Person war. Simon Valmon war Bauer geblieben. Ein bretonischer Bauer – ein Herr. Mit langsamen Schritten, die Hände auf dem Rücken gefaltet, ging er um den großen Tisch und griff sich schließlich einen Kapaun. »Warten Sie, Monsieur Valmon, ich decke gleich für Sie!« Marianne hatte mehr als eine mütterliche Schwäche für Simon. Aber er wehrte ab. Heißhungrig biß er in das knusprige Hähnchen und goß sich aus einem dunkelblauen Steingutkrug Wein ein. Ein paar Minuten lang fiel kein Wort. Über den drei Menschen lag eine unheimliche Spannung. Sie dachten alle dasselbe, aber sie wagten nicht, es auszusprechen. »Wie steht es?« brach Caroline das Schweigen. Simon warf die abgenagten Knochen in das Feuer, wusch sich die Hände in dem runden eingemauerten Marmorbecken an der Wand. »Erzählen Sie doch!« drängte auch Marianne. »Ist endlich Schluß mit der Schießerei? Hat’s der Kaiser ihnen wieder gegeben?« Zwischen Simon und Caroline flog ein Blick hin und her. In dem Gesicht des Mannes ging ein Lächeln auf. Aus den Fältchen um die Augen strahlte es über das verschlossene Gesicht. In seinem schleppenden bretonischen Tonfall begann er dann: »Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn Leutnant Leterpe nicht gewesen wäre...« »Was ist mit Albert?« fiel ihm Caroline ins Wort. »Ihr Verlobter hat den Kaiser herausgehauen! – Eine Geschichte für die Geschichtsbücher! Ich hätte dabeisein mögen. Es geschah in einer Feuerpause. Der Feind schien sich zurückzuziehen, aber es war nur ein Hinterhalt. Plötzlich wälzt sich eine Staubwolke heran – sechstausend russische Kosaken greifen an! Und unsere Dragoner auf und davon, wie eine Herde Schafe, wenn es blitzt. – Und der Kaiser – allein auf den Feind!« Er machte eine Pause. Dann fuhr er fort: »Leterpe war der einzige, der den Kopf nicht verlor. Er schoß mitten in die Fliehenden hinein, brachte sie zur Besinnung. Ohne ihn wäre der Kaiser verloren gewesen.« Simon hatte Caroline die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Verflucht! Dieses achtzehnjährige Ding war aus Erz gemacht! Ohne mit der Wimper zu zucken hatte sie zugehört. Noch nie hatte er sie so bewundert wie in diesem Augenblick. Für so eine Frau – da hätte er die Welt aus den Angeln gehoben... Marianne schlug ungeduldig die Deckel über den Körben zu. »Und?« »Sie leben beide. Der Kaiser und Leterpe.« »Und wir haben gesiegt?« fragte Marianne weiter. Über Simons Gesicht ging ein Schatten. »Komm, pack an!« Zu zweit packten sie einen der schweren Körbe an und schleppten ihn hinaus. Die Tür fiel hinter Simon und Marianne zu. Caroline löste ihr Halstuch, breitete es auf dem Tisch aus und raffte darin zusammen, was noch dalag: Brot, Speck, Äpfel, eine Flasche Wein. Von dem Bord neben der Tür nahm sie eine Traglaterne und entzündete sie. Dann öffnete sie die Tür zum anschließenden Bügelzimmer, an dessen Ende eine Steintreppe ins Freie führte. Rechts von ihr lag der nächtliche Park. Aber Caroline wandte sich nach links, eilte den überwachsenen Pfad entlang, der im Schatten der Bäume, die längs der Schloßmauer wuchsen, verlief. Der Umriß des alten runden Wehrturms tauchte auf. Seit dem mysteriösen Tod der Mutter vor acht Jahren hatte ihn niemand mehr betreten. Seit sechs Tagen hielt Caroline hier ihren Bruder Philippe versteckt. Niemand auf Schloß Rosambou ahnte etwas davon. Als sie eines Morgens ihr Ankleidekabinett betrat, hatte ihr Bruder vor ihr gestanden. Er war desertiert, aber Caroline hatte sich keinen Augenblick besonnen. Sie kannte den Vater. Er durfte nichts erfahren. Er würde den Sohn einem Standgericht ausliefern – oder im ersten blinden Zorn selber richten. Auf dem letzten Absatz der Wendeltreppe blieb Caroline stehen und klopfte dreimal kurz hintereinander mit dem Schlüssel gegen die Wand: das verabredete Zeichen. Mit ein paar Schritten war sie dann bei der Tür, schloß auf. Die dicke Honigkerze, die auf dem runden Tischchen neben dem einfachen Lager stand, flackerte. Ihr süßer Duft machte die verbrauchte Luft des Raumes noch stickiger. Philippe sprang vom Bett auf, breitete die Arme aus. »Die Sonne geht auf.« Dabei stieß er gegen den...