Pelzer | Es wird jemand sterben | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 468, 290 Seiten

Reihe: KBV-Krimi

Pelzer Es wird jemand sterben

Roman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95441-570-0
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 468, 290 Seiten

Reihe: KBV-Krimi

ISBN: 978-3-95441-570-0
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Sie glaubten, es würde alles wieder gut ...

1955 - Ein Dorf am Rande der Eifel. Die Kriegsspuren sind größtenteils beseitigt, und die Bewohner schauen voller Zuversicht nach vorn. Doch die Idylle wird jäh von einer Reihe schrecklicher Vorfälle getrübt.
In diesem heißen Sommer verschwinden Menschen spurlos, finden bei Unfällen den Tod oder werden ermordet. Mit Verdächtigungen ist man schnell bei der Hand: Der Dorftrottel könnte es gewesen sein, oder der verkommene Sonderling vom Dorfrand, der seine Frau schlägt.

Als die Serie von Todesfällen nicht abreißt, wird Kommissar Kaul aus der Kreisstadt Düren ins Dorf geschickt. Er ist jung und ehrgeizig und wagt den Blick hinter die biederen Fassaden. Er ist dem Bösen auf der Spur, das ganz unerwartet über das Dorf gekommen ist.

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2. KAPITEL
Die Nissenhütte
In diesem Moment tritt auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfes eine schlanke, hochgewachsene Frau vor eine langgestreckte, mit einem halbrunden Wellblechdach versehene Hütte. Sie schaut hinauf zu dem grellbunten Regenbogen vor einem schwarz-grauen Himmel und zündet sich eine filterlose Zigarette an. Ihre mondän anmutende Erscheinung steht im krassen Widerspruch zu der bescheidenen Behausung, vor der sie nun dasteht und den Rauch der Zigarette inhaliert. Seit acht Jahren wohnen Metha Markwitz und ihre Tochter Ursula schon in der Nissenhütte, nie hätte sie geglaubt, so lange in dieser Blechbude festzusitzen. Als die amerikanischen Soldaten damals mit Sack und Pack abzogen, haben sie die beiden Nissenhütten am Dorfrand einfach dagelassen. Eine Zeit lang blieben sie ungenutzt, dann hat ein Bauer sie als Lagerraum hergenommen, bis schließlich die in großer Zahl auftauchenden Ostflüchtlinge irgendwo untergebracht werden mussten. Einen Fußboden aus gehobelten Fichtendielen ließ man verlegen und die vorderen und hinteren Öffnungen mit Ziegelsteinen zumauern. Diese Wände wurden mit einer Eingangstür und zwei kleinen Fenstern links davon versehen, auf diese Weise konnte man zwei Familien in jede Hütte einquartieren, jede mit einem eigenen Eingang und einer Trennwand aus Sperrholz genau in der Mitte der Hütten. Damals hat eine mürrische Mitarbeiterin der Amtsverwaltung Metha und Ursula Markwitz in eine der beiden Hütten gesteckt, in deren anderer Hälfte bereits eine Familie mit sechs Kindern hauste. Diese Enge, dieser Lärm bei Tag und bei Nacht, die grimmige Kälte im Winter und die stickige Hitze im Sommer ließen Metha fast verzweifeln, doch etwas Besseres gab es nicht für die mittellosen Neuankömmlinge. Heute leben die beiden Frauen alleine hier, und Metha muss zähneknirschend akzeptieren, dass ihr Geld immer noch nicht ausreicht, in eine bessere Wohnung zu ziehen. Als die letzten Mitbewohner ausgezogen sind, ließ Metha eine Tür in die Zwischenwand ihrer Hütte einbauen, nun benutzen sie den vorderen Raum als Wohnküche und den hinteren als Schlafraum und Badezimmer ohne fließend Wasser. Durch die kleinen Fensterchen im Schlafraum schauen sie nach hinten raus auf die zweite Hütte, die jetzt leer steht und in der sich fette Ratten und anderes Getier zwischen dem Unrat tummeln, der sich mit der Zeit dort angesammelt hat. Metha tut den letzten Zug an der Zigarette und zerdrückt sie in dem