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E-Book, Deutsch, Band 12, 0 Seiten

Reihe: Die Thomas & Charlotte-Pitt-Romane

Perry Belgrave Square

Ein Inspektor-Pitt-Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-641-14033-5
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein Inspektor-Pitt-Roman

E-Book, Deutsch, Band 12, 0 Seiten

Reihe: Die Thomas & Charlotte-Pitt-Romane

ISBN: 978-3-641-14033-5
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Seine Ermittlungen in einem grausamen Mordfall führen Inspektor Thomas Pitt in die höchsten Kreise der Londoner Gesellschaft. Bei seiner Suche nach dem Täter stößt er auf einen Geheimbund, dem viele ehrenwerte Herren angehören - und nicht wenige von ihnen hatten ein Motiv.

Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry verstarb 2023 in Los Angeles.
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1.


Kapitel


Pitt stand auf den Stufen, die zum Fluß hinunterführten. Die Heckwellen der Kähne, die vom Pool of London den Fluß hinaufschipperten, schwappten an die Uferbefestigung. Es war Mittagszeit. In der einen Hand hielt Pitt einen kleinen Topf mit Aal in Aspik, den er an einem Stand unweit der Westminster Bridge gekauft hatte, in der anderen eine dicke Scheibe Brot. Die Sommersonne schien heiß und hell auf sein Gesicht, und die Luft roch herb und ein wenig scharf. Hinter und über sich auf der Uferstraße hörte er das Rattern der Karren und Kutschen, die Gentlemen in die City zu ihren Geschäften oder zur Entspannung in ihre Clubs beförderten und feine Damen zu ihren Nachmittagsbesuchen, wo sie Visitenkarten und Neuigkeiten austauschten und Verabredungen für die endlosen gesellschaftlichen Vergnügungen der Saison trafen.

Der durch die Whitechapel-Morde verursachte Schrekken und das Entsetzen hatten sich gelegt, obwohl man der Polizei immer noch das Versagen anlastete, den grausamsten Mörder in der Geschichte Londons, die Zeitungen hatten ihn »Jack the Ripper« getauft, nicht dingfest gemacht zu haben. Der Polizeichef hatte sogar seinen Rücktritt erklärt. Die Königin lebte in Schloß Windsor und trauerte, wie sie es die letzten achtundzwanzig Jahre getan hatte, obwohl einige sagten, sie schmolle, doch davon abgesehen waren die Aussichten gut und versprachen noch besser zu werden. Pitt selber war so glücklich wie nie zuvor. Er liebte seine Frau und lebte gerne mit ihr zusammen, er hatte zwei gesunde Kinder, und es erfüllte ihn mit großer Freude, sie aufwachsen zu sehen. Er leistete gute Arbeit in seinem Beruf und hatte genügend Geld zur Verfügung, um ein angenehmes Leben zu führen, zuzeiten sogar fast ein luxuriöses, wenn er dafür zwischendurch immer wieder sparsam war.

»Herr Inspektor!« Die Stimme klang atemlos und dringend, und Schritte polterten laut auf den Stufen. »Inspektor Pitt, Sir!« In seinen schweren Stiefeln stürmte der Wachtmeister mit lärmenden Schritten die Treppe hinunter. »Inspektor Pitt, ah!« Er blieb stehen und atmete befriedigt auf. »Mr. Drummond hat mich nach Ihnen geschickt. Er braucht Sie, is’ was Wichtiges. Se sollen kommen, so schnell Se können.«

Pitt drehte sich zögernd um und erblickte den schwitzenden jungen Mann, der mit rotem Gesicht in seiner Uniform dastand und so aussah, als befürchte er, seinen Auftrag vielleicht nicht schnell genug ausgeführt zu haben. Micah Drummond war der ranghöchste Beamte auf der Polizeiwache in Bow Street und zweifelsohne ein Gentleman, und Pitt war ein Inspektor, dessen Fähigkeiten langsam die verdiente Würdigung fanden.

Pitt vertilgte den Rest des Aals in Aspik, stopfte den Karton in seine Manteltasche und warf die Brotrinde für die Vögel ins Wasser. Im Nu stieß ein halbes Dutzend Möwen herab, ihre Flügel funkelten in der Sonne.

