E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reihe: Sarah Pirohl ermittelt
Peters Bornholmer Flucht
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8412-2912-0
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reihe: Sarah Pirohl ermittelt
ISBN: 978-3-8412-2912-0
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spurensuche auf Bornholm.
Sarah Pirohl, eine ehemalige Polizistin, hat sich nach Bornholm zurückgezogen. Aber auch hier findet sie keine Ruhe. Als sie nach einem Aufenthalt aus Deutschland zurückkehrt, ist ihr Freund, ein dänischer Journalist, verschwunden. Ist Frederik, der sich oft mit brisanten Fällen befasst, entführt worden? Am nächsten Tag wird in einem ausgebrannten Auto eine Leiche gefunden. Es ist nicht Frederik, doch wer ist der Tote? Und was hat Frederik mit alldem zu tun?
Katharina Peters, Jahrgang 1960, schloss ein Studium in Germanistik und Kunstgeschichte ab. Sie ist passionierte Marathonläuferin, begeistert sich für japanische Kampfkunst und lebt am Rande von Berlin. Aus der Rügen-Serie mit Romy Beccare sind 'Hafenmord', 'Dünenmord', 'Klippenmord', 'Bernsteinmord', 'Leuchtturmmord', 'Deichmord', 'Strandmord', 'Fischermord', 'Schiffsmord', 'Ankermord' und 'Ufermord' lieferbar. Aus der Ostsee-Serie sind 'Todesstrand', 'Todeshaff', 'Todeswoge', 'Todesklippe', 'Todeswall' und 'Todeswelle' lieferbar. Zuletzt erschienen von ihr: 'Bornholmer Schatten' und 'Bornholmer Falle'. Mehr zur Autorin unter www.katharinapeters.com
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Prolog
Das Blockhaus verfügte über einen Keller, den seine Mutter nur selten genutzt hatte. Sie mochte den steilen wackligen Abstieg in die Tiefe nicht, wo es feucht, dunkel und kalt war und auch etwas unheimlich, und hatte die Vorzüge, die der Mann, der ihn einst gebaut hatte, nicht zu schätzen gewusst oder für überflüssig gehalten. Irgendwann hatte sie den Zugang kurzerhand mit einem robusten Brett vernagelt. Doch ein gutes Versteck, von dem niemand etwas ahnte, war zu jeder Zeit hilfreich – ein Rückzugsort, an dem man sich sammelte, auf Vorräte zugreifen und besonnen weitere Schritte planen konnte, um seinen Gegner zu überraschen. Die Bornholmer waren schon immer Strategen gewesen – die Insel hatte in ihrer wechselvollen und stürmischen Geschichte oft genug gegen Übergriffe verteidigt werden müssen. Und in Hasle wohnten seit jeher die tapfersten Bornholmer, wie jeder Däne wusste. Hier hatte in der Mitte des 17. Jahrhunderts der Widerstand gegen die Schweden seinen Anfang genommen, und die Anführer der Rebellion stammten aus Hasle.
Frederik Thomsen hatte das Haus kurz nach dem Tod seiner Mutter übernommen und nur wenig später den Keller zu einem geheimen Versteck ausgebaut, von dem niemand etwas wusste. Die Gewissheit, innerhalb kurzer Zeit auf Bargeld, Papiere, neue SIM-Karten, Datenspeicher und Ähnliches zugreifen und dann nahezu spurlos verschwinden zu können, hatte ihm immer ein gutes Gefühl vermittelt. Sicherheit, ein Stück davon. Wer sich mit mächtigen Feinden anlegte, brauchte etwas in der Hinterhand.