Aschenbecher, den sie auf der Fensterbank zwischen den Blumenkästen deponiert hat. Ihr bereits mit grauen Strähnen durchzogenes Haar trägt sie zu einem festen Knoten am Hinterkopf gebunden, ihre markigen Gesichtszüge verleihen ihr den Ausdruck von Stärke und Beharrlichkeit. Noch einmal schaut sie hinauf zum Himmel, wo der Regenbogen allmählich verblasst. Dicke Tropfen fallen von den Blättern der Birken, unter denen ihre Hütte steht, auf sie herab. Metha Markwitz liebt diese Bäume, sie erinnern sie so sehr an Gumbinnen, wo sie als kleines Kind an die weißen Baumstämme gelehnt dasaß und dem Rauschen der Blätter im Wind lauschte. Vielleicht sind die Birken hier vor ihrer Nissenhütte sogar der wahrhaftige Grund, warum sie immer noch hier ist, manchmal ist sie sich dessen sicher, doch dann wieder erscheinen ihr diese Bäume hier so krumm und so schmächtig, so bescheiden im Vergleich zu den prachtvollen Exemplaren daheim, dass sie über sich selbst den Kopf schüttelt und sich eine Närrin nennt. Nichts von alledem hier ist wie in Gumbinnen. Dort war jedes Ding gut, wohingegen sie hier ihre Tage in dem elenden Dasein einer Bittstellerin verbringt. Mit kaum mehr als fünfzig Jahren lebt sie von einer äußerst geringen Rente; einer geregelten Arbeit nachzugehen, ist ihr nicht mehr möglich, denn ihre Gesundheit ist perdu. Verloren gegangen in den eiskalten Schneestürmen, durch die sie sich auf ihrem langen Weg in den Westen geschleppt haben. Zunichte gemacht von den Rotarmisten. Aufgesogen von den Parasiten, die sich über Monate in ihrer ungewaschenen Kleidung festgesetzt hatten. Dass es ihr in diesem Inferno gelungen ist, Ursula vor den russischen Bestien zu verstecken, erscheint ihr auch heute noch wie ein Wunder. Ihre Ursula, ihre wundervolle Ursula; sie ist der Grund, warum Metha noch nicht vor einen fahrenden Zug gesprungen ist. Für ihre Tochter lebt sie weiter, für sie erträgt sie diesen nagenden Schmerz in sich, und erst, wenn ihr Kind endlich das goldene Leben führt, das ihr zusteht, erst dann kann Metha Markwitz Ruhe finden und abtreten von der Bühne des Lebens, auf der von ihr verlangt wurde, die Rolle des Pechvogels in einem miesen Theaterstück zu spielen. Das Schicksal schuldet ihr ein versöhnliches Ende ihres grässlichen Lebens, darauf hat Metha Markwitz ein Anrecht, und sie ist nicht bereit, auch nur einen Deut von dieser Erwartung abzuweichen. Als sie in ihre Nissenhütte zurückgehen will, sieht sie Martin Schopp den Feldweg entlangwackeln. Der Dorftrottel geht nicht wie andere Menschen, er zockelt vielmehr, mit ungelenken Schritten zockelt er seiner Wege, und nie weiß man bei ihm, was er im Schilde führt. Vom Dorf her kommt er näher, patscht in die Regenpfützen, ohne dass es ihm etwas auszumachen scheint. Metha Markwitz hegt ein tiefes Unbehagen gegen diesen Kerl, den einige Leute im Dorf einen armen Teufel nennen und bemitleiden, doch ihr gelingt es schon lange nicht mehr, Mitleid für Martin Schopp zu empfinden. Sie ist der Meinung, dass so einer wie er weggesperrt gehört. Unverhofft taucht er vor ihrer Wohnung auf, stiert durch das Fenster in ihr Schlafzimmer hinein und fingert dabei an sich herum. Wie oft schon hat sie sich zu Tode erschrocken, wenn er plötzlich in ihrer Küche steht und sie anglotzt. Dieser Teufel ist zu abscheulichen Dingen fähig, das weiß sie, und aus diesem Grund vertreibt sie ihn vehement, sobald sie ihn erblickt. Argwöhnisch beobachtet sie, wie Schopp näher kommt. Geh nur weiter, denkt sie bei sich, geh nur weiter, geh hinüber zum Pröll und lass mich in Ruhe. Geh nur hinüber und lass dich wieder verhöhnen von ihm. Sie weiß, dass Goswin Pröll den Dorftrottel verlacht und beschimpft. Dass er ihn herumstößt, nach ihm