E-Book, Deutsch, 283 Seiten
Peters / Prolibris Verlag Koslowski und der Rabe
Originalausgabe 2019
ISBN: 978-3-95475-212-6
Verlag: Prolibris
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
OWL-Krimi
E-Book, Deutsch, 283 Seiten
ISBN: 978-3-95475-212-6
Verlag: Prolibris
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Drei Morde in kurzer Zeit. An jedem Tatort ein toter Rabe. Ein mysteriöser Mörder treibt sein Unwesen in Lippe. Sein Motiv bleibt unklar. Und die Mordkommission kann keinen Zusammenhang zwischen den Opfern feststellen. Von ganz oben wird entschieden, Koslowski als Berater hinzuzuziehen. Nicht alle Mitglieder der Soko Rabe sind über den neuen 'Kollegen' erfreut. Aber der Tod eines Ermittlers schweißt sie zusammen. Und dass es Koslowski gelingt, ein weiteres Opfer zu retten. Doch der Mörder schlägt gnadenlos zurück. Der zehnte Fall für Koslowski, der nicht nur in der lippischen Krimiszene längst zur Kultfigur geworden ist.
Joachim H. Peters, Baujahr 1958, schrieb 2008 seinen ersten Kriminalroman, seither sind sechzehn Bücher und diverse Kurzgeschichten von ihm erschienen. Der Kriminalbeamte steht aber auch als Schauspieler, Kabarettist mit eigenen Programmen, Leser oder Moderator auf der Bühne. Der gebürtige Gladbecker ist verheiratet, lebt und arbeitet seit 2004 in seiner Wahlheimat Lippe.
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Prolog Ein Jahr zuvor Eine der vielleicht schönsten Bahnstrecken Südwestenglands verläuft nur wenige Kilometer an der Ärmelkanalküste entlang von St. Erth nach St. Ives. Die Reisenden haben einen wunderbaren Blick auf den Strand von St. Ives, dessen heller Sand unmittelbar in das türkisfarbene Wasser der Nordsee übergeht. Bei Sonnenschein ein großartiger Anblick. Heute allerdings wurde dieser Augenschmaus nicht nur durch trübes regnerisches Wetter beeinträchtigt, sondern vor allem durch die Anwesenheit von vielen Uniformierten. Ihre Uniformen wiesen sie als Polizeibeamte Ihrer Majestät aus. Wie überall auf der Welt überlegen Menschen, was wohl Schreckliches passiert sein könnte, wenn sie so eine Menge an Ordnungshütern sehen. Hier war es der Fund einer Leiche, der dafür sorgte, dass Detective Constable Walter Price den Fundort sofort großräumig absperren ließ. Was aufgrund der fehlenden Badegäste kein allzu großes Problem darstellte. Gegen fünf Uhr früh war der Anruf eines einsamen Strandläufers eingegangen, der eine leblose, auf dem Bauch liegende Person am Strand gesichtet hatte. Je näher er ihr gekommen war, desto sicherer war er sich, dass hier jede Hilfe zu spät kam, denn dort, wo das seitlich gedrehte Gesicht hätte sein sollen, war nur noch eine verwaschene undeutliche Masse von wachsweißem Fleisch zu sehen gewesen. »Die Liegezeit im Wasser dürfte sich auf mindestens drei Tage belaufen«, mutmaßte Dr. Wellington. Der alte Amtsarzt war sofort gerufen worden, nachdem sich DC Price am Tatort einen ersten Überblick verschafft hatte. Dankbar ergriff er dessen angebotene Hand. »Der Rücken, Price, der Rücken. Man wird auch nicht jünger«, schnaufte er, als er sich mühevoll aufrichtete. Price nickte zustimmend. Aber die Schwierigkeiten beim Aufstehen, hatten bei Dr. Wellington nicht nur mit dem Alter zu tun, sondern auch mit seiner beachtlichen Leibesfülle. Seine besondere Vorliebe für Scones, die süßlichen Kuchenbrötchen, die man hierzulande gerne mit Clotted Cream und Marmelade oder Konfitüre servierte, trug ebenso dazu bei wie seine regelmäßigen Besuche in seinem Pub. Angeblich sollte seine Frau sogar mal vorgeschlagen haben, sie darunter zu beerdigen, dann sei sie sicher, dass ihr Mann täglich bei ihr vorbeikommen würde. »Was können Sie mir sonst noch sagen?