Der einzige Nachteil bestand darin, dass der Keller kein Versteck war, das er spontan und unbemerkt in einer plötzlich bedrohlichen Gefahrensituation aufsuchen konnte. Der Zugang verbarg sich unter dem wuchtigen Schreibtisch. Zwei Dielenbretter im Fußraum mussten angehoben werden, darunter war eine verschließbare Luke angebracht. Aus der Tiefe führte ein ebenfalls gut versteckter zusätzlicher Ausgang in ein Gebüsch direkt zum Carport. Das klang gut, beruhigend. Doch Frederik benötigte stets einige Minuten für den Abstieg, ungefähr fünf, um genau zu sein, denn schließlich sollte nichts auf das Versteck hinweisen – wenn er die Handgriffe regelmäßig übte, schaffte er das Prozedere in knapp vier.
An dem Morgen, als der Postwagen vorfuhr, hatte Frederik sich gerade einen Kaffee gekocht und blickte zum Fenster hinaus. Seine Redaktion in Kopenhagen wartete auf die letzte Fassung eines Artikels. Er stellte seine Tasse ab und ging zur Tür. Der Postmann hieß Gustav, und er hatte zwei Pakete für ihn und ein paar offizielle Schreiben. Gustav erledigte die Postfahrten im westlichen Teil der Insel, seit Frederik denken konnte. Manchmal sprang eine Aushilfe ein, aber das war ausgesprochen selten. Frederik wechselte ein paar Worte mit ihm und ließ die Tür auf, während er die Pakete ins Wohnzimmer brachte.
Das Letzte, woran Frederik sich überdeutlich erinnerte, war das Geräusch des aufheulenden Motors, als Gustav mal wieder zu viel Gas gab und um die Ecke bog; dann trat Stille ein, der plötzlich ein leises Knacken hinter seinem Rücken folgte. Frederik drehte sich um, als ihn ein Schlag von der Seite traf. Er fiel sofort zu Boden. Der letzte Gedanke, der ihm durch den Kopf ging, war eine Bemerkung von Krølle – einem Mann mit hervorragenden Kontakten und Talenten, der für alle möglichen Auftraggeber tätig wurde sowie Drecksarbeit erledigte und ihn kürzlich in seinem Haus überrascht hatte. »Du solltest etwas für deine Fitness tun«, hatte Krølle in lapidarem Ton bemerkt. Krølle bedeutete Locke und war natürlich nicht sein richtiger Name. Ich hätte auf ihn hören sollen, dachte Frederik, bevor er das Bewusstsein verlor.
Als er wieder zu sich kam, war ihm übel, sein Kopf dröhnte, und er konnte seine Hände nicht bewegen. Sie waren gefesselt, und sein Mund war mit Klebeband verschlossen. Frederik atmete scharf ein, sein Herz begann zu rasen, als ihm klar wurde, was geschehen war. Sie hatten ihn erwischt. Nach all den Jahren war es ihnen nun gelungen, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und seinen Unterschlupf ausfindig zu machen. Er hatte immer damit gerechnet, dass es eines Tages so weit sein könnte, erst recht, seitdem er mit Sarah Pirohl zusammen war und sie sich gemeinsam dem Kampf gegen ein rechtes Netzwerk verschrieben hatten. Ein Netzwerk, das Sarahs Großvater Friedrich Pirohl, Gründer einer einflussreichen Berliner Wirtschaftskanzlei, entscheidend mitgestaltet und ihr Vater ausgebaut hatte. Dass der alte Pirohl längst tot war und sein Sohn Bernd seit Anfang des Jahres mit einigen seiner Mitstreiter in Untersuchungshaft saß, tat dem Wirken der Gruppe genauso wenig Abbruch wie die weitreichenden Ermittlungen verschiedener Behörden über Ländergrenzen hinweg, einschließlich der Bundesanwaltschaft.