tritt und ihm ein Bein stellt, damit Schopp in den Dreck fällt und Pröll ihn dafür verlachen kann. Am Anfang ist sie hinübergegangen, als sie beobachtet hat, was auf Prölls Grundstück geschieht, hat gerufen, er solle aufhören damit, doch Pröll hat nur gelacht und gebrüllt, sie solle verschwinden, sonst ginge es ihr genauso. Sie war bei Schopps Eltern, hat erzählt, was sie gesehen hat. Doch der Alte hat nur gelacht und gemeint, das gehe sie nichts an. Seitdem kümmert sie sich nicht mehr um die Sache. Gleich wird sich Goswin Pröll den Dorftrottel wieder gehörig vornehmen, und der wird dastehen und dämlich grinsen, weil er nicht versteht, was mit ihm geschieht. Zurück in ihrer Küche, beginnt sie damit, das Abendessen für sich und Ursula zu bereiten. Sie führt den Haushalt, und Ursula verdient das Geld, das doch nicht ausreicht, um sie hier herauszubringen. Ursula Markwitz ist eine Frau, nach der sich die Männer umdrehen. Sie hat die Gestalt ihrer Mutter, doch ihre Gesichtszüge sind harmonischer. Wo Metha mit schmalen, aufeinandergepressten Lippen ihre Mitmenschen verdrießlich anschaut, da lacht Ursula laut auf mit vollen Lippen und offenem Mund, der ihre makellos weißen Zähne entblößt. Ihr sonniges Gemüt wirkt ansteckend auf andere, und weil sie zu jedermann freundlich ist, sind ihr nahezu alle Menschen, die ihr begegnen, gleich zugetan. Sie ist anders als die Bauernmädchen mit ihren breiten Gesichtern und den dicken Waden, sie ist etwas Besonderes, das ruft ihr Metha ständig in Erinnerung, und darum, sagt sie, werde sie es auf gar keinen Fall dulden, dass einer dieser kleingeistigen Habenichtse, die ihr beständig nachstellen, sie zur Frau bekommt. Seit acht Monaten und zehn Tagen trifft Ursula sich mit Felix Siedemann, dem Sohn der im Dorf hoch angesehenen Apothekerfamilie. Felix hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn studiert und anschließend zwei Jahre lang in verschiedenen Apotheken in den Städten Aachen und Köln gearbeitet. Seitdem er wieder zurückgekehrt ist in sein Elternhaus, arbeitet er neben seinem Vater in der Apotheke am Marktplatz in der Dorfmitte, in der schon sein Großvater hinter dem Tresen gestanden hat. Beim Erntedankfest im vergangenen Herbst hat er Ursula zum Tanz aufgefordert, seither sind sie ein Paar, und Ursula spürt, dass Felix sich mit ernsten Absichten trägt. Eine Zeit lang konnte Ursula die Liaison mit Felix Siedemann vor ihrer Mutter geheim halten, doch dann hat sie es erfahren, und Metha war zunächst erzürnt darüber, dass sie die freudige Nachricht von jemand Fremdem erfahren musste. Doch Methas Verärgerung war nur von kurzer Dauer, zu groß war die Freude über diese wundervolle Wendung in Ursulas Leben. Die Siedemanns gehören zu den Honoratioren im Dorf, ihr Haus ist das größte und schönste am Marktplatz. Schon als die Markwitz’ ins Dorf kamen, waren an dem Haus der Siedemanns keinerlei Kriegsschäden mehr zu erkennen. Heute zieren aufwendige Sockel und Gesimse aus kostbarem, weißem Marmor die...


Herbert Pelzer (*1956), lebt und schreibt auf dem platten Land vor den Toren Kölns. Zuletzt hat er bis zum Frühjahr 2020 in der Film- und Fernsehausstattung gearbeitet, daneben widmete er sich seit einigen Jahren dem Schreiben.
Seit 2008 verfasste er Beiträge zur Regionalgeschichte, 2017 dann erschien mit "Durch die Jahre" sein Debütroman. Seine Bücher beschäftigen sich vordergründig mit der Nachkriegsgeschichte seiner Heimat. Schon auf den zweiten Blick entpuppen sie sich als Familienromane, in denen er sorgfältig und schonungslos die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe des nicht immer idyllischen Landlebens offenlegt.



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