»Danke, Wachtmeister«, sagte Pitt. »Ist er im Büro?«

»Ja, Sir.« Er schien etwas hinzufügen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders. »Ja, Sir«, wiederholte er und folgte Pitt zur Straße hinauf.

»Alles klar, Sie können wieder auf Streife gehen«, wies Pitt ihn an und machte sich mit ausholenden Schritten auf den Weg zur Bow Street. Die Polizeiwache lag in der Nähe, so daß es schneller war, zu Fuß zu gehen, als sich an diesem ungünstigen Ort eine freie Droschke zu suchen, wo doch bei dieser lauen Luft alle Welt zu ihrem Vergnügen unterwegs zu sein schien.

Er betrat die Wache – was den Polizisten am Dienstschalter sichtlich erleichterte –, ging auf Drummonds Büro zu und klopfte.

»Ja?« Drummonds Stimme war voll gespannter Erwartung.

Pitt trat ein und schloß die Tür hinter sich. Drummond stand am Fenster. Wie immer war er tadellos angezogen. Er besaß die mühelose Eleganz eines Mannes, für den guter Geschmack von Geburt an eine Selbstverständlichkeit ist, doch sein längliches, hageres Gesicht wirkte angespannt, und seine Haltung sowie seine verkrampften Schultern drückten Besorgnis aus.

»Ah, Pitt! Gut.« Er lächelte mit einem Anflug von Wärme, doch dann wurde sein Gesicht wieder von Sorge überschattet. »Ich habe Parfitt angewiesen, Ihren Fall zu übernehmen. Ich habe etwas viel Wichtigeres. Eine heikle Angelegenheit …« Er zögerte, schien etwas sagen zu wollen und sah dann davon ab, was nicht seine Art war. Pitt hatte ihn immer als einen Mann erlebt, der eine unumwundene Sprache liebte, ohne Schmeicheleien und Ausflüchte – ohne die Beeinflussungsversuche, derer sich so viele Männer geringeren Kalibers bedienten. Es zeugte von dem Druck, unter dem er jetzt stand, daß er die richtigen Worte nicht finden konnte.

Pitt wartete schweigend.

Drummond begann noch einmal. »Pitt, ich habe da einen Fall, den ich Ihnen übertragen möchte.« Ihre Zusammenarbeit war von gegenseitigem Respekt, ja sogar Freundschaft geprägt. Das bestimmte auch jetzt seine Worte. »Ein sehr einflußreicher Mann hat mich soeben angerufen, im Namen unserer – Freundschaft.« Bei dem Wort zögerte er nur einen kurzen Augenblick, doch Pitt bemerkte es überrascht und nahm den Hauch einer Färbung auf Drummonds Gesicht wahr.

Drummond wandte sich vom Fenster ab, das einen Blick auf die Straße gewährte, und stellte sich hinter den großen Schreibtisch mit der Lederauflage.

»Er hat mich gebeten, die örtliche Polizeiwache zu umgehen«, fuhr er fort, »und möglicherweise auch die Presse und den Fall zu übernehmen. Sie sind am besten befähigt, in einer Angelegenheit wie dieser zu ermitteln. Tatsächlich habe ich bereits mit dem Gedanken gespielt, Sie in Zukunft mit politischen Fällen zu betrauen – und solchen, die sich zu politischen Fällen auswachsen könnten. Ich weiß, daß Sie eine Beförderung ausgeschlagen haben, weil Sie nicht am Schreibtisch arbeiten wollten …« Er unterbrach sich und sah Pitt ins Gesicht.

Pitt hätte ihm geholfen, wenn er gewußt hätte wie, aber er hatte keine Ahnung, was die Situation erforderte oder wer betroffen war, noch verstand er, warum Drummond dermaßen aus der Fassung geraten war und sich augenscheinlich so unbehaglich fühlte.

»Ich erzähle Ihnen alles auf dem Weg.« Drummond zuckte die Schultern, ging durch den Raum, nahm seinen Hut vom Garderobenständer und öffnete die Tür. Pitt folgte ihm mit einem zustimmenden Kopfnicken.