Frederik unterdrückte ein Stöhnen. Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn seine Mutter und der deutsche Jurist Siegfried Kolmer, ein Studienkollege vom alten Pirohl und Dänemark-Fan, kein Paar geworden wären? Interessante Frage, die allerdings im Moment völlig sinnlos war. Sein Vater hatte früh begriffen, wessen Geistes Kind Pirohl war, und Frederik zur Vorsicht gemahnt, und nun lebte er nicht mehr. Ein Herzinfarkt hatte ihn vor gut anderthalb Jahren mit voller Wucht erwischt. Erst letztens hatte Frederik darüber nachgedacht, wie schade es war, dass sein Vater die Verhaftung von Pirohl nicht mehr erleben konnte, an der ausgerechnet dessen Tochter Sarah maßgeblich beteiligt gewesen war.
Frederik schob die Gedanken beiseite und blinzelte vorsichtig. Er lag lang ausgestreckt auf dem Boden im Wohnzimmer. Die Übelkeit ließ etwas nach, seine Kopfschmerzen waren immer noch deutlich spürbar. Ein Mann saß an seinem Schreibtisch und machte sich an seinem Computer zu schaffen. Frederik hörte ein dezentes Fluchen. Das Zugangspasswort knackst du nie, dachte er grimmig. Er galt in der Szene sicherlich nicht als der herausragende IT- oder Darknet-Spezialist – da gab es andere, Marvin aus Berlin zum Beispiel –, doch seine Hacker-Fähigkeiten durften in jedem Fall als überdurchschnittlich bezeichnet werden, und sein Passwort fand garantiert niemand heraus. Darauf würde er glatt eine Wette abschließen.
Der Mann am Schreibtisch fluchte lauter. Frederik musterte ihn genauer. Der Typ war groß und schlank, soweit er das von seinem begrenzten Blickwinkel vom Boden aus beurteilen konnte – er trug ausgewaschene Jeans und ein schwarzes Designer-Shirt, dazu Sneaker und Lederhandschuhe, was nicht unbedingt dem klassischen Outfit des gewaltbereiten Nazischlägers entsprach. Aber die Zeiten, da man die gefährlichen Typen an ihren Glatzen und Stiefeln, den Camouflage-Hosen und Tattoos, dem aggressiven Gegröle und den geifernden Schlachtrufen zu erkennen meinte, waren längst vorbei, dachte Frederik – besser gesagt: Sie waren nur die Vorhut, die eine Seite der Medaille. Die eigentlichen Strippenzieher, die Planer und Geldleute blieben stets im Hintergrund. Sie waren smart und intelligent, unauffällig und einnehmend, sie hatten weitreichenden Einfluss, beste Beziehungen und Fachleute auf jedem Gebiet; und wahrscheinlich war es schon immer so gewesen: Während die Glatzen brüllend und prügelnd durch die Straßen zogen und in den Fokus der Aufmerksamkeit gerieten, hatten sie im stillen Kämmerlein längst weitergehende Pläne geschmiedet.
Frederik schluckte mühsam, der Typ am Schreibtisch drehte plötzlich den Kopf zu ihm herum und sah ihn einen Moment aufmerksam an, bevor er den Stuhl herumdrehte. »Wieder wach?«, fragte er in akzentfreiem Deutsch und in freundlichem, ja – nahezu liebenswürdigem Ton. »Du wirst mir helfen, Frederik«, fuhr er fort. »Ich brauche den Zugang zu deinem Laptop.«
Tatsächlich? Am liebsten hätte Frederik mit einem frechen Spruch reagiert. Doch zum einen waren seine Lippen verschlossen, zum anderen flatterte sein Herz vor Angst. Falls der Typ tatsächlich zu den Leuten gehörte, von denen Frederik seit Jahren einen Übergriff befürchtete, dürften seine Überlebenschancen gegen null tendieren. Dafür sprach auch, dass der Eindringling sich nicht mal die Mühe gemacht hatte, sein Gesicht zu verbergen. Er würde kaum das Risiko einer Identifizierung eingehen.
»Ich denke, du hast keinen Bock auf Schmerzen, oder?« Der Mann setzte ein ernstes Gesicht auf. »Ich meine – richtige Schmerzen?«
Frederik...