« Price schaute nachdenklich auf die Leiche und kramte in der Jackentasche nach seiner Pfeife. Jeder Hinweis von Dr. Wellington konnte von Nutzen sein, denn anhand der Reste des Gesichtes würde eine visuelle Identifikation nicht mehr möglich sein. »Der gesamte Kopf ist übel zugerichtet. Würde mich nicht wundern, wäre er in eine Schiffsschraube geraten. Sehen Sie nur hier«, er deutete mit seinem Gehstock auf den unteren Teil des Schädels. »Ober- und Unterkiefer fehlen komplett.« Er trat einen Schritt zurück und betrachte die Überreste des menschlichen Körpers mit schiefgelegtem Kopf. »Sicher kann ich nur sagen, dass es sich um eine Frau handelt.« Auch wenn er kurzatmig und langsam war, so war Wellington bei seiner Arbeit doch akribisch. Der Zustand der Toten hatte ihn nicht davon abgehalten, sie zu entkleiden und gründlich in Augenschein zu nehmen. »Was können Sie mir zu …«. Weiter kam der Detective Constable nicht. »Wann lernt ihr es endlich, dass wir Ärzte nicht schon am Fundort der Leiche die genauen Todeszeiten, den Grund ihres Todes und womöglich ihre gesamte Biografie herunterbeten können. Das sollten Sie doch wissen, oder schauen Sie zu viele schlechte Krimis?«
Schnaufend umrundete Wellington die Leiche auf dem nassen Sand. »Gut, sehen wir mal, was ich Ihnen vorab sagen kann. Wie gesagt: eine Frau, ziemlich groß, ich würde sie auf etwa 1,75 bis 1,80 Meter schätzen. Europäische Kleidung, recht billiger Modeschmuck, aber eine insgesamt gepflegte Erscheinung.«
Als er Prices hochgezogene Augenbraue sah, fügte er erläuternd hinzu: »Sehen Sie sich die Hände an. Man sieht noch Rest von Nagellack und kann erkennen, dass die Nägel manikürt waren und trotz Waschhaut, vermute ich mal, dass das keine Arbeiterhände sind.« Er deutete mit dem Stock darauf. »Alles andere werden Sie rausfinden müssen, vor allem ihre Identität. Das dürfte ohne Zahnschema allerdings recht schwierig werden.«
Price seufzte. Er wusste, worauf Wellington anspielte. Kein Gesicht, keine Zähne. Auch mit den Fingerabdrücken würden sie wenig anfangen können, wenn sie nicht in einer Datei gespeichert waren. Das bedeutete, sämtliche Vermisstenmeldungen durchzugehen, die hier oder an anderer Stelle erstattet worden waren. Nachdenklich ließ er den Blick auf der Toten ruhen. Woher kommst du? Von einer Fähre? Von einem Ausflugsboot? Von einem Kreuzfahrtschiff? Es würde erforderlich sein, sich die Gezeiten- und die Strömungsdaten für die letzten Tage zu besorgen. Eine Leiche war nie ein schöner Auftakt für einen Arbeitstag. »Brauchen Sie mich noch?«, wollte Dr. Wellington wissen. »Ich möchte endlich mal frühstücken.«
»Äh, was?« Price wurde aus den Gedanken gerissen. Er sah den Doktor einen Moment lang an, als habe er ihn soeben erst wahrgenommen. »Was? Ach so, nein danke, das reicht mir fürs Erste. Ich lasse die Leiche ins Leichenschauhaus bringen, vielleicht bringt die Obduktion ja noch weitere Hinweise.«