Sie traten auf die Straße und fanden gleich eine leere Droschke. Sobald Drummond dem Fahrer die Richtung angegeben hatte und sie beide auf ihren Plätzen saßen, begann er mit seiner Erklärung. Er sah Pitt dabei nicht an, sondern starrte vor sich hin, den Hut auf den Knien.

»Heute erhielt ich einen Anruf von Lord Sholto Byam, der mir flüchtig bekannt ist. Wir haben gemeinsame Freunde.« Seine Stimme klang merkwürdig angespannt. »Er war recht bedrückt, da er soeben von dem Mord an einem ihm bekannten Mann gehört hatte, einem äußerst abstoßenden Mann.« Drummond atmete schwer, die Augen hatte er immer noch von Pitt abgewandt. »Und aus Gründen, die er uns darlegen wird, befürchtet er, daß er selbst des Verbrechens verdächtigt werden könnte.«

Verschiedene Fragen drängten sich Pitt auf. Wie hatte Lord Byam von dem Mord erfahren? Die Nachricht davon konnte noch nicht in der Zeitung gestanden haben. Wieso kannte er einen solchen Mann? Und warum sollte der Verdacht auf ihn fallen? Doch mehr noch als diese Fragen drängten sich ihm Drummonds Unbehagen, ja seine Verlegenheit auf. Die knappe Enthüllung ließ darauf schließen, daß die Schilderung von Drummond vorbereitet war. Er hatte sie abgeliefert, ohne abzuschweifen und ohne einen Blick auf Pitt zu werfen, um dessen Reaktion einzuschätzen.

»Wer ist das Opfer, Sir?« fragte Pitt laut.

»Ein Mann namens William Weems, ein kleiner Wucherer aus Clerkenwell«, erwiderte Drummond.

»Wo hat man ihn gefunden?«

»In seiner Wohnung, in der Cyrus Street, mit einem Kopfschuß.« Drummond schüttelte sich bei diesen Worten. Er verabscheute Feuerwaffen, wie Pitt wußte.

»Wir fahren in westliche Richtung«, bemerkte Pitt.

Clerkenwell lag im Osten der Stadt.

»Wir statten Lord Byam einen Besuch ab«, war Drummonds Antwort. »In Belgravia. Ich möchte, daß Sie soviel wie möglich wissen, bevor Sie nach Clerkenwell fahren. Es ist schon schwierig genug, die Ermittlungen von einem anderen Beamten zu übernehmen, da müssen Sie nicht auch noch in Unwissenheit darüber sein, womit Sie es zu tun haben oder warum Sie da sind.«

Pitt hatte einen ersten heftigen Zweifel. Seine Fragen ließen sich nicht länger aufschieben.

»Wer ist Lord Sholto Byam, Sir, abgesehen davon, daß er einer Ihrer Bekannten ist?«

Drummonds Unbehagen ließ etwas nach. Hier bewegte er sich auf dem Gebiet handfester Tatsachen.

»Die Byams sind eine sehr distinguierte Familie, seit Generationen bekleiden sie Posten im Handels- und im Außenministerium. Natürlich sind sie begütert. Der gegenwärtige Lord Byam ist im Finanzministerium beschäftigt, wo er besonders mit Auslandskrediten und Handelsbündnissen zu tun hat. Ein brillanter Kopf.«

»Wieso kennt er dann einen kleinen Wucherer in Clerkenwell?« fragte Pitt und legte soviel Takt in seine Stimme, wie er aufbringen konnte. Dennoch klang die Frage lächerlich.

Ein grimmiges Lächeln huschte über Drummonds Gesicht und verschwand.

»Ich weiß es nicht. Das wollen wir ja gerade in Belgravia herausfinden.«

Pitt schwieg ein paar Sekunden, in seinem Kopf schwirrten Fragen und Zweifel umher. Die Droschke kam in flottem Trab voran. Sie schlängelte sich durch den Verkehr auf der Eccleston Street, überquerte Eaton Square und bog dann in Belgrave Place ein. Zweispänner mit Familienwappen...


Perry, Anne
Die Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Ihre historischen Kriminalromane begeistern ein Millionenpublikum und gelangten international auf die Bestsellerlisten. Anne Perry verstarb 2023 in Los Angeles.



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