Pfahl-Traughber / Riescher / Weber | Extremismus und Terrorismus in Deutschland | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 120 Seiten

Pfahl-Traughber / Riescher / Weber Extremismus und Terrorismus in Deutschland

Feinde der pluralistischen Gesellschaft

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

ISBN: 978-3-17-034545-4
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Über Extremismus und Terrorismus wird täglich in den Medien berichtet. Dabei handelt es sich aber in Ideologie und Praxis um ganz unterschiedliche Phänomene. Es gibt einen linken, rechten sowie religiösen Extremismus und Terrorismus. Worin bestehen die Gemeinsamkeiten, worin bestehen die Unterschiede? Wie entwickelten sich Extremismus und Terrorismus? Welche Handlungsformen und Strategien werden genutzt? Worin besteht das besondere Gefahrenpotential für die Gesamtgesellschaft wie für Minderheiten?
Armin Pfahl-Traughber gibt auf diese Fragen, ohne zu verharmlosen, aber auch ohne zu dramatisieren, differenzierte Antworten.
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3          Linker Extremismus und Terrorismus
      3.1       Linker Extremismus
3.1.1     Parteiförmiger Linksextremismus
Die Entwicklung des parteiförmigen Linksextremismus hängt eng mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen, berufen sich doch nach wie vor alle anderen kommunistischen Parteien auf sie. Von Beginn an lehnte die 1918/19 gegründete KPD auch die Weimarer Republik ab. Immer mehr geriet sie in Abhängigkeit von der Sowjetunion. Daran änderte sich auch nach 1945 nichts. Die externe Anleitung ging lediglich auf die DDR über. Zunächst konnte die KPD (vgl. Pfahl-Traughber 2014: 69–82; Staritz 1983) auch in der Bundesrepublik Deutschland noch relevante Stimmenanteile für sich mobilisieren, etwa bei der Bundestagswahl 1949, bei der es 5,7 Prozent waren. Doch mit der Zeit schwand die Zustimmung in der Bevölkerung und schließlich wandte sich auch die für die Partei bedeutsamste Wählergruppe von ihr ab: die Arbeiter. Die Forderung nach einem »revolutionären Sturz des Adenauer-Regimes« motivierte letztlich einen Verbotsantrag, der 1956 zur Auflösung der Partei führte. Die KPD setzte ihre Existenz in der DDR gleichsam »im Exil« fort. 1968 entstand mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) eine Neugründung (vgl. Heimann 1983; Pfahl-Traughber 2014: 83–95), was an der gemeinsamen Ideologie, Organisationsform und Strategie erkennbar war. Man berief sich offen auf den Marxismus-Leninismus, sprach aber eher von der »Arbeitermacht« und weniger von der »Diktatur des Proletariats«. Die meisten DKP-Funktionäre der »ersten Reihe« waren zuvor KPD-Funktionäre der »zweiten Reihe« gewesen. Auch die Abhängigkeit von der DDR bestand fort, wich man doch nie von der Linie der SED ab. Die finanzielle und logistische Hilfe aus der DDR führte daher auch zu einer inhaltlichen und strategischen Steuerung. Zu den erhofften Erfolgen bei Wahlen kam es indessen nicht. Bei Bundes- und Landtagswahlen zog die Partei nie ins Parlament ein. Meist erhielt die DKP lediglich um die 0,3 Prozent der Stimmen. Ausnahmen waren regionale Hochburgen, wozu Bottrop, Gladbeck oder Marburg zählten. Angesichts der geringen Akzeptanz in der Bevölkerung verlegte sich die DKP auf andere Betätigungsfelder. Gerade durch das Engagement in Gewerkschaften und Protestbewegungen vermochte sie durchaus Wirkungen zu entfalten. In den 1970er und 1980er Jahren war es sogar in bestimmten kulturellen oder sozialen Milieus durchaus »in«, der DKP oder ihren Vorfeldorganisationen anzugehören. Über die erkennbare Abhängigkeit von der DDR-Diktatur und die dogmatische Fixierung auf den Marxismus-Leninismus wurde hinweggesehen. Im Vordergrund stand das gemeinsame Engagement für Frieden oder gegen Rechtsextremismus. Wie bedeutsam die Ausrichtung an der und die Hilfe durch die SED war, zeigte sich ab 1989. Nach der Auflösung der DDR brach die Parteistruktur zusammen. Von den ursprünglich einmal 40 000 Angehörigen blieben bis Mitte der 2010er Jahre nur noch um die 4 000 übrig, wobei es sich meist um lebensältere Mitglieder handelte. Neben der DKP gab es in den 1970er Jahren noch weitere linksextremistische Parteien, die häufig eine maoistische oder gar eine stalinistische Orientierung hatten. Indessen kam ihnen keine größere Bedeutung zu, da sie sich meist nach kurzer Zeit wieder auflösten. Eine Ausnahme blieb die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), die 1982 gegründet wurde (vgl. Müller-Enbergs 2008; Pfahl-Traughber 2014: 97–109). Sie ist an der marxistisch-leninistischen Ideologie und zudem promaoistisch und prostalinistisch ausgerichtet, was selbst im Linkextremismus potentielle Mitstreiter verschreckt. Daher konnte die MLPD nicht wie etwa die DKP über Protestbewegungen erfolgreich wirken. Angesichts der starken Anbindung der um die 3 000 Mitglieder an die Partei ist sie aber überaus handlungsfähig. Denn bei Kandidaturen wirbt die MLPD breit mit Wahlplakaten. Allerdings kommt sie kaum über 0,2 Prozent der Stimmen hinaus. Die MLPD bewegt sich daher weitgehend in politischer und sozialer Isolation – selbst im eigenen politischen Lager. Mit einer Besonderheit hinsichtlich des parteiförmigen Linksextremismus hat man es seit 1989/90 aufgrund der Auflösung der DDR und dem Machtverlust der SED zu tun. Dadurch entstand die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), aus der schließlich Die Linke (vgl. Jesse/Lang 2008; Pfahl-Traughber 2014: 111–123) hervorgegangen ist. Hier muss berücksichtigt werden, dass die SED nie aufgelöst wurde, sondern sich nur umbenannte. Diese formale Anmerkung unterstellt keine politische Identität; gleichwohl sollte diese organisatorische Entwicklung berücksichtigt werden. Der PDS gehörten weit über 90 Prozent ehemalige SED-Mitglieder an. Entgegen ursprünglicher Annahmen konnte man sich in Ostdeutschland behaupten, wovon dortige Landtagswahlergebnisse von bis zu 20 Prozent der Stimmen zeugten. Die Demokratisierung der Partei erfolgte indessen nicht so schnell wie die bereits 1990 vorgenommene Umbenennung suggerierte. Insofern kann man für die 1990er Jahre noch von einer weitgehend linksextremistischen Partei sprechen. Die Erfahrungen mit den neuen Handlungsmöglichkeiten führten in Ostdeutschland aber zu politischen Veränderungen, da sich die dortigen Landesverbände »mäßigten«. Der Grund war wohl, dass sie mitunter politische Verantwortung übernahmen. Insofern lässt sich eine schleichende und weitgehend unreflektierte Demokratisierung im Verlauf der Zeit beobachten. Bestärkt wurde die Entwicklung durch die Erweiterung der Partei, die in der Bezeichnung Die Linke nach der Vereinigung mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) 2005 beziehungsweise 2007 mündete. Gleichwohl bestehen linksextremistische Bestrebungen in der Partei fort. Sie selbst ist auch nicht gewillt, gegen die extremistischen Strukturen eine Abgrenzung etwa durch Parteiausschlüsse vorzunehmen. Angesichts fehlender Kritik daran scheint es keinen politischen Handlungsbedarf zu geben. 3.1.2     Vereinsförmiger Linksextremismus
Zum vereinsförmigen Linkextremismus zählen Gruppen in und um Die Linke (vgl. BMI 2019: 159–166; Pfahl-Traughber 2014: 116 f.), wobei es sich um ganz unterschiedliche Phänomene handelt. Das wohl bekannteste Beispiel dürfte die Kommunistische Plattform sein, welche sich mit ihren um die 1 200 Anhängern positiv auf die DDR-Diktatur bezieht und deren Ideologie des Marxismus-Leninismus vertritt. Die aus etwa 500 Anhängern bestehende Arbeitsgemeinschaft Cuba Si betreibt für die Diktatur in Kuba politische Solidaritätsarbeit, hält direkte Kontakte zu dortigen Institutionen von Partei und Staat und schweigt meist zu den Menschenrechtsverletzungen und Repressionen. Ebenfalls linksextremistisch sind innerhalb der Partei Die Linke Gruppierungen wie das Marxistische Forum oder die Sozialistische Linke. Zu den Ideologiefamilien im linksextremistischen Lager gehören auch die Trotzkisten, wovon es in Deutschland über zwanzig Organisationen mit um die 1 500 Personen gibt (vgl. Hüllen 2014; Pfahl-Traughber 2014: 128–131). Jede dieser Gruppen spricht letztendlich den anderen Gruppen ab, zumindest hinsichtlich der Strategie Trotzki richtig zu deuten. Dies steht für ein hohes Ausmaß an Dogmatismus und Sektierertum. Die Gruppen sind unterschiedlich groß, manche zählen um die 300 Mitglieder, manche nur um die fünfzig Personen. Zu den relevanten Akteuren in diesem Bereich gehören marx21 und die Sozialistische Alternative (SAV), die jeweils um die 300 Mitglieder haben und beide in der Partei Die Linke mitarbeiten. Angehörige der erstgenannten Gruppe nahmen auch wichtige Funktionen etwa als Mandatsträger wahr. SAV-Aktivisten engagieren sich in der Antikapitalistischen Linken, einer Bundesarbeitsgemeinschaft der Partei. Bezogen auf den vereinsförmigen Linksextremismus muss auch auf die Gruppe GegenStandpunkt aufmerksam gemacht werden. Sie setzt die Aktivitäten der Marxistischen Gruppe (MG) fort (vgl. BMI 1991; Pfahl-Traughber 2014: 125–127), die in den 1970er Jahren aufkam und insbesondere an Universitäten präsent war. Mit elitärer und zynischer Attitüde wollte die MG insbesondere Studierende gewinnen, wobei sie sich sowohl von anderen linken wie linksextremistischen Organisationen distanzierte. Ihnen warf die MG fehlende Radikalität und politischen Opportunismus vor. Nachdem 1991 eine Broschüre des Bundesministeriums des Innern erschienen war, in der ihr...


Prof. Dr. phil. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Soziologe, ist hauptamtlich Lehrender an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl und Lehrbeauftragter an der Universität Bonn.


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