Wellington stieß den Stock in den Sand und blickte hinaus auf das Meer. »Na, dann wollen wir mal hoffen, dass die Aufschneider aus der Rechtsmedizin Ihnen helfen können. Ich empfehle mich.« Er begann, sich schnaufend den Strand hinaufzubewegen, und Price sah ihm gedankenverloren nach. Schließlich kehrte sein Blick zu dem angespülten toten Körper zurück. Wie bei jeder Leiche musste er daran denken, dass das, was da vor ihm lag und nun äußerst unappetitlich aussah wie ein Stück Fleisch, einmal ein Mensch gewesen war. Jemand, der geliebt hatte und geliebt worden war. Jemand, der Pläne und Hoffnungen gehabt hatte und der nun vermutlich jemanden fehlen würde. Er hoffte, dass dieser Jemand sich melden würde und ihm bei der Identifizierung weiterhelfen konnte. Sein Blick glitt hinauf zur Bahnstrecke und er nahm zur Kenntnis, dass der Zug von St. Ives bereits auf der Rückfahrt nach St. Erth war. Hier würde er neue Passagiere, vor allem Touristen abholen, für die diese Fahrt einen Höhepunkt ihrer Reise durch Südwestengland darstellte. Viele von ihnen Deutsche, die durch die Bücher und Filme von Rosamunde Pilcher zu dieser Fahrt inspiriert wurden. Er kannte die Romane nicht, seine Frau jedoch hatte jeden von ihnen gelesen. Sie hatte ihm erzählt, dass die Pilcher für die Verfilmungen Bedingungen aufgestellt hatte: Es durften keine Drogen genommen werden und keine Gewalttaten geschehen. Für Price zwar zu viel Herzschmerz, aber eben eine heile Welt. Er konnte nur hoffen, dass das auch für seinen Fall zutraf, denn wenn die Tote ermordet worden sein sollte, dann wäre der Fall mit der Identifizierung der Leiche nicht erledigt, sondern würde erst beginnen.
An einem anderen Ort zu einer anderen Zeit Er schrie. Um zu prüfen, ob sein Gehör noch funktionierte, aber auch aus panischer Angst. Dunkelheit. Sie war das Erste, was er wahrgenommen hatte, als er zu sich gekommen war. Vollkommene Dunkelheit. Absolute Finsternis. Er wusste weder, wo er war, geschweige denn, warum er hier war. Vorsichtig richtete er sich aus seiner liegenden Position auf, immer drauf bedacht, nirgendwo mit dem Kopf anzustoßen. Er fühlte sich blind. Hatte er sein Augenlicht verloren? Wieder überkam ihn Panik, weil er es nicht überprüfen konnte. Blinde! Ihr Leben in ständiger Dunkelheit kam ihm in den Sinn. Nur, dass sie daran gewohnt waren und es verstanden, sich in ihr zu bewegen. Für ihn war dieses komplette Fehlen jeglichen Lichts neu und beängstigend. Als er endlich stand, begann er mit den Händen zu tasten. Keine Wand, kein Gegenstand waren zu fühlen. Nach oben! Er reckte die Arme und fand auch dort keine Begrenzung. Um ihn herum nur Dunkelheit und eine erdrückende Stille. Schließlich war er auf die Idee mit dem Schrei gekommen und hatte sich nicht anstrengen müssen, ihn auszustoßen. Es hallte nicht, demnach konnte der Raum doch nicht allzu groß sein. Vorsichtig machte er einen Schritt nach vorn. Dabei überkam ihn die nächste Panikattacke. Sauerstoff! Wenn es hier kein Licht gab, wie war es dann mit Atemluft? Sofort übermannte ihn das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Er musste hier raus! Die Arme vorstreckend, machte er einen weiteren Schritt. Einen dritten, einen vierten. Beim fünften war er überrascht, als seine Hände plötzlich gegen eine Wand stießen. Er tastete. Ziegelsteine, rau und feucht. Nun glaubte er auch, ihren typischen Geruch in der Nase zu haben. Nasse Ziegel und feuchter Mörtel. Der Geruch erinnerte ihn an den Keller seiner Großeltern. An ihr altes Zechenhaus im Ruhrgebiet